• 23.09.2012 20:06

Vettel: "Da fällt dir ein Stein vom Herzen"

Sebastian Vettel spricht über seinen zweiten Saisonsieg in Singapur, den Ausfall von Lewis Hamilton und den Beinahe-Crash mit Jenson Button

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel war die Erleichterung anzusehen, als er nach der Zieldurchfahrt aus seinem Red Bull kletterte. Einerseits natürlich, weil er zwei Rennstunden bei hohen Temperaturen und einer hohen Luftfeuchtigkeit gemeistert, andererseits, weil er seinen zweiten Saisonsieg realisiert hatte. Und Vettel wurde beim Großen Preis von Singapur sogar zum "Wiederholungstäter", als er vor Jenson Button (McLaren) und vor Fernando Alonso (Ferrari) siegte. Der Ausfall von Lewis Hamilton (McLaren) half ...

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel zeigte nach dem Rennen in Singapur wieder den "Vettel-Finger" Zoom

Frage: "Sebastian, du hast erneut in Singapur gewonnen - wie schon im vergangenen Jahr. Was ist dein Geheimnis?"
Sebastian Vettel: "Ich denke, es ist eines der härtesten Rennen des Jahres. Es ist sehr lang und dauert fast zwei komplette Stunden. Hinzu kommt: Diese Strecke ist überaus anspruchsvoll. Es gibt so viele Bodenwellen, du hast keinen Raum für Fehler und das Rennen scheint sich einfach ewig hinzuziehen. Wir haben natürlich vom Defekt bei Lewis profitiert."

"Ein paar Runden davor hatte ich gesehen, wie er etwas Öl verloren hat. Danach hatten wir eigentlich eine ziemlich gute Geschwindigkeit. Wie schon das gesamte Wochenende über. Ich hatte einen guten Start, der mich sofort als Verfolger auf Platz zwei etablierte. Das Tempo war da, also ... Ich bin einfach nur unglaublich glücklich und auch stolz, denn es ist so ein anstrengendes Rennen."

"Ich würde diesen Sieg gern einem sehr, sehr besonderen Mann widmen, Professor Sid Watkins, der leider verstorben ist. Wir werden ihm sicherlich gedenken. Er ist einer der Hauptgründe, weshalb wir überhaupt auf einem solchen Kurs fahren, Spaß daran haben und uns sicher fühlen können. Er hat die Grenzen der Sicherheit für alle von uns so sehr ausgedehnt. Wir schulden ihm ein ganz großes Dankeschön."

Frage: "Als du hinter Lewis Hamilton fuhrst, hast du in manchen Runden alleine im zweiten Sektor drei bis vier Zehntel auf ihn verloren. Im ersten Sektor und im dritten Sektor warst du wiederum etwas besser. Gab es einen bestimmten Grund dafür? Du hast am Samstag gemeint, in Kurve zehn gewisse Schwierigkeiten gehabt zu haben ..."
Vettel: "Nein, eigentlich nicht."

"Ich habe gesehen, dass ich im ersten Sektor etwas aufholte. Beim zweiten Sektor bin ich mir nicht sicher. Ich habe aber gemerkt, dass ich wahrscheinlich etwas auf ihn verlor. Lewis war aber über das gesamte Wochenende hinweg sehr schnell im zweiten Sektor. Ich fuhr auch dicht hinter ihm. Und je näher du kommst, umso größer ist dein Nachteil."

"Ich denke, am Anfang war das alles Taktik." Sebastian Vettel

"Ich habe jedenfalls versucht, den Abstand ziemlich konstant zu halten, Runde für Runde. Ich hatte eigentlich nicht vor, die Lücke komplett zu schließen, denn je näher du dem Vordermann kommst, umso mehr verlierst du an Grip. Und dann würden auch die Reifen in die Knie gehen und ich würde Abtrieb verlieren. Ich denke, am Anfang war das alles Taktik. Vor allem zu Beginn des zweiten Stints."

"Wenn du alles in eine Runde packst, dann bist du vielleicht einmal eine Sekunde schneller. Du solltest dergleichen aber für drei Runden aufrecht erhalten - und das mit Jenson im Nacken. So sind die Rennen heutzutage nun einmal. Doch wie ich schon sagte: Lewis war im zweiten Sektor schnell. Wahrscheinlich kam es da nicht überraschend, dass wir in diesem Abschnitt etwas auf ihn verloren."

Niederlage nur im Qualifying am Samstag

Frage: "Nach dem Training hatte man mit einem solchen Ergebnis gerechnet, aber eigentlich nicht mehr nach dem Qualifying. Wie siehst du das?"
Vettel: "Ja. Das unterstreicht, dass wir am Samstag wirklich zu kämpfen hatten. Das war vor allem in Q3 der Fall. Bis dahin war alles gut gelaufen und wir hatten auch das Tempo. Eine Bestätigung dessen erfuhren wir im Grand Prix fast auf der Stelle, als wir direkt hinter Lewis unterwegs waren. Ich denke, es war wichtig, direkt am Williams vorbeizugelangen."

"Und dann konnten wir Lewis gut unter Druck setzen. Ich glaube, er versuchte, seine Reifen zu sparen. Wir taten das Gleiche. Es ist ein Rennen der anderen Art, sehr taktisch geprägt. Ich denke aber, unsere Geschwindigkeit war ständig vorhanden. Am Ende des ersten Stints musste ich abreißen lassen. Wir kamen dann ja auch etwas eher herein."

"Auf der härteren Reifenmischung fühlte ich mich wohler. Auch am Ende hatten wir gegen Jenson immer eine Antwort parat, wenn er schnell fuhr. Es war ein gutes Rennende. Es war ein langes Rennen mit vielen Runden. Wir haben die kompletten zwei Stunden absolviert. Es hat aber auch Spaß gemacht, denn du bist ungeheuer aufgeregt."

"Es war ein langes Rennen mit vielen Runden." Sebastian Vettel

"Vor dem Rennen bist du natürlich auch nervös. Du weißt ja, dass ein regelrechter Marathon vor dir liegt. Das macht dieses Rennen aber auch so besonders. Es ist nicht nur, dass du bei Nacht fährst. Es ist auch die Strecke mit ihren vielen Kurven, den vielen Bodenwellen. All dies macht es extrem schwierig. Für uns Fahrer ist das eine große Herausforderung."

"Ich bin natürlich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Das Team hat sich ein großes Dankeschön verdient. Es ist sehr heiß, wenn man unter diesen Bedingungen arbeiten muss. In den Boxen steigt die Hitze im Vergleich zu draußen noch einmal um zehn, 15 Grad Celsius an. Das ist nicht gerade das angenehmste Büro, das man sich vorstellen kann."

"Da ist es natürlich schön, ein bisschen Champagner und einen Pokal mit nach Hause zu bringen. Ich bin sehr zufrieden. Alles in allem ein perfektes Wochenende. Wir hatten zwei sehr gute Stopps. Besonders der zweite war sehr kontrolliert. Jenson kam von hinten, doch unser Lollipop-Mann hat sich da sehr gut angestellt. Er hat gewartet und es hat alles perfekt gepasst."

Frage: "Singapur ist eine sehr schwierige Strecke. Wie fühlt es sich an, hier zum wiederholten Male zu gewinnen?"
Vettel: "Sehr gut. Ich bin sehr zufrieden."

"Was die Atmosphäre angeht, ist das hier in meinen Augen eines der besten Rennen. Alles ist hier etwas spezieller. Es ist ein bisschen überraschend, denn es fühlt sich schon wie ein Klassiker an, obwohl die Formel 1 hier 50 Jahre lang gar nicht gefahren ist. Es fühlt sich aber wie ein echter Klassiker an. Es ist schön. Ich glaube, jeder mag es, hierher zu reisen."

"Es ist ein bisschen überraschend, denn es fühlt sich schon wie ein Klassiker an." Sebastian Vettel

"Es ist ja auch witzig, weiter in der europäischen Zeit zu leben und sich damit gegen alles andere in dieser Stadt zu stellen. Es ist klasse, diese Möglichkeit zu haben. Singapur ist eine tolle Stadt. Hier leben mehr als fünf Millionen Menschen und die Strecke ist genau mittendrin. Bei der Fahrerparade siehst du all die Leute um den Kurs herum. Es ist einfach klasse, ein Teil davon zu sein."

"Noch besser ist es natürlich, wenn du dann auch gewinnst. Im vergangenen Jahr war es schon großartig, doch es ist fast noch besser, diese Leistung in diesem Jahr zu wiederholen. Ich bin sehr zufrieden. Vor allem mit dieser Rennsaison. Es geht sehr eng zu. Wir hatten an diesem Wochenende wahrscheinlich nicht das schnellste Paket, haben aber trotzdem gewonnen. Ich bin zufrieden."

Der Vorsprung von Alonso schmilzt

Frage: "Zwischen dir und Jenson Button wäre es während der Safety-Car-Phase einmal fast zu einer Kollision gekommen ..."
Vettel: "Das war mit Sicherheit keine Absicht. Man versucht natürlich, seine Reifen ein bisschen aufzuwärmen. Es ist hier ein bisschen schwierig, das Safety-Car gehen zu lassen, weil man nicht so richtig sieht, wo es ist. Man sitzt im Auto, zählt und denkt, wo es jetzt sein könnte."

"Einfach ist das nicht. Bevor es losgeht, willst du natürlich auch deine Bremsen auf Temperatur bringen. Es braucht da nur einen Bruchteil einer Sekunde. Er schaut da vielleicht gerade auf sein Lenkrad oder woanders hin, ich trete in die Bremse und ruckzuck trifft man sich da, wo man sich nicht treffen will. Zum Glück ist nichts passiert und wir konnten beide weiterfahren."

Frage: "In der Meisterschaft sieht es nun wieder besser aus ..."
Vettel: "Ja. Es sieht besser aus als vorher. Fernando wurde Dritter. Ich bin kein Genie, aber die Situation hat sich im Vergleich zu vorher um zehn Punkte verbessert. Es stehen aber noch viele Rennen aus. Es ist ziemlich schwierig, zu sagen, was da noch passieren wird. Wir müssen auf jeden Fall vorrangig sicherstellen, alle Rennen zu beenden."

"Das Tempo ist da. Und wenn wir einmal nicht schnell genug sind, um zu siegen, dann reicht unsere Geschwindigkeit aus, um viele Punkte zu holen. Das müssen wir dann auch tun. Bislang ist es wirklich eine harte Saison, doch wir befinden uns noch immer im Titelrennen. Wir freuen uns nach wie vor auf die kommenden Rennen. Das Ziel ist im Augenblick natürlich, Fernando zu schlagen."

"Das Tempo ist da." Sebastian Vettel

Frage: "Siehst du eine ähnliche Entwicklung wie 2010, als die von einer ähnlichen Position kamst und am Ende noch den Titel erobert hast?"
Vettel: "Ich glaube nicht, dass Fernando allzu glücklich wäre, wenn das beim letzten Rennen erneut der Fall wäre. Es ist aber auf jeden Fall eine unglaubliche Saison für alle von uns. Noch stehen einige Rennen aus. Unser Auto scheint konkurrenzfähig zu sein. Wir müssen diesen Schwung jetzt nutzen und in den letzten Rennen weiter Druck machen. Dann schauen wir einmal, was passiert."

Frage: "Ist es eine Hilfe, so etwas schon 2010 erlebt zu haben?"
Vettel: "In gewisser Weise, ja. Das gilt für das gesamte Team. 2010 lagen wir nach Südkorea und bei noch zwei ausstehenden Rennen sehr weit zurück. Die Situation war scheiße, doch wir glaubten weiter an unser Ziel. Das macht den Unterschied. Wir haben derzeit keine Zweifel, sondern glauben an das, was wir tun. Uns ist klar: Es ist unheimlich schwierig, doch genau das ist eben die Herausforderung. Deshalb haben wir es auch auf den Geschmack des Sieges abgesehen."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Singapur


Vettel traut sich keine WM-Prognose zu

Frage: "Wie wird sich das Kräfteverhältnis in den kommenden sechs Rennen darstellen? Traust du dir eine Prognose zu?"
Vettel: "Ich glaube, das traut sich derzeit niemand zu. Vielleicht der eine oder andere Experte, denn er muss ja was sagen. Ich glaube, es ist im Augenblick sehr schwierig. McLaren dürfte ein bisschen die Oberhand haben. Es sind aber auch immer andere Autos mit vorn dabei. Im Qualifying hat man es gesehen: Der Williams war eine Überraschung. In Monza war es der Sauber."

Frage: "Was sind deine Erwartungen für Suzuka und wie wird dein Auto dort funktionieren?"
Vettel: "Ich denke, wir müssen uns verbessern und noch etwas mehr herausholen. Derzeit ist wohl der McLaren das schnellste Auto und der Ferrari ist gewissermaßen der Allrounder."

"Dieses Auto ist immer schnell und immer dabei. Wir müssen sicherstellen, dass wir die Zielflagge sehen. Die Zuverlässigkeit wird eine entscheidende Rolle spielen. Suzuka ist aber eine lustige Strecke. Ich freue mich darauf. Dort wird dann auch Sauber wieder schnell sein, nicht so wie an diesem Wochenende. Und dann schauen wir einmal."

"Suzuka ist eine lustige Strecke." Sebastian Vettel

Frage: "Was hatten eigentlich die Zeichen auf dem Siegerpodest zu bedeuten? Wir sahen eine Vier und eine Null ..."
Vettel: "Es war eine Doppel-Null. Es war eine 400, denn unser Chefmechaniker hatte seinen 400. Grand Prix. Ich denke, das ist ein ganz schönes Geschenk. Zudem hat mein Nummer-eins-Mechaniker heute Geburtstag. Ein guter Tag."

Frage: "Man hat dich am Funk gehört, wie du gejubelt hast. Wie groß war deine Freude direkt nach der Zieldurchfahrt?"
Vettel: "Da fällt dir natürlich ein großer Stein vom Herzen."

"Gerade, wenn man in den letzten Runden nichts von irgendwelchen Problemen hört, sondern wenn man einfach befreit fahren kann, ist das sehr gut. Im vergangenen Jahr waren die letzten Runden eher ein Einbruch. Dieses Jahr konnten wir auch hintenraus noch auf die Tube drücken und den Vorsprung noch weiter vergrößern."

Frage: "Vor dem Start hat man dich aber noch mit besorgter Miene am Auto stehen sehen ..."
Vettel: "Ach, das war nichts Schlimmes. In der Runde zur Startaufstellung hatte ich nur ein paar Vibrationen verspürt. Um zu checken, dass alles in Ordnung ist, schaut man natürlich genauer hin. Es gab aber kein Problem. Wir wussten, woran es liegt. Das Auto war da halt noch nicht warm und ziemlich schwer und dergleichen. Deshalb war es später kein Problem."