Vergne: "Sehe mich eigentlich nicht als Rookie"

Jean-Eric Vergne blickt auf die ersten vier Formel-1-Rennen seiner Karriere zurück - Der Franzose glaubt nicht, dass er um ein Red-Bull-Cockpit fährt

(Motorsport-Total.com) - Toro Rosso ist in diesem Jahr das Team in der Formel 1, welches die Fahrer mit der geringsten Erfahrung beschäftigt. Während Daniel Ricciardo im Vorjahr elf Rennen für HRT bestritten hat, ist Teamkollege Jean-Eric Vergne ein waschechter Rookie. Wobei der Franzose da anderer Meinung ist. "Ich sehe mich eigentlich nicht als Rookie, sondern als ausgewachsenen Fahrer", sagt Vergne im Gespräch mit 'formula1.com'.

Titel-Bild zur News: Jean-Eric Vergne

Jean-Eric Vergne steht am Beginn seiner Formel-1-Karriere

Vergne, der heute 22 Jahre alt wurde, blickt mit gemischten Gefühlen auf die ersten vier Grands Prix seiner Karriere zurück. Auf die Frage, ob es mit seinen Ergebnissen zufrieden sei, antwortet der Franzose: "Ja und Nein. Ja, denn ich denke, es lief ganz gut, aber nein, denn ich denke, es hätte noch besser sein können. Natürlich könnte ich die Ausrede benutzen, dass ich ein Rookie bin, aber das möchte ich nicht, denn ich habe Fehler gemacht, die einem Fahrer nicht passieren sollten, unabhängig von seinem Status", zeigt sich Vergne selbstkritisch.

Dennoch kann der Toro-Rosso-Pilot bereits ein erstes Erfolgserlebnis vorweisen. Im Regenrennen von Sepang fuhr er auf den achten Platz und gewann so die ersten vier WM-Punkte in seiner noch jungen Karriere. Vergne fuhr in der Anfangsphase lange auf Intermediates und wechselte erst während der Rennunterbrechung auf Regenreifen. "Das war vielleicht eine unkonventionelle Entscheidung, in diesen Bedingungen so lange auf Intermediates zu fahren", blickt Vergne auf die mutige Strategie zurück. "Vielleicht kann man das mit dem Wort 'Rookie' erklären, vielleicht lag das an meiner Unerfahrenheit. Aber ich würde es immer wieder so machen."

Höhen und Tiefen in den ersten Rennen

Nur ein Rennen später in China machte der 22-Jährige eine anderer Erfahrung. "Ich bin nicht nur aus der Box gestartet, sondern auch einige Sekunden hinter dem letzten Auto. Das ist für einen ehrgeizigen Fahrer nicht lustig." Nach dem dem schwachen Abschneiden in der Qualifikation, wo Vergne nur 18. war, entschloss sich das Team zu einem Radikalumbau seines STR7, weshalb er aus der Boxengasse starten musste. Doch der Franzose erkennt auch daran etwas Positives. "Daraus können wir für die Zukunft lernen. Dieses Rennen war für mich mehr wie ein Test."

Jean-Eric Vergne

Im Regenrennen von Sepang gewann Vergne seine ersten WM-Punkte Zoom

In seiner ersten Formel-1-Saison muss der Franzose viele neue Eindrück verarbeiten. Doch die grundsätzlichen Dinge sind seiner Meinung nach in der Formel 1 dieselben."Letztlich sind es nur Autos, Rennstrecken und Ingenieure - wie in jeder anderen Rennserie auch", sagt Vergne, der allerdings feststellt "Die Autos sind sicherlich wesentlich komplexer, und auf gewisse Weise mysteriös. An einem Wochenende bist du richtig schnell, und eine Woche später bist du nirgendwo. Mit dem gleichen Auto, der gleichen Crew und suchst verzweifelt nach einer Antwort auf die Frage 'Warum?'. Andere Rennserien sind wesentlich berechenbarer."

Neben dem in dieser Saison alles bestimmenden Thema Reifen, wo Vergne allerdings den Vorteil sieht, dass er nur die Formel-1-Reifen der Saison 2012 kennt, sei vor allem auch die Aerodynamik ein Gebiet, auf dem er noch Erfahrungen machen muss. Darüber hinaus musste er lernen, "wie das Qualifying funktioniert, wie eine Rennstrategie entsteht. Aber daran habe ich mich recht schnell gewöhnt."

Kein Duell ums Red-Bull-Cockpit

Schwieriger ist für ihn die Gewöhnung an die veränderte sportliche Ausgangslage. "Der größte Unterschied ist, dass ich jetzt nicht mehr um Siege, sondern um Platz zehn kämpfe, was ein krasser Unterschied zu den vergangenen Jahren ist. Wenn ich heute Fünfter werde, wäre ich glücklich. Im vergangenen Jahr hätte mich das enttäuscht", stellt Vergne fest. "Aber so ist der Gang des Lebens."

Das Duell der beiden Toro-Rosso-Piloten enthält in dieser Saison eine besondere Brisanz. Nachdem absehbar ist, dass Mark Webber nicht mehr lange für Red Bull fahren wird, gelten Vergne und Ricciardo als potenzielle Nachfolger. Der Franzose will sich von diesem Gedanken jedoch nicht beeinflussen lassen. "Einige Leute sind der Meinung, dass wir um ein Red-Bull-Cockpit kämpfen, aber das sehe ich nicht so. Ich fahre für Toro Rosso und will helfen, das Auto zu einem regelmäßigen Punktekandidaten zu entwickeln."


Fotos: Jean-Eric Vergne, Großer Preis von Bahrain


"Es bringt mir nichts, als 15. vor ihm ins Ziel zu kommen, da werde ich lieber hinter ihm Vierter und weiß, dass ich ein schnelles Auto habe", nennt Vergne sein Ziel im Zweikampf mit Ricciardo. Beim Nachdenken über das soeben gesagte muss der Franzose seine Meinung jedoch revidieren und beweist dabei Humor. "Wobei, habe ich gerade gesagt, dass ich hinter ihm landen möchte? Nein, das will ich dann doch nicht. Der Teil über den Kampf an der Spitze stimmt, den Rest bitte schnell vergessen", so Vergne lachend.