• 13.04.2006 15:34

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Wie an alle Bauteile eines Formel-1-Boliden werden auch an die Gurte hohe Anforderungen gestellt, die im Falle eines Unfalls Leben retten können

(Motorsport-Total.com) - Das Cockpit eines Formel-1-Autos ist ein sicherer Arbeitsplatz. Für den Schutz des Fahrers sorgen nicht nur das Monocoque aus Kohlefaser und die individuell zugeschnittene Sitzschale, sondern vor allem auch die Sicherheitsgurte. Neben Helm und Overall sind sie es, die dem Fahrer ein Gefühl von Vertrauen und Sicherheit vermitteln und ihn im Ernstfall unmittelbar vor schweren Verletzungen bewahren.

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Angesichts des atemberaubenden Entwicklungstempos in der Formel 1 ist es nur schwer nachzuvollziehen, dass es 22 Jahre gedauert hat, bis sich im Grand-Prix-Sport die Erkenntnis durchsetzte, dass Sicherheitsgurte Leben retten können. Nachdem Helme und Overalls von der Fédération Internationale de l'Automobile (FIA) bereits Anfang der 60er Jahre vorgeschrieben wurden, gehören Gurte erst seit 1972 zur Pflichtausstattung eines Formel-1-Autos.#w1#

Mit den Sechs-Punkt-Gurten sind die Formel-1-Piloten wie in einem Kampfjet in den Cockpits festgezurrt. Zwei Schultergurte, zwei Beckengurte und zwei Beingurte lassen ihnen gerade noch so viel Bewegungsfreiheit, dass sie lenken und die verschiedenen Schalter und Knöpfe in ihrem Blickfeld erreichen können. Sicherheit ist nicht nur in diesem Fall wichtiger als Komfort.

Auch im Alltagsverkehr ist der Sicherheitsgurt trotz Airbag immer noch Lebensretter Nummer 1. "Der Gurt ist die Voraussetzung dafür, dass der Airbag wirkungsvoll schützen kann. Ohne Gurt wären Airbags bei weitem nicht so effektiv", sagt Dr. Hartmuth Wolff vom 'Allianz Zentrum für Technik'.

Doch im Gegensatz zu Formel-1-Piloten ist der Fahrer in einem Serienfahrzeug viel komfortabler angeschnallt. Er braucht auch eine gewisse Bewegungsfreiheit, etwa um sich umdrehen oder das Radio bedienen zu können. Der AZT-Experte: "Um so wichtiger ist es, mit Hilfe der verschiedenen Einstellstufen die richtige Sitzposition zu wählen und für einen guten Gurtverlauf am Körper zu sorgen. Außerdem sollte der Beckengurt immer durch ein Ziehen am Schultergurt festgezogen werden, sonst ist die Schutzwirkung beeinträchtigt."

In einem Formel-1-Auto sind die Fahrer in ihrer Sitzschale so eingezwängt, dass sie beim Anlegen der Gurte die Hilfe eines Mechanikers benötigen. Im Ernstfall sind sie aber durchaus in der Lage, das Auto innerhalb der im Reglement vorgeschriebenen fünf Sekunden aus der normalen angeschnallten Position zu verlassen, denn alle Einzelgurte lassen sich mit einem Handgriff lösen.

Die Aufgabe der Gurte ist klar: Bei einem Unfall sollen sie, in Verbindung mit dem ebenfalls vorgeschriebenen Head-And-Neck-Support (HANS), den Fahrer davor schützen, auf dem Lenkrad aufzuschlagen, außerdem bauen sie einen Teil der Aufprallenergie ab.

"Einerseits müssen die Gurte so fest sein, dass sie den Fahrer vor einem Aufschlag schützen", sagt Frank Dernie von Williams. "Sie müssen andererseits aber auch so weit nachgeben, dass im Extremfall nicht der Fahrer durch die Gurte selbst verletzt wird."

Die Hersteller der Sicherheitsgurte und die Teams lösen dieses Dilemma mit Hilfe umfangreicher Versuche, mit denen die Festigkeit und die Dehnung des Materials getestet werden. Die Gurte bestehen zumeist aus der Textilfaser Polyester, in die teilweise noch spezielle Monofasern in Querrichtung eingewebt werden. Diese wirken wie kleine Blattfedern und halten das Gurtband flach. Dadurch wird eine bessere Lastverteilung über die gesamte Gurtbandbreite erreicht. Die Beschläge und Zungen sind zumeist aus Titan. Nach einem Unfall muss der Fahrer, falls es die Rettungskräfte für notwendig halten, mitsamt der Sitzschale aus dem Auto geborgen werden können.

Nach der FIA-Norm 8853/98 muss jeder Befestigungspunkt der Gurte einer Belastung von 14,7 Kilonewton, umgerechnet etwa 1.470 Kilogramm standhalten. Die Gurtbreiten müssen zwischen 44 und 76 Millimeter (Schulter und Beine) bzw. zwischen 50 und 76 Millimeter (Becken) liegen, je nachdem, was für den Fahrer am bequemsten ist. Wobei das mit dem Komfort, zumindest wenn man Martin Brundle glaubt, eher relativ ist. "Wenn die Gurte nicht schmerzen", hat der ehemalige Formel-1-Fahrer einmal gesagt, "dann sind sie nicht fest genug angezogen."