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  • 10.06.2008 18:52

  • von Roman Wittemeier

Le Mans: Wie gefährlich ist die Strecke?

Schwere Unfälle bereits beim Vortest in Le Mans: Werden die Autos zu schnell für die Traditionsstrecke an der Sarthe?

(Motorsport-Total.com) - Der schwere Unfall von Marc Gené beim Vortest in Le Mans hat so manchen Piloten zum Nachdenken angeregt. Bei schwierigen Bedingungen und stellenweise noch feuchter Fahrbahn gab es auf der einen Seite unglaublich schnelle Rundenzeiten, auf der anderen Seite musste der Test immer wieder wegen teils heftiger Crashs unterbrochen werden. Die beste Runde am Sonntag in 3:22.222 Minuten von Peugeot war mehr als fünf Sekunden schneller als die Topzeit des Vorjahres. Das Wettrüsten der beiden Favoriten Audi und Peugeot reizt die Fahrzeuge aus und treibt die Strecke an den Rand ihrer Belastbarkeit.

Titel-Bild zur News: Marc Gené

Nässe, schnelle Kurven, keine Auslaufzonen: In Le Mans lauern Gefahren

Die an vielen Stellen lauernde Gefahr auf dem Traditionskurs kann auch stimulierend wirken. "Wenn man mal an die Formel-1-Rennstrecken gewöhnt ist, dann ist das richtig herrlich hier. Es gibt hier Stellen, die sind saugefährlich. Da ist teilweise die Zeit stehen geblieben", sagte Le-Mans-Neuling Christian Klien im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Der Österreicher musste beim Vortest zehn gezeitete Runden am Stück fahren, um sich für das 24-Stunden-Rennen zu qualifizieren. So einfach diese Aufgabe für einen in der Formel 1 engagierten Rennfahrer auch klingen mag: Klien beschrieb es als "extrem schwierig, vor allem bei solchen Bedingungen auf den normalen Straßen."#w1#

LMP1: extremer Abtrieb in schnellen Kurven

"Es ist nicht gerade ungefährlich, wenn man mittlerweile weit unter 3:30 Minuten fährt. Wenn das im Rennen so ein Speed wird - wo man einfach mal von ausgehen muss, weil es wird ja eher noch extremer, denn es ist ja zuerst wenig Grip da. So eine Zeit von 3:26, 3:27, oder 3:28 Minuten könnte im Rennen der Durchschnitt sein und das ist verdammt schnell. Wenn man da mal die Unterschiede zu den GT-Autos sieht, die dann bei 30 Sekunden oder mehr liegen, dann wird es ein heißes Rennen. Das ist nicht ohne", brachte Audi-Pilot Marco Werner die Gefahren auf den Punkt.

"Es gibt hier Stellen, die sind saugefährlich. Da ist teilweise die Zeit stehen geblieben." Christian Klien

Der Le-Mans-Sieger der vergangenen drei Jahre fügte an: "Es sind veränderte Bremspunkte, auch der Speed in der Porschekurve ist wirklich nicht Ohne. Ich bin jetzt einfach ein bisschen ans Überlegen gekommen, weil ich das Auto dort verloren und mit viel Glück gerettet habe. Es hätte daneben gehen können, wie es Marc Gené nur Sekunden später hinter mir passiert ist. Ich habe leider das Resultat später gesehen, denn ich musste noch einmal vorbeifahren, weil ich schon bei Start-Ziel war, als die roten Flaggen herauskamen. Wenn man selber gerade in der Situation war und dann sieht man solch ein zerstörtes Auto und die Ärzte, dann bringt einen das zum Überlegen - und das ist nicht immer gut."

Der Peugeot von Marc Gené war vollkommen zerstört, die französische Mannschaft musste bis zur Fahrzeugabnahme ein neues Chassis herstellen und per Sondergenehmigung nachmelden. Der Spanier war nicht der einzige Pilot, der sein Auto auf der schmierigen Strecke verlor und wegen mangelnder Auslaufzonen heftig in den Leitplanken einschlug. Auch ein GT2-Ferrari und der LMP2-Wagen von Embassy kamen als Totalschaden an die Box zurück. "Wenn ich jetzt aus der Formel 1 hierher komme, dann muss ich sagen, dass die Geschwindigkeiten mit diesem gut 900 Kilo schweren Prototypen schon echt grenzwertig sind, speziell wenn mal irgendetwas schief geht", erklärte Honda-Formel-1-Tester Alexander Wurz, der seinen zweiten Le-Mans-Einsatz nach seinem Sieg mit Porsche 1996 in Angriff nimmt.

"An der Stelle, wo Marc den Unfall hatte, ist kurz vorher innen ein hoher Curb. Da bist du ungefähr 260 km/h schnell und wenn du den berührst, dann ist das nicht gesund - andere Stellen sind genauso. Auf der anderen Seite ist die Strecke nun einmal so und du musst dich darauf einstellen. Es kann nicht alles so Retortenform haben wie die Formel 1 das gerne haben will. Ich bin hier, ich fahre und denke nicht ständig an die Sicherheit", so der Österreicher, der sich genauso wie Landsmann Klien für das Rennen qualifzieren musste.

Müssen die Autos künstlich eingebremst werden?

"Es kann nicht alles so Retortenform haben wie die Formel 1 das gerne haben will." Alexander Wurz

Der Le-Mans-Veranstalter ACO betrachtet die Geschwindigkeitsentwicklung seit Jahren mit Sorge. Seit langer Zeit schon will man die Rundenzeiten wieder auf ein Minimum von dreieinhalb Minuten bringen, um die Möglichkeiten der 13,6 Kilometer langen Strecke mit ihren fünf verschiedenen Asphaltsorten nicht zu überreizen. "Bei den LMP1-Boliden hat man ja schon vor Jahren eingegriffen und die glatten Unterböden abgeschafft, um das Abheben der Autos zu verhindern", stellte 'Motorsport-Total.com'-Experte Klaus Graf klar. Der Schwarzwälder geht in diesem Jahr mit einem Lola-Judd von Cytosport an den Start.

"Mittlerweile sieht man allerdings, dass wenn die Autos quer kommen, sie durch einen Randstein, eine Wiese oder was auch immer angehoben werden können. Darin liegt natürlich ein gewisses Gefahrenpotenzial. Hinzu kommt, dass in gewissen Streckenabschnitten, wie etwa in den Porsche-Kurven, mehr oder weniger keine Auslaufzonen vorhanden sind. Die Geschwindigkeit ist aber gleichzeitig dort ultrahoch", beschrieb Graf, der den Gené-Unfall am vorletzten Sonntag bei Tempo 260 km/h ebenfalls mit Schrecken gesehen hat.

Bei aller Diskussion um die Sicherheit an der Rennstrecke zieht der Le-Mans-Experte ein nachvollziehbares Fazit: "Die Rennstrecke selbst ist nun einmal so wie sie ist. Bei solchen Traditionsveranstaltungen wird oft über das Thema Sicherheit diskutiert, aber unter dem Strich besteht darin ja eine der Herausforderungen. Der ACO hat im Bereich der Indianapolis-Kurve und auch am Eingang der Porsche-Kurven einiges verbessert, aber dem sind natürlich Grenzen gesetzt, weil man ja zum Teil auf öffentlichen Straßen fährt."