• 22.05.2011 11:37

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Zwischengas: Teams entkräften Kostenargument

Das Kostenargument der FIA lassen die Teams bei einem Preis von weniger als einer Million Euro nicht gelten - Williams wollte in erster Linie eine Klarstellung

(Motorsport-Total.com) - Einer der Gründe, weshalb die FIA nach Montreal das in dieser Woche heiß diskutierte Zwischengas-Verbot einführen möchte, sollen angeblich die Kosten sein. Doch die Teams, die schon jetzt ein Zwischengas-Motorenmapping verwenden (alle außer die Cosworth-Kunden), um ihre Unterböden gleichmäßig mit Auspuffgasen anzuströmen und den aerodynamischen Wirkungsgrad zu verbessern, wehren sich dagegen, dieses Argument gelten zu lassen.

Titel-Bild zur News: Mercedes-Diffusor

Mercedes ist eines der Teams mit einem abgasangeströmten Diffusor

"Sobald du die Technologie verstanden hast, ist es nicht sonderlich teuer", findet Mercedes-Teamchef Ross Brawn. "Du brauchst die richtigen Hitzeschutz-Materialien, aber die sind nicht wahnsinnig teuer. Die Technologie ist ja nicht groß anders als das, was wir im Vorjahr oder vor zwei Jahren gemacht haben - es ist nichts Extravagantes." Marussia-Virgin hat für das angeknüpfte Prüfstandsprogramm zum Beispiel nur 750.000 Britische Pfund (umgerechnet 860.000 Euro) ausgegeben.

Sauber-Kosten unter einer Million Euro

Sauber hat für das neue Auspuffsystem sogar noch weniger Geld investiert: "Wir haben eine bestimmte Summe für die Upgrades hier budgetiert", so Technikchef James Key in Barcelona. "Die Kosten für den Auspuff sind darin inbegriffen, sind ein Teil des gesamten Pakets. Wir sind damit nicht einmal in der Nähe einer Million." Das steht im krassen Gegensatz zur Meinung des FIA-Delegierten Charlie Whiting, der das Zwischengas-Verbot auch aus Kostengründen durchsetzen will.

Brawn findet es "naiv", mit dem Zwischengas-Verbot gegen abgasangeströmte Unterböden vorzugehen, denn "angeströmte Diffusoren gibt es schon seit 20 Jahren. Es liegt in der Natur der Formel 1, diese Dinge maximal auszuschöpfen", sagt er. "Ich glaube nicht, dass wir diesen Geist wieder zurück in die Flasche drängen können. Zu denken, dass eine Regel die Leute davon abhalten wird, Technologien zu verwenden, die sie entdeckt oder weiterentwickelt haben, ist naiv."

¿pbvin|512|3687||0|1pb¿"Jemand hat mir gesagt, wir sollten die Auspuffrohre irgendwo hinlegen, wo sie keinen Unterschied machen. Den Punkt muss man mir erstmal zeigen, denn sie machen überall einen Unterschied", argumentiert der im technischen Bereich als sehr versiert geltende Teamchef. "Außerdem ist das doch genau der Punkt des RRA, dass du das Geld ausgeben kannst, wofür du willst, ob das nun ein Auspuffsystem ist oder Zeit im Windkanal oder was auch immer."

"Die Teams müssen sich zusammensetzen und mit der FIA diskutieren, wie wir diese Entwicklung einschränken können", wirft Ferrari-Technikdirektor Aldo Costa ein, "denn ich stimme der FIA zu, dass diese Entwicklung zu sehr ungewöhnlichen Richtungen der Motorennutzung führen könnte." Auch Brawn sieht ein: "Ich glaube, wir müssen vernünftig sein, die Sorgen der Teams anhören, die das Thema ins Rollen gebracht haben, und schauen, ob wir Lösungen finden können."

Cosworth hat kein Zwischengas-Mapping

Damit meint er alle drei Cosworth-Teams, aber vor allem Williams. Denn Whiting hat bereits zugegeben, dass die plötzliche Zwischengas-Initiative der FIA drei Tage vor Trainingsbeginn in Barcelona vor allem auf einen technischen Dialog mit einem Rennstall zurückgeht. Erst wurde angenommen, dass damit Marussia-Virgin gemeint war, doch inzwischen hat sich herausgestellt, dass Williams die Sache ins Rollen gebracht hat.

Sam Michael betont aber, dass er das nicht vorsätzlich getan hat, sondern lediglich eine Klarstellung von der FIA wollte: "Wenn du viel Geld investierst, um eine Technologie einen Schritt weiterzuentwickeln, dann ist es doch ganz normal, dass du dich bei der FIA erkundigst, ob das erlaubt ist", betont der Williams-Technikchef und fügt an: "Ich kann mir aber ohnehin nicht vorstellen, dass wir das einzige involvierte Team sind..."


Fotos: Großer Preis von Spanien


"Ich stehe ständig in Kontakt mit Charlie", spielt Michael seinen Zwischengas-Dialog mit FIA-Mann Whiting herunter. "Selten vergehen mehr als zwei Wochen, in denen ich keinen Kontakt zu ihm habe. Manchmal rufe ich ihn dreimal pro Woche an, um über die Designs zu sprechen, die Williams entwickeln könnte. Dass ein solcher Kontakt jetzt dazu geführt hat, ist einfach Zufall. Das hätte allen Teams passieren können."

Der Australier kann sich gut vorstellen, dass die Zwischengas-Mappings tatsächlich verboten werden, denn "wir finden, dass es ein Argument gibt, sie als illegal einzustufen. Das deckt sich offensichtlich mit der Meinung der FIA", gibt er zu Protokoll. "Auch wenn die Änderung jetzt um drei Rennen verschoben wurde, geht aus Charlies technischen Direktiven und aus seiner Kommunikation klar hervor, dass er sie nicht für legal hält."

Erst Doppeldiffusor, jetzt Zwischengas?

"Es sollte die Weltmeisterschaft nicht überschatten, aber man sollte die Frage klären, ob es illegal ist oder nicht. Wenn es illegal ist, müssen alle aufhören, so zu verfahren", antwortet er auf die Frage, ob die Formel 1 zwei Jahre nach dem Doppeldiffusor schon wieder eine technische Diskussion verträgt. "Wenn ich egoistisch bin, dann würde ich mir wünschen, dass es verboten wird, damit wir unser Geld für andere Dinge ausgeben können, aber wenn nicht, dann werden wir es auch entwickeln."

Ross Brawn und Stefano Domenicali

Ross Brawn im Gespräch mit seinem Ex-Kollegen Stefano Domenicali Zoom

"Ob es weiterhin erlaubt ist oder nicht, ist mir egal, solange es einen Nachdenkprozess gibt, wo das alles hinführen wird", unterstreicht Michael und erklärt: "Denn unsere größte Sorge ist, wo wir in sechs Monaten stehen. Wir haben der FIA auch dargelegt, was wir glauben, dass in sechs Monaten oder einem Jahr passieren wird. Das ist angsteinflößend - nicht nur hinsichtlich der Kosten, sondern auch hinsichtlich der möglichen Optik der Autos."

Selbst wenn Zwischengas-Mappings verboten werden sollten, glaubt man bei Sauber nicht, dass das das Ende der abgasangeströmten Unterböden wäre: "Es bringt immer noch so viel, dass es die Sache wert ist", sagt Technikchef Key. Denn solange der Unterboden bei starker Gaspedalstellung mit Abgasen angeströmt wird, generiert er mehr Anpressdruck. Das einzige Problem wäre (wie früher), dass dieser Anpressdruck bei schwacher Gaspedalstellung abreißen würde.

Sauber ist von der ganzen Diskussion aber "weniger betroffen als andere", hält Key fest. Indes fürchten einige, dass eines der drei Cosworth-Teams nach dem heutigen Rennen gegen den Rest des Feldes Protest einlegen könnte. Dann müssten die FIA-Kommissare entscheiden. Frage an Virgin-Teamchef Booth: Werdet ihr darüber nachdenken, wenn ihr Zwölfter werdet und Punkte erben könntet? "Dann wäre es schon verlockend", gibt er zu.