Vettel: "Brauche manchmal länger, um Hilfe anzunehmen"

Sebastian Vettel ganz persönlich: Warum es ihm nicht immer leicht fällt, Kritik zu akzeptieren, wieso Erfolg süchtig macht und weshalb Misstrauen wichtig sein kann

(Motorsport-Total.com) - Wer Sebastian Vettel in dieser Saison beobachtet hat, dem fällt auf, dass der Red-Bull-Pilot von Rennen zu Rennen an Format und an Selbst-Sicherheit gewonnen hat. Kein Wunder, denn kaum ein Pilot hasst es mehr, zu verlieren, als der jüngste Doppel-Weltmeister der Geschichte. Und Niederlagen musste er diese Saison im Gegensatz zum Vorjahr nur sehr selten einstecken.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Wer ist Sebastian Vettel? Der Doppel-Weltmeister gibt Einblicke

"Es gibt kaum eine Sache, bei der es mir egal ist zu verlieren", bestätigt der Heppenheimer gegenüber der 'dpa' - und gibt ein Beispiel: "Wenn wir zum Spaß Fußball spielen und ich nicht in der Mannschaft bin, die gewinnt, dann stinkt mir das. Es wird immer Leute geben, die besser sind und einem die Grenzen aufzeigen. Aber vom Kleinen bis zum Großen verliere ich sehr ungern."

Vettel und die Kritik

Doch auch für Vettel gibt es diesbezüglich Grenzen: "Wenn es zu extrem wird, muss man sich vielleicht ein bisschen zügeln. Es ist sicherlich egal, wer als Erster morgens im Hotel auf den Liftknopf drückt und in den Aufzug steigt." Wenn man bedenkt, dass Vettel Niederlagen verabscheut, dann ist es auch kein Wunder, dass er auch Kritik nur nach und nach akzeptieren kann.¿pbvin|512|4175||0|1pb¿

"Ich bin in mancher Hinsicht sehr stur." Sebastian Vettel

Das behauptet zumindest Red-Bull-Motorsport-Konsulent Helmut Marko, der Vettels Karriere als Juniorteam-Chef schon in jungen Jahren ganz aus der Nähe mitverfolgte. "Kritik ist sehr wichtig", meint der 24-Jährige, gibt aber dem Österreicher recht. "Er hat das ganz gut beschrieben. Ich bin in mancher Hinsicht sehr stur. Auch wenn man mir nichts Böses meint und nur helfen will, brauche ich manchmal ein bisschen länger, das zu verstehen und die Hilfe anzunehmen. Ich will es dann allein schaffen, obwohl ich mir leichter tun würde, ein bisschen auf die anderen zu hören."

Genuss als Herausforderung

Diese Zielstrebigkeit macht Vettel schon seit Kindheits-Tagen aus, doch nun muss er sich beinahe zwingen, zu verweilen und den Moment zu genießen. Keine leichte Aufgabe für einen, der stets nach vorne blickt. Es sei sehr verwirrend, "so schnell umzuschalten von dem Modus, in dem man sich das ganze Jahr befindet. Sich auf den Moment zu konzentrieren, jedes Rennen als einzelnen Schritt wahrzunehmen. Dann umzuschalten und zu verstehen, dass man das geschafft hat, was man sich als finales Ziel gesetzt hat am Anfang des Jahres, als oberstes Ziel. Zu realisieren, dass einem das keiner mehr nehmen kann, braucht seine Zeit."¿pbvin|512|4173||0|1pb¿

"Schaut man aber nur nach vorn, lässt man alles, was zum Greifen und Genießen da ist, gar nicht an sich heran." Sebastian Vettel

Mit den Teammitgliedern zu feiern, ist für Vettel keine Herausforderung: "Ich brauche vielmehr für mich die ruhige Zeit im engsten Kreis oder die Zeit, für mich selbst allein zu sein, um das Ganze einsinken zu lassen und zu verstehen." Stets in dem Moment zu leben sei zwar "das Gesündeste", meint Vettel, schaut man aber nur nach vorn, "lässt man alles, was zum Greifen und Genießen da ist, gar nicht an sich heran."

Vettel noch lange nicht erfolgsmüde

Die Gefahr, dass er sich in nächster Zeit zurücklehnt, auf seine Erfolgsbilanz blickt und keinen Hunger auf weitere Jahre in der Königsklasse des Motorsports verspürt, ist laut eigenen Angaben nicht gegeben: "Ich mache das hier lieber als alles andere auf der Welt. Das gibt mir eine Zufriedenheit, die ich nirgendwo anders finde. Ich habe als Kind andere Sportarten geliebt und ausgeübt, nach einer Zeit aber die Lust verloren. Das ging mir beim Motorsport nie so. Ich bin absolut verrückt nach dem Sport. Das braucht es auch."

"Das Gefühl ist unschlagbar." Sebastian Vettel

Dazu kommt eine Sucht nach Erfolgen, die ihn motiviert. "Beschreiben kann man das nicht. Es ist letztlich das Gefühl, auf dem Podium zu stehen", versucht sich Vettel in einer Erklärung, was diese Sucht auslöst. "Wenn man weiß, wieviel es an einem Rennwochenende braucht, alles zusammenzukriegen, damit man die Chance hat, um überhaupt von vorn loszufahren. Wenn man dann das Rennen gewinnt, die Hymne hört, die Massen wie in Monza heranströmen - das Gefühl ist unschlagbar."

Vor allem die Begeisterung der Massen will Vettel nicht missen: "Wenn man sich am Montag, wenn nichts los ist, aufs Podium stellt und vielleicht auch die Hymne spielen lässt, wird das nie dasselbe sein. Das ist nicht ersetzbar. Nach drei Tagen harter Arbeit diesen Moment genießen zu dürfen, das macht süchtig, weil er so schnell vorbeigeht. Das ist immer ein gewisser Rausch. Man verpasst manchmal, den Moment komplett aufzusaugen. Deswegen will man es immer wieder machen, damit man immer wieder ein Stück davon mitnehmen kann."

Gesundes Misstrauen in der Formel 1 wichtig

Obwohl er die Nähe der Fans genießt, gibt Vettel zu, manchmal ein durchaus misstrauischer Mensch zu sein. "Wenn man wie ich sehr früh mit Erwachsenen zu tun hat, reift man ganz anders und lernt, Leute einzuschätzen. Nach einer Zeit kann man recht gut beurteilen, tut der mir gut oder ist der schlecht für mich. Das muss man für sich entdecken, weil es viel dazu beiträgt, wie und mit wem man seine Laufbahn gestaltet."

"Es ist nicht so, dass ich morgens aufstehe und denke, die Welt will mir etwas Schlechtes." Sebastian Vettel

Obwohl ein gewisses Misstrauen "hilfreich" sei, müsse man "den Leuten die Chance geben, dass man sich kennenlernt." Allgemein sieht er sich als Mensch mit einer positiven Lebenseinstellung: "Es ist nicht so, dass ich morgens aufstehe und denke, die Welt will mir etwas Schlechtes. Es gibt sehr viele Leute, die mir etwas geben. Das muss man schätzen. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Leute mir einen Brief schreiben, mit T-Shirt und Kappe an die Strecke reisen, Runde für Runde anfeuern und einen unterstützen."

Diese Momente will der Heppenheimer noch eine Zeitlang genießen. Er ist aber der Meinung, dass auch die Zukunft und die Zeit nach der Formel 1 noch zahlreiche Highlights mit sich bringen. "Wenn man Glück hat, dann hat man gut 70, 80 Jahre auf der Welt", philosophiert Vettel. "Es gibt Dinge, die man mit 50 genießt, die man mit 25 nicht genießen würde. Und genauso mit 60 oder 70. Ich hoffe doch, dass man sich immer auf etwas freuen kann. Es gibt natürlich schöne Erinnerungen, aber auch Tiefschläge. Die muss man in sich tragen, damit man es zu schätzen weiß, wie gut es einem geht."