• 02.06.2014 08:41

  • von Roman Wittemeier

LMP1-Kampf in Le Mans: Wer will Favorit sein?

'Motorsport-Total.com'-Redakteur Roman Wittemeier über die Eindrücke vom offiziellen Le-Mans-Test und die schwierige Suche nach einem Favoriten für das Rennen

Liebe Freunde der Arnage,

Titel-Bild zur News: Brendon Hartley, Mark Webber, Timo Bernhard

Porsche hat den Weg zurück nach Le Mans gefunden: Was geht im Rennen? Zoom

die Spannung in der Le-Mans-Szene steigt unaufhaltsam weiter an. Wie groß die Vorfreude der Fans auf das Rennen in knapp zwei Wochen ist, wurde beim Vortest am gestrigen Sonntag eindrucksvoll deutlich. Bei strahlendem Sonnenschein waren die Tribünen des Circuit de la Sarthe bereits am Morgen gut gefüllt, in der Mittagspause ging im Fahrerlager fast nichts mehr. Mark Webber musste sich im Sprint zwischen Box und Meetingraum bewegen, um nicht zerrissen zu werden. Patrick Dempsey wurde von schmachtenden Blicken weichgekocht. So viel mal zu den Randerscheinungen.

Nun zur sportlichen Seite der in diesem Jahr unfassbar spannenden Szenerie: Im Fokus steht natürlich in diesem Jahr der Dreikampf der Werke in der LMP1-Klasse. Nach der Rückkehr von Porsche in den Fight um den Gesamtsieg an der Sarthe hat Le Mans wieder erheblich an Qualität gewonnen. Können die Stuttgarter ihre eindrucksvolle Bilanz von 16 Le-Mans-Siegen gleich im ersten Jahr des Comebacks ausbauen? Kann Toyota den ersehnten Sieg an der Sarthe feiern? Ist Audi trotz des neuen Konkurrenzumfeldes wieder unschlagbar? Um diese Fragen soll es in dieser Kolumne gehen.

Als ich nach dem WEC-Rennen in Spa-Francorchamps, das wie schon zuvor in Silverstone Toyota gewonnen hatte, in Reihen der LMP1-Werksteams gefragt habe, wer denn nun für das Highlight in Le Mans der Favorit sei, da schob ein Hersteller dem anderen diese Rolle zu. Das hat sich nach dem Vortest auf dem ehrwürdigen 13,6 Kilometer langen Geläuf an der Sarthe grundlegend verändert. Niemand lässt sich mehr auf einen Tipp ein. Alle sagen nur: Es wird ein extrem enges Rennen, Ausgang absolut ungewiss. Ist das wirklich so?

Ja, denn der Vortest hat nur eine Erkenntnis zutage gefördert: Audi, Porsche und Toyota sind absolut gleichauf. Es zeichnet sich also ein echter Kracher ab. Die Zeitenlisten weisen zwar Toyota als Sieger der Kostprobe an der Sarthe aus, aber nicht de Aufstellung der jeweils schnellsten Runden der Fahrzeuge gibt tatsächlich Aufschluss über das Kräfteverhältnis. Und über allem steht noch die Gewissheit, dass keines der drei Werksteams wirklich alles gezeigt hat. Wahrscheinlich haben jedoch alle ähnlich viel in der Hinterhand behalten.

Porsche: Top-Speed als Trumpf im Wettbwerb?

Ich möchte die drei Hersteller nun einmal einzeln betrachten und dabei versuchen, die Chancen für das Rennen am 14./15. Juni einzuschätzen. Ich fange mal mit dem "Neuling" Porsche an. Im Klassement des Vortests taucht der beste Porsche auf Platz fünf auf, Toyota und zwei Audis liegen davor. Der Rückstand von Jani/Lieb/Dumas betrug 1,6 Sekunden im Vergleich der schnellsten Umläufe. Dies bedeutet rein gar nichts, denn nicht das Tempo auf einer Runde ist entscheidend, sondern die Konstanz und die Geschwindigkeit auf den Longruns.

Und in dieser Disziplin muss sich Porsche vor der Konkurrenz grundsätzlich nicht verstecken. Da war beispielsweise Mark Webber am Nachmittag über 13 Runden im Schnitt auf einem Niveau von 3:28 Minuten, sein Kollege Brendon Hartley anschließend sogar noch schneller, bevor ihn rote Flaggen vorzeitig an de Box zwangen. Das Tempo des 919 Hybrid stimmt, der Top-Speed sowieso. Webber krachte mit 339,1 km/h durch den Blitzer vor der ersten Hunaudieres-Schikane - schneller war dort niemand.

"Wir sind gut aufgestellt, aber wir müssen mit unseren Erwartungen im realistischen Bereich bleiben. Audi ist erstaunlich schnell, auch auf den Geraden. Toyota war am Morgen aus dem Stand richtig gut unterwegs", will Porsche-LMP1-Leiter Fritz Enzinger nichts von einer Favoritenrolle wissen. "Es wird ein unglaublich spannendes Rennen, da wirklich alle drei Hersteller auf einem ähnlich hohen Niveau agieren können. Es ist unmöglich vorherzusagen, wer der Favorit für die 24 Stunden von Le Mans ist."


Fotos: Vortest in Le Mans


Porsche hat sich nicht nur in Sachen Performance stark präsentiert, sondern man konnte endlich auch mal acht Stunden lang (zwei Sessions über jeweils vier Stunden) ohne technische Gebrechen hinter sich bringen. Das hatte es zuvor noch nicht gegeben, auch beim letzten privaten Dauerlauf vor Le Mans nicht. Die Mannschaft aus Weissach bekommt nun auch jene Kleinigkeiten in den Griff, die vorher immer wieder zu lästigen Standzeiten in der Box geführt haben.

"Wir haben reichlich Kilometer ohne Probleme abspulen können. Das war richtig gut", zeigt sich Porsche-LMP1-Teamchef Andy Seidl erleichtert. "Der Wettbewerb liegt extrem eng zusammen. Das ist wirklich erstaunlich. Wir haben jede Menge Daten gesammelt, um nun noch an den Details zu feilen. Am Dienstag ist der Bugatti-Circuit für drei Stunden geöffnet. Da fahren wir die Teile für das Le-Mans-Training ein." Porsche hat einen guten Eindruck hinterlassen, aber dennoch nicht den besten.

Im Toyota steckt noch so viel mehr

Mit scheinbar spielender Leichtigkeit konnte Toyota immer wieder auf schnelle Rundenzeiten der Konkurrenz reagieren. Am Morgen war Kazuki Nakajima zu Beginn auf rutschiger Strecke quasi in einer eigenen Welt unterwegs. Der Japaner markierte nicht nur eine gute Zeit für die Galerie, sondern legte gleich mal einen Versuch mit mehreren Umläufen im Bereich von 3:26 Minuten auf die Bahn - erstaunlich. "Wir waren am Testtag von der ersten Runde an richtig stark unterwegs. Das Setup passte aus dem Stand richtig gut, was wieder einmal beweist, wie gut unsere Simulationen sind", erklärt TMG-Geschäftsführer Rob Leupen.

Ich habe das Gefühl, dass Audi auch in diesem Jahr wieder das Rennen macht Zoom

"Im Tagesverlauf hatte ich mir aber etwas mehr erwartet. Es steckt bestimmt noch einiges in unserem Auto", sucht der Niederländer nach negativen Aspekten eines guten Testtages von Toyota an der Sarthe. Sicher ist: Im TS040 schlummert mehr. "Sebastien Buemi war auf seiner schnellsten Runde richtig gut unterwegs, hat aber einen Ferrari leicht berührt, was sicherlich nicht zum Vorteil war. Von uns muss noch mehr kommen, sonst reicht es womöglich nicht. Audi und Porsche fahren offenbar 13 Runden pro Stint. Vielleicht ist das eine Möglichkeit für uns", meint Leupen.

Was der TMG-Geschäftsführer als möglichen Vorteil erahnt: Bei Audi reicht der Diesel für 13,2 Runden pro Stint, also sind 14 Umläufe mit einer Tankfüllung unter normalen Umständen kaum möglich. Interessant ist hierbei der Blick auf Porsche. Die Stuttgarter haben ebenso wie Toyota ausreichend Benzin für 13,9 Runden pro Stint an Bord. Während Porsche den Sprung auf 14 Runden aber kaum zu schaffen scheint, liegt dies bei Toyota offenbar im Bereich des Möglichen. Man hat dies am Sonntag nicht gezeigt, aber Alex Wurz hatte bei seinem Stint nach der Mittagspause über 13 Runden einen unfassbar guten Speed. Da geht etwas. Und selbst wenn es nicht geht, dann ist der TS030 extrem schnell und somit Favorit?

Audi: Wer 1,4 Sekunden mal eben aufholt...

Ich lege mich jetzt einmal fest - einer muss es ja schließlich mal tun: Audi ist für mich der Favorit auf den Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans 2014. Die Ingolstädter werden das bestimmt nicht gern hören, denn nominell sind sie im Nachteil durch ihr kleineres Hybridsystem. Per Reglement sollte der Audi R18 e-tron quattro mit seinem 2MJ-System um 1,4 Sekunden langsamer sein als die Fahrzeuge von Porsche und Toyota, die mit 6MJ-Hybridsystemen fahren. "Auf dem Zeitenmonitor haben unsere beiden schnellsten Autos genau 1,439 Sekunden Rückstand - kommt genau hin", sagt ein Audi-Verantwortlicher schmunzelnd.

Lucas di Grassi, Loic Duval, Tom Kristensen

Audi kennt sich mit den Besonderheiten von Le Mans am besten aus Zoom

Das Schmunzeln kommt in der Gewissheit zustande, dass hinter der Fassade der schnellsten Runden noch viel mehr steckt. Der Top-Speed (333 km/h) des R18 passt, die Rundenzeiten über lange Distanzen noch viel mehr. Am Morgen und am Nachmittag zeigten Loic Duval und Lucas di Grassi eindrucksvoll, wie viel Tempo über einen langen Stint im Auto steckt. Andre Lotterer bestätigte dies im leicht anders abgestimmten Auto mit der Startnummer 2 und Filipe Albuquerque handelte sich mit seinen Rundenzeiten im Auto mit der Nummer 3 ein Extra-Lob ein.

"Es war ein ereignisarmer Test", fasst LMP1-Leiter Chris Reinke zusammen. Die Gelassenheit, mit der der Audi-Verantwortliche seine Eindrücke vom Vortest schildert, lässt nur einen Schluss zu: Audi ist dran - und zwar richtig. Die Ingolstädter haben den R18 auf noch weniger Abtrieb getrimmt. Sie zahlen dafür einen Preis in den kurvigen Passagen, aber der ist weit weniger hoch als erwartet. Im zweiten Abschnitt der Strecke, mit den langen Geradeaus-Stücken der Hunaudieres, ist man dran. Im ersten Sektor hält sich der Nachteil in Grenzen, im dritten Sektor mit den Porsche-Kurven ist man voll dabei.

Audi ist es gelungen, durch weitere Anpassungen am Auto den nominellen Nachteil von 1,4 Sekunden einfach einzudampfen. Die Dauersieger der vergangenen Jahre können im Wettbewerb nahezu auf Augenhöhe agieren und haben zwei Trümpfe in der Hinterhand: die Erfahrung aus den vergangenen Jahren und - im harten Dreikampf an der Sarthe nicht zu unterschätzen - ein drittes Auto, das beim Vortest richtig gut auf Tempo gekommen ist. "Ich war verwundert über unser Tempo und darüber, dass Porsche nicht schneller war", sagte Allan McNish ganz offen. Der Schotte sah dabei wehmütig aus. Ganz so, als dachte er: Schade, dass ich nicht noch einen Versuch habe - die Chancen stehen doch so gut...

Freuen wir uns zusammen auf eines der spannendsten Le-Mans-Rennen aller Zeiten,

Roman Wittemeier

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7. - 9. Juni

Qualifying 1 Sa. 09:15 Uhr
Rennen 1 Sa. 15:15 Uhr
Qualifying 2 So. 09:15 Uhr
Rennen 2 So. 15:15 Uhr

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