• 15.06.2012 16:29

  • von Felix Matthey

Wendlinger: "Hatten nicht einmal mal vier Schlagschrauber"

Karl Wendlinger schildert lebhaft seine Anfangszeit in der Formel 1 - bei Arbeitgeber March war 1992 wegen fehlenden Geldes Improvisationstalent gefragt

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 hat immer wieder nette Anekdoten parat. Vor allem nach einigen Jahren sind Fahrer und Teamverantwortliche meist eher dazu bereit, witzige oder kuriose Vorkommnisse lebhaft zu schildern. So berichtete beispielweise erst kürzlich Ex-Formel-1-Pilot Derek Warwick von seinem Scharmützel mit Michael Schumacher in der Sportwagen-Weltmeisterschaft 1991, bei dem der Brite den Deutschen aufgrund eines umstrittenen Manövers erst durchs Fahrerlager scheuchte und anschließend wutentbrannt im Team-Motorhome auf den Massagetisch warf.

Titel-Bild zur News: Karl Wendlinger

Karl Wendlinger bestritt zwischen 1991 und 1995 insgesamt 41 Grands Prix

Ganz so spektakulär ist eine Anekdote von Karl Wendlinger zugegebenermaßen nicht. Der Österreicher trat zwischen 1991 und 1995 zu 41 Grands Prix an, wobei er am meisten durch einen schweren Unfall in Monaco im Jahr 1994 in die Schlagzeilen geriet. Damals verunfallte er mit seinem Sauber-Mercedes ausgangs des berühmten Tunnels und lag anschließend mehrere Wochen lang im Koma. 1995 trat er zwar noch einmal in der Königsklasse an, konnte allerdings keine nennenswerten Erfolge mehr verbuchen.

Sein Debüt hatte er 1991 für Leyton House gegeben, parallel dazu trat er in der Sportwagen-Weltmeisterschaft für das Sauber-Mercedes-junior-Team an, zu dem auch zwei gewisse junge Männer namens Michael Schumacher und Heinz-Harald Frentzen gehörten. 1991 wurde Wendlinger nur bei zwei Rennen eingesetzt, 1992 folgte die erste volle Saison im Team, das mittlerweile in March umbenannt worden war.

"Wozu brauchst du einen Boxenstopp?"

"Das Team wurde für 1992 neu zusammengestellt, nachdem Teamchef Akira Akagi aufgrund einer Involvierung in einen Finanzskandal ins Gefängnis hatte gehen müssen", blickt Wendlinger gegenüber 'Autosport' auf die damaligen Ereignisse zurück. "Das Team hieß von nun an March F1, das Geld war knapp." Und zwar so knapp, dass man selbst bei den Boxenstopps improvisieren musste: "Wir hatten nicht einmal vier Schlagschrauber um einen Boxenstopp ordentlich durchführen zu können!", schildert Wendlinger die Engpässe bei March.

Karl Wendlinger

Black is beautiful: Karl Wendlinger im Jahre 1993 im Sauber-Ilmor Zoom

Bezüglich Boxenstopps hatte man bei March aber offenbar sowieso eine ganz eigene Philosophie. Vor einem Rennen fragte Wendlinger den damaligen Ingenieur Gustav Brunner, der später in Diensten von Ferrari und Toyota stand, wann man denn plane, den Boxenstopp im Rennen einzulegen. "Er fragte mich nur 'Wozu brauchst du einen Boxenstopp?' und ich sagte 'Um die Reifen zu wechseln.' Er antwortete 'Fahr im ersten Stint einfach ganz rund und wenn dann alle anderen reinkommen um sich Reifen abzuholen, dann sind deine noch in Ordnung und du kannst ein gutes Ergebnis erzielen", erzählt Wendlinger.

Karl allein in Montreal

Eine Woche vor dem Kanada Grand Prix im Jahr 1992 reiste der damals 23-jährige Wendlinger für ein Fitnesscamp von Peugeot ins französische Biarritz, da er in diesem Jahr auch bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start ging. Anschließend sollte er über Paris und Frankfurt nach Montreal weiterreisen, was jedoch gar nicht so einfach werden sollte...

"Ich kam dort an, schlief allerdings am Gate der Maschine nach Montreal ein, genau vor dem Schalter." Karl Wendlinger

"Am Mittwochmorgen sollte ich nach Frankfurt fliegen um von da wiederum ein Flugzeug nach Montreal zu nehmen", so Wendlinger. "Da der Frankfurter Flughafen aber aus irgendeinem Grund geschlossen war, musste ich von Düsseldorf losfliegen - von Düsseldorf nach Toronto. Ich kam dort in Toronto an, schlief allerdings am Gate der Maschine nach Montreal ein, genau vor dem Schalter. Niemand weckte mich auf. Ich wurde erst wach als das Flugzeug schon weg war, also buchte ich den nächsten Flug."

"Ich kam Mittwochnacht in Montreal an und nahm einen ganz gewöhnlichen Bus in die Innenstadt. Das war einer dieser Momente, die man 'Karl allein in Montreal' hätte nennen können", scherzt der Österreicher rückblickend.

Wendlinger lässt namhafte Fahrer hinter sich

Im Rennen erzielte er dann allerdings mit Platz vier seine erste Punkteplatzierung in der Formel 1. Dabei vertraute er im Training voll und ganz auf die Ratschläge seines Renningenieurs Brunner: "Ich kam rein und berichtete Gustav. Er nahm alle Veränderungen auf einmal vor, nicht etwa Schritt für Schritt." Was in Verbindung mit der von Brunner vorgeschlagenen reifenschonenden Fahrweise offenbar Früchte trug: "Es hat wirklich geholfen."

"Mein Plan, Jean Alesi anzugreifen, ging nicht auf und er war immerhin Dritter!" Karl Wendlinger

Im Rennen am Sonntag ließ Wendlinger dann sogar Favoriten wie Senna, Mansell und Patrese hinter sich: "Dann wurde das Getriebe jedoch sehr laut und ich hörte die Zahnräder knirschen. Ich nahm dann Tempo raus und schaltete sehr früh hoch. Das war schade, weil ich klar schneller war. Mein Plan, Jean Alesi anzugreifen, ging nicht auf und er war immerhin Dritter!"

Dennoch war Wendlinger am Ende glücklich, nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass ein Österreicher namens Gerhard Berger gewann: "Das hat ganz gut gepasst. Er hat mir zu Anfang meiner Karriere sehr geholfen und es war ein toller Tag für den österreichischen Motorsport!" Und wie verlief die Rückreise nach Europa? "Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr dran erinnern...", so Wendlinger grinsend.