• 09.05.2011 19:05

  • von Roman Wittemeier

Kolumne: Was nun, ACO?

Nach dem ILMC-Lauf von Spa-Francorchamps kündigte der Le-Mans-Veranstalter einen genauen Blick auf die Einstufungen an: Was kann der ACO überhaupt tun?

Liebe Freunde des Schlagschraubers,

Titel-Bild zur News: Benoit Treluyer, Marcel Fässler

Diesel gegen Benziner: Die Privatteams haben deutlich das Nachsehen

mit großen Schritten geht es endlich auf den absoluten Höhepunkt des Jahres zu: Le Mans. In weniger als fünf Wochen kennen wir die Sieger der 79. Auflage dieses Klassikers. Wer wird es sein? Audi oder Peugeot? Seit dem vergangenen Wochenende darf man trefflich spekulieren, die Situation ist völlig offen.

An dieser Stelle erst einmal vielen Dank an die Löwen. Nicht falsch verstehen: Ich habe überhaupt nichts gegen Audi-Erfolge, aber der Peugeot-Sieg hat zumindest meine Vorfreude auf Le Mans noch einmal zusätzlich verschärft. Die beiden Dieselflundern sind in etwa gleich schnell, was viel Spannung am zweiten Juni-Wochenende erahnen lässt.

Jetzt muss man aber erst einmal abwarten, was sich der ACO in den kommenden Tagen einfallen lässt. Die Le-Mans-Macher haben in diesem Jahr erstmals die Möglichkeit zu kurzfristigen Veränderungen der Einstufungen im Reglement fixiert - und sie wollen davon um jeden Preis Gebrauch machen.

Die schnelle E-Mail vom ACO

Das ILMC-Rennen von Spa-Francorchamps war am Samstag gerade beendet, die Sieger hatten noch nicht einmal das Podest verlassen, da meldete sich der ACO per E-Mail. In einer Presseerklärung kündigte man in schneidigen Worten an, sich die Leistungsfähigkeit der Autos ganz genau anzuschauen und Anpassungen vorzunehmen.

Crashes: OAK hat beide LMP1-Pescarolos innerhalb weniger Tage verloren Zoom

Der Text dieser ACO-Erklärung war dermaßen umfangreich, sodass sie ganz sicher nicht erst nach der Zieldurchfahrt des 908 von Wurz/Gene/Davidson formuliert wurde. Fest steht: Die Herren in Le Mans hatten diesen Text vorbereitet. Man wartete nur auf die Zieldurchfahrt in Belgien und drückte im Outlook auf "Senden".

Peinlich: Niemand hat hinterfragt, ob es überhaupt einen Anlass für die genaue Betrachtung der Einstufungen gibt. Noch viel peinlicher: Im ACO-Text steht ganz deutlich drin, dass dies eigentlich nicht der Fall ist. Nur wenn der Abstand zwischen den einzelnen Konzepten über den Zeitraum von zwei Rennen bei zwei Prozent oder mehr liegt, dann kann kurzfristig eingegriffen werden.

Grundlage sind Vergleiche zwischen aktuellen Dieselautos und Benzinern, zwischen 2010er-Varianten der beiden Antriebskonzepte, oder aber auch 2011er-Dieseln mit 2010er-Selbstzündern. Jeweils gelten die schnellsten Autos der Kategorie als Referenz. Wer sich nun die Rundenzeiten der beiden Rennen in Sebring und Spa-Francorchamps (nur im ILMC fahren Diesel) zur Hand nimmt, der erkennt ganz schnell, dass alles im Lot ist.

Zwei Prozent Unterschied: Wo?

Man kann es drehen und wenden, wie man will. In Sebring hätten zwischen dem neuen Peugeot 908 und dem aktuellen HPD von Highcroft gut zwei Sekunden Distanz sein dürfen. Der Abstand war aber geringer. Auch die Distanz zwischen den 2010er-Autos von Oreca (Diesel) und Cytosport (Benziner) lag bei unter zwei Prozent. Hinzu kommt: In Spa war ohnehin kein echter Vergleich möglich.

Beim 1.000-Kilometer-Rennen in den Ardennen war kein einziger neuer Benziner am Start, weil Aston Martin lieber in aller Abgeschiedenheit die Wunden am AMR-One lecken wollte. Also fehlte der Vergleichswert zu den Rundenzeiten von Audi und Peugeot. Bei den Vorjahresautos war Oreca nur um rund eineinhalb Sekunden schneller als Rebellion-Toyota - es hätten aber bis zu 2,5 Sekunden sein dürfen.

Mike Rockenfeller, Romain Dumas, Timo Bernhard

Audi fuhr beim Vortest in Le Mans Rundenzeiten deutlich unter 3:30 Minuten Zoom

Bleiben also die großen Fragen: Was will der ACO überhaupt tun? Warum schickte man nach dem Spa-Rennen diese Ankündigung heraus, ohne sich vorher überhaupt Gedanken darüber zu machen, ob die Grundlagen für Eingriffe erfüllt sind? Es gibt zwei Erklärungsansätze: Erstens Druck von außen, zweitens Angst vor zu schnellen Prototypen.

Die Klagen der Privatteams sind zum Jahresbeginn 2011 nicht leiser geworden. Henri Pescarolo ist auch nach seinem Comeback einer der Wortführer, wenn es darum geht, den kleinen Teams wieder Chancen im Kampf um Gesamtsiege zu ermöglichen. In diesem Jahr wird die Le-Mans-Legende von einigen Seiten Unterstützung erfahren, nur bellen Toyota, Honda und Co. nicht so laut gegen die eventuell zu bissigen Löwen.

"Beim ACO gibt es niemanden, der von moderner Dieseltechnik eine Ahnung hat", sagt Pescarolo nicht zu unrecht. Zwar holte sich der französische Veranstalter mit Porsche-Legende Norbert Singer viel Erfahrung und Kenntnis als Berater ins Haus, aber auch der Deutsche dürfte kaum auf die Dieselbremse treten.

Überwiegt die Angst vor Unfällen?

Singer, der an allen 16 Porsche-Siegen an der Sarthe direkt beteiligt war, weiß ganz genau, dass die großen Werke Audi und Peugeot mit ihren vollen Geldtöpfen und technischen Möglichkeiten zwangsläufig vorne sein müssen. Alles andere wäre ein Witz. Diesen natürlichen Vorteil soll man dann über Mehrgewicht, kleinere Restriktoren oder Tanks künstlich beschneiden?

Nun zu der wahrscheinlicheren Variante, wenn es um das Vorhaben des ACO zur Anpassung der Einstufungen geht: Schon beim Vortest in Le Mans am Ostersonntag wurde deutlich, dass die vom ACO gewünschte 3:30er-Marke bei den Rundenzeiten auch 2011 deutlich unterschritten wird. In Herstellerkreisen lacht man ohnehin über diese Marke und nennt sie einen "frommen Wunsch".

Lucas Luhr

Ein Beispiel: Lucas Luhr flog 2009 in den Porsche-Kurven von Le Mans brutal ab Zoom

Wenn die Werkspiloten im Qualifying im Juni mal ordentlich auf die Tube drücken dürfen, dann sind sicherlich Rundenzeiten unterhalb der 3:25 Minuten möglich. Das ist aus Sicht vieler Beobachter viel zu schnell. Auf den langen Geraden werden immer noch Geschwindigkeiten von über 330 km/h erreicht, das Tempo in den Porsche-Kurven ist atemberaubend.

"Als Fahrer ist man immer liebend gern im Grenzbereich unterwegs, aber man ist auch gern noch am Ende des Rennens noch in einem Stück. Wenn man die Entwicklung nicht bremst, dann stößt man irgendwann in verrückte Bereiche vor", mahnt der erfahrene Allan McNish. "Man muss sich mal eines vor Augen halten: Die Rundenzeiten in Le Mans 2010 waren auf dem gleichen Niveau wie früher mit 1.000-PS-Autos ohne Schikanen."

Und genau dies ist der Punkt. Wenn selbst ein erfahrenes Vollgastier wie McNish (Zitat: "Wir Piloten wollen immer mehr: mehr Topspeed, höhere Kurvengeschwindigkeiten, bessere Bremsen"), dann wird der ACO sehr hellhörig. Der Schotte ist nicht der einzige seiner Zunft, der vor einem fatalen Abflug in Le Mans Angst hat. Es gab in der Vergangenheit zu viele Warnungen.

Der ACO will die Autos einbremsen

Der Unfall von Marc Gene beim Vortest 2008 rüttelte die Szene wach, später folgte ein furchtbarer Crash von Stephane Ortelli in Monza. Als Konsequenz führte der ACO die umstrittene Heckfinne zu diesem Jahr ein. Sie soll bei einem Drift möglichst viel Tempo herausnehmen, das Auto nach Möglichkeit stabilisieren. Aber das System funktioniert nicht wie gewünscht.

Trotz der politischen Züge: Seit fast 40 Jahren ist Le Mans mein Highlight im Jahr Zoom

Die Unfälle von Gene und Nicolas Minassian im Rahmen der Testfahrten mit dem neuen 908 waren weitere Alarmsignale, nun kamen der Le-Mans-Vortest und das Spa-Wochenende hinzu. An der Sarthe legte sich OAK-Pilot Richard Hein kräftig ab, im Spa-Qualifying folgte sein Teamkollege Matthieu Lahaye. Im Rennen lag plötzlich Christophe Bouchut mit seinem Level-5-Lola (mit Heckfinne!) unter den Reifenstapeln in Eau Rouge.

Dies alles waren womöglich Warnschüsse mit der Botschaft: Wenn ihr nicht aufpasst, dann könnte es bald ganz böse enden. So wird der ACO die Zwischenfälle interpretieren, so kam es zur Ankündigung von neuen Einstufungen. Was die Franzosen in ihrem Pressetext vergessen haben: Eingriffe können nicht nur aus Leistungsgründen, sondern jederzeit auch aus Sicherheitsgründen vorgenommen werden.

"Diese Anpassungen werden im Hinblick auf die 24 Stunden von Le Mans so schnell wie möglich vorgenommen", kündigt der ACO an. Bei Audi und Peugeot wird man sich jetzt schon fragen: Wohin mit dem zusätzlichen Ballast, den uns die Regelhüter aufbrummen? Die Hersteller werden eine Lösung für ihre Autos finden. Es wird zwar schwerer, aber sicherlich kaum langsamer...

Ich wünsche viel Gas im Fuß,

Roman Wittemeier

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