Kolumne: Hat die LMP1 eine Zukunft?

Die LMP1-Klasse steckt nach dem Audi-Ausstieg in der Krise - Wie die Spitzenkategorie der WEC von mehreren Seiten in die Zange genommen wird

Titel-Bild zur News: Lucas di Grassi, Loic Duval, Oliver Jarvis

Die Probleme der LMP1 sind nach dem Audi-Ausstieg offenkundig Zoom

Liebe Freunde vierstelligen PS-Zahlen,

es bringt nichts, die Situation zu beschönigen: Die LMP1-Klasse steckt in der Krise. Vorhersehbar und doch urplötzlich. Es ist erst eineinhalb Jahre her, da gab es vier LMP1-Hersteller mit der Aussicht auf einen fünften. Jetzt stehen wir bald plötzlich bei nur noch fünf einzelnen LMP1-Fahrzeugen. Bei den 24 Stunden von Le Mans 2017 werden nur noch zehn Prozent des Feldes aus LMP1-Boliden bestehen. Eine Entwicklung, vor der angesichts enormer Kosten immer wieder gewarnt wurde. Trotzdem werden noch immer bis zu 200 Millionen Euro pro Saison ausgegeben.

Hat die Klasse überhaupt eine Zukunft? Wenn wir einen Blick auf das Problem der LMP1 werfen, dann kann einem schon bange werden. Sie ist fast so teuer wie die Formel 1, aber nicht so populär. Sie steht für fortschrittliche Antriebe, aber nicht so fortschrittlich wie die Formel E - zumindest, solange in diesem ganzen Elektrohype nicht rational argumentiert wird. Und das DPi-Reglement jenseits des Atlantiks lockt Hersteller zu einem Discountpreis auf einen relevanten Automobilmarkt. Eine Einkreisung von drei Seiten.

Vorweg: Die Beweggründe für den Audi-Ausstieg aus der Langstrecken-Weltmeisterschaft sind absolut nachvollziehbar und logisch. Das muss man sich sogar als Fan der 1.000-PS-LMP1 eingestehen. In Zeiten des Dieselskandals mit einem Diesel anzutreten ergibt keinen Sinn. Dass aber gleichzeitig ein Einstieg Audis in die Formel E erfolgt, dürfte den ACO schmerzen. Denn nach Jaguar ist das der zweite Hersteller, der die WEC zugunsten der Formel E ablehnt.

Formel E wildert im LMP1-Territorium

Ob das bei den jetzigen Stromgewinnungsmethoden ökologisch und bei jetzt schon sehr hohen Strompreisen ökonomisch Sinn macht, sei einmal dahingestellt. Aber Formel E mit Elektromotoren gilt mittlerweile für Hersteller als deutlich sexier als WEC mit Hybridantrieb und ist obendrein noch wesentlich günstiger. Hybrid war gestern, Elektro ist morgen. Bis wir dann irgendwann aufwachen und feststellen, dass wir das Emissionsproblem nur in eine andere Ecke geschoben haben und für die Kilowattstunde Strom 50 Cent zahlen, wenn jeder sein Auto mit Strom tankt.

Hersteller steigen aus zwei Gründen in den Motorsport ein: Entweder wollen sie ein Produkt vermarkten oder sie wollen zukunftsträchtige Technologien einem Härtetest unterziehen. Die WEC hat mit der LMP1 voll auf Zweiteres gebaut. Doch dieser Status ist in Gefahr: Wenn die Politik 2030 Verbrennungsmotoren abschaffen will, sind LMP1, die den Großteil ihrer Kraft noch immer über einen Verbrenner entfalten, für Hersteller (oder deren Marketingabteilungen) plötzlich nicht mehr interessant. Wie gesagt, rational ist das nicht. Trotzdem wird es für die WEC schwer, etwas gegen die Dynamik der Formel E zu unternehmen.


Fotostrecke: 1999-2016: Audi bei den 24h Le Mans

Und auch für Produktwerbung ist die LMP1 ungeeignet: Die Autos von der Stange lassen sich viel besser über ein Engagement in der GTE-Pro vermarkten, weil die Prototypen nichts im Aussehen mit der Serie zu tun haben. Nur: Die GTE-Pro ist bestenfalls ein (wenn auch spannender) Nebenkriegsschauplatz in der WEC. Hand aufs Herz: Wer weiß noch die GTE-Pro-Sieger aus Le Mans 2015? Da kann Herr Neveu noch so schön betonen, dass es mit BMW bald fünf Marken in der WEC dort gibt.

Und wenn ein Hersteller aus welchem Grund auch immer auf Prototypen besteht: Das IMSA-DPi-Reglement lässt es zu, Prototypen optisch an Serienfahrzeuge anzugleichen. Und ist obendrein ebenfalls viel günstiger als die LMP1-Kategorie, erreicht aber trotzdem den größten Automobilmarkt in einem Land mit echter Motorsporttradition. Dass der ACO den IMSA-Prototypen eine Le-Mans-Teilnahme verweigert hat, kommt nicht von ungefähr.

Bringt die Kosten runter!

Gibt es also irgendwo einen Rettungsanker für die LMP1? Nun, es gibt die Brennstoffzelle am Horizont, die im Gegensatz zum jetzigen Elektro-Wahnsinn wenigstens wirklich einen Schritt in die richtige Richtung zu emissionsfreiem Autofahren bedeuten kann. Das Problem: Sie kommt erst in den 2020ern, das LMP1-Problem besteht aber schon anno 2017.

Bleibt also nur, Peugeot mit allen Mitteln zum Einstieg zu bewegen, um wenigstens den Status Quo zu erhalten. Der mag zwar mit sechs Autos auch nicht das Gelbe von Ei sein, ist aber immer noch besser als ein Dauerduell Porsche vs. Toyota. Dafür müsste die Kategorie aber viel, viel günstiger werden. Würde man dahin kommen, dass Werke mit 30-50 Millionen Euro Jahresbudget gewinnen können (statt wie bisher mit 100-200), wäre die Hütte schnell wieder voll - nicht nur mit Peugeot. Denn einen gewissen Ruf hat sich die LMP1 durchaus erarbeitet.

Peugeot 908 HDI

Peugeot ist die letzte kurzfristige Hoffnung für die LMP1 Zoom

Die schon viel zu oft verwendete Phrase "Die Krise als Chance" kann in der LMP1 durchaus greifen. Mit einem Hersteller weniger am Tisch sollte sich eine Kostenreduktion schneller durchsetzen lassen als mit deren dreien. Toyota ist ja ohnehin dafür. Der Spielball liegt damit jetzt bei Porsche, dem einzig verbliebenen Krösus der LMP1. Und da die VW-Krise früher oder später auch in Weissach ankommen dürfte, ist das gar nicht mal aussichtslos. Zur Not: Max Mosleys Budgetgrenze liegt auch noch in der Schublade...

Nachschlag: Warum Private die LMP1 nicht retten können

Wenn schon die Werke aussteigen, müssten Privatteams den Verlust kompensieren. Doch hier ist eine Rettung nicht zu erwarten: Mit dem äußerst erfolgreichen LMP2-Reglement von 2011 hat der ACO der LMP1-Klasse das Wasser in der eigenen Rennserie abgegraben. Die große Chance hätte noch darin bestanden, die LMP2 mit leistungsstärkeren Motoren, aber weiterhin einer Kostengrenze auf das Niveau zu bringen, auf das man seit Jahren die private LMP1 hieven will - ganz knapp hinter die Hersteller, mit Aussicht auf Abstauben. Und diese Kategorie dann in eine Pro- und eine Pro-Am zu unterteilen.

Stattdessen aber hat der ACO die LMP2-Kategorie kurzerhand zu einer Spec-Klasse erklärt. Die Hoffnung, mittels der Begrenzung auf vier Chassis- und einen Motorenhersteller zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, kann sich nun als Bumerang erweisen. Einerseits sollten ihre französischen Kollegen von Onroak und Oreca mit der Begrenzung beglückt werden, andererseits Teams wie SMP und Strakka in die private LMP1 gezwungen werden. Stattdessen aber wird man diese Teams nun womöglich gänzlich an andere Rennserien verlieren. Zwang funktioniert in den wenigsten Fällen, vor allem, wenn die Alternative so unattraktiv ist wie die private LMP1.

Simon Trummer, Oliver Webb, James Rossiter

ByKolles macht 2017 voraussichtlich den privaten LMP1-Alleinunterhalter Zoom

Diese LMP2 sind nämlich künftig so schnell wie es die privaten LMP1 heute sind. Statt mehr privater LMP1 hat man nächstes Jahr noch weniger, seit feststeht, dass Rebellion in die LMP2 wechseln wird. Bleiben nur noch Enthusiasten wie ByKolles, die einfach ihr eigenes Auto bauen wollen. Das verdient Respekt, doch als einzigem Antrieb reicht das nicht aus. Die hybridlosen LMP1 auf das Niveau der 1.000-PS-Hybride zu heben ohne die Hersteller auf der Geraden dumm aussehen zu lassen, ist technisch einfach nicht möglich. Sonst wäre man mit besseren Lösungen als einem breiteren Heckflügel (ab 2017) und einem DRS (ab 2018) gekommen.

Und so wird die private LMP1-Kategorie so zwischen LMP1-H und LMP2 zerquetscht, wie es der LMP1-Kategorie im großen Maßstab zwischen Formel 1, Formel E und IMSA beziehungsweise GTE droht.

Gerald Dirnbeck

PS: Was haltet ihr von der Entwicklung der LMP1? Wie glaubt ihr, kann die WEC das Problem ihrer Königsklasse lösen? Oder ist sie zum Schicksal von V8STAR, GT1-WM oder der alten DTM verdammt? Schreibt mir auf meiner offiziellen Facebook-Seite.

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