Whitmarsh: "Wir können jederzeit gewinnen"

Martin Whitmarsh über die technische Entwicklung bei McLaren - WM-Entscheidung durch Zuverlässigkeit und hohem Entwicklungstempo

(Motorsport-Total.com) - Die vergangenen Grand Prix sind auf ein Duell zwischen Red Bull und McLaren hinausgelaufen. Dabei handelt es sich auf der einen Seite um die Abläufe auf der Strecke, auf der anderen um das Entwicklungsrennen in den Fabriken. Red Bull hat den F-Schacht von McLaren nachgerüstet, die Chrompfeile haben zuletzt in Silverstone mit einem durch den Auspuff angeströmten Diffusor gearbeitet.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh

Martin Whitmarsh sieht McLaren-Mercedes derzeit sehr gut aufgestellt

Auch in Hockenheim wird McLaren wieder das neue Heck ausprobieren. Jenson Button und Lewis Hamilton werden am Freitag ausgiebig die Änderungen testen "So einen Diffusor nimmt man nicht einfach herunter, es ist sogar schwierig, ihn zwischen zwei Trainingseinheiten auszutauschen", sagt Teamchef Martin Whitmarsh. "In Silverstone haben wir viele Daten gesammelt und beide Fahrer gleichberechtigt behandelt." Hamilton wollte nämlich den neuen Diffusor auch im Rennen verwenden.#w1#

Aufgrund des Testverbots müssen diese Teile im Rahmen eines Rennwochenendes erledigt werden. Whitmarsh beschreibt die Problematik folgendermaßen: "Wir sind hin- und hergerissen zwischen den Prioritäten der Autoentwicklung und längerfristigen Projekten, gegenüber der begrenzten Zeit für die Fahrer, um sich auf die spezifische Veranstaltung einzustellen. Früher ist man Testen gegangen und hat einfach zwei Autos mit neuen Komponenten den ganzen Tag fahren lassen."

Vor zwei Jahren gastierte die Formel 1 das letzte Mal in Hockenheim. Da sich McLaren am Freitag nicht nur mit der Abstimmung beschäftigen muss, ist Red Bull der klare Favorit? "Ich denke, dass Red Bull RB6 das Auto mit der besten Traktion in mittleren und schnellen Kurven ist", meint der McLaren-Teamchef. "Ich denke wir verstehen langsam die Gründe dafür. Natürlich wollen wir sie in diesem Bereich überholen. Sie werden in Hockenheim aber ohne Zweifel sehr stark sein."

¿pbvin|512|2905||0|1pb¿Speziell im Qualifying ist Red Bull in dieser Saison das stärkste Fahrzeug. Im Rennen kann McLaren diese Lücke aber wieder schließen. Bemerkenswert war die Leistung von Button in Silverstone. Der Weltmeister klagte nach der Qualifikation über die schlechte Abstimmung seines Boliden und Startplatz 14. Im Rennen fuhr der Brite dann auf Rang vier und war zufrieden. Und das obwohl durch die Parc-Fermé-Regel nur geringe Änderungen, wie der Luftdruck in den Reifen und der verstellbare Frontflügel, erlaubt sind. Wie ist so ein Leistungsgewinn erklärbar?

"Ich denke unser Auto ist unter Rennbedingungen sehr schnell und war oft das schnellste Fahrzeug im Feld, den Red Bull mit eingeschlossen", findet Whitmarsh. "Mit vollen Tanks sind wir sehr konkurrenzfähig. Unsere Fahrer können sich speziell zu Rennbeginn gut in Szene setzen. Das hat mit der Balance zu tun. Wir haben viel Energie investiert, um ein schnelles Auto im Rennen zu haben. Ich bin mir sicher, dass sich Red Bull das genau ansieht. Unsere Qualifikationsleistung war bisher nicht so gut, aber wir arbeiten daran."

Nach dem starken Einstand von Button bei den Chrompfeilen, hat Hamilton bei den vergangenen Rennen wieder die Oberhand gewonnen. "Jenson hat gezeigt, dass er ein großartiger Fahrer ist, der ein Rennen lesen kann, aber auch von einem schlechten Startplatz nach vorne kommen kann. Er zeigt viel Entschlossenheit", streut Whitmarsh seinem Piloten Rosen. "Ich bin sicher, dass er Lewis noch nicht den Weg zum Titel geebnet hat. Er möchte den Schwung wieder auf seine Seite holen."

Jenson Button

Jenson Button zeigte in Silverstone eine beeindruckende Aufholjagd Zoom

Hauptkonkurrent Red Bull war die ganze Saison über sehr schnell, doch durch Defekte und Stallkollisionen verlor das österreichische Team viele Punkte. Auch deshalb liegt McLaren in den WM-Wertungen voran. "Ich denke unser Auto kann gewinnen und ich kann nicht sagen, dass wir im Entwicklungsrennen hinten liegen", so Whitmarsh. "Man muss schnell und zuverlässig sein, um zu gewinnen. Wir haben beides und sind in einer vernünftigen Situation. Wir wissen, was wir noch entwickeln müssen, um den Titel zu holen."

Mit dem F-Schacht und dem angeströmten Diffusor hat es den Anschein, als würden sich die Autos in dieser Saison noch stärker verändern, als in den Jahren zuvor. Whitmarsh sieht das aber nicht so: "Jeder wusste eigentlich, was uns in dieser Saison erwarten wird. Zum Beispiel noch extremere Doppeldiffusoren, die 2011 verboten sind. 2009 sind wir davon komplett überrascht worden, und die meisten Teams mussten nachrüsten."

"In diesem Jahr haben die Teams den Schritt zurück zu dem angeströmten Diffusor vielleicht nicht erwartet. Es gab sie in der Formel 1 schon häufiger und es ist schwierig das Konzept umzusetzen. Ich denke man gewinnt dadurch klar an Leistung. Und da ist natürlich der F-Schacht, der für viele eine Überraschung war. Ich denke beide Erfindungen sind nicht teuer umzusetzen. Bei den heutigen Standards in der Formel 1 liegt es innerhalb der Möglichkeiten der Teams, diese Dinge zu entwickeln."

In Hockenheim könnten die Reifen wieder der entscheidende Faktor werden. Zum ersten Mal lässt Bridgestone eine Mischung zwischen den beiden Spezifikationen aus. "Wenn man sich auf den superweichen Reifen qualifiziert und hinter einem starten einige Konkurrenten mit der harten Mischung, wird es Auswirkungen auf deine Strategie haben. Es wird sicher ein anderes Rennen werden", ist der 52-jährige überzeugt.

Richtige Balance der Risiken beim Start

Wenn die Ampel zum Deutschland-Grand-Prix ausgeht, sind alle Augen auf die besten Piloten der Welt gerichtet. In Valencia und in Silverstone gab es dabei gleich eine Berührung in der ersten Kurve zwischen Hamilton und Sebastian Vettel. "Du willst natürlich, dass deine Fahrer so aggressiv wie nur möglich sind, aber sie müssen die Autos heil über die erste Runde bringen", antwortet Whitmarsh darauf.

Start in Silverstone 2010

Lewis Hamilton und Sebastian Vettel kommen sich beim Start oft in die Quere Zoom

"Ein stehender Start ist eines der spektakulärsten Dinge in der Formel 1. Es ist ein sehr kritischer Moment des Rennens. Man muss Risiken eingehen. Ich denke Lewis was sehr gut. Man kann Konkurrenten nicht überholen, wenn man kein Risiko eingeht. Es zeichnet die Fähigkeit eines Piloten aus, diese Risken abzuwägen. Ich denke unsere Fahrer haben in dieser Hinsicht einen guten Job abgeliefert."

Während viel vom Zweikampf zwischen Red Bull und McLaren gesprochen wird, hat auch noch Fernando Alonso Chancen. "Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass man Ferrari nie abschreiben darf. Sie sind ein starkes Team, haben technische Möglichkeiten und fantastische Ressourcen. Wie Mercedes auch haben sie einen ehemaligen Weltmeister und einen zweiten starken Fahrer. Es ist zu früh diese Mannschaften abzuschreiben", ist Whitmarsh realistisch. "Red Bull ist aber ganz klar der größte Herausforderer im Moment."

"Ich denke in allen Top-Teams müssen die Piloten weiter konstant ihre Leistung zeigen. Trotzdem wird diese WM von dem Rennstall gewonnen, der am wenigsten Fehler begeht, oder der Mannschaft, die am schnellsten das Auto weiterentwickeln kann."