Räikkönen gewinnt turbulenten Spanien-Grand-Prix

Ferrari feiert in Barcelona einen souveränen Doppelsieg - Pechvogel Nick Heidfeld Neunter - Unfall von Heikki Kovalainen überschattet das Rennen

(Motorsport-Total.com) - Dass wir heute in Barcelona keinen packenden Grand Prix mit zahlreichen Überholmanövern erleben würden, war uns wegen der Charakteristik des Circuit de Catalunya schon im Vorhinein klar, aber schlussendlich wurde der 27. April 2008 doch noch zu einem turbulenten Formel-1-Nachmittag - mit einer riesigen Schrecksekunde!

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen

29 von 40 maximal möglichen Punkten geholt: Es läuft für den "Iceman"!

Heikki Kovalainen kam in der 22. Runde in einer über 200 km/h schnellen Rechtskurve von der Strecke ab und krachte in relativ frontalem Winkel in die Reifenstapel. Sein McLaren-Mercedes bohrte sich so tief in die Barriere hinein, dass sich mehrere Streckenposten mit der Bergung abrackern mussten. Anschließend wurde der Finne erst auf einer Trage ins Medical-Center und dann mit dem Rettungshelikopter ins Krankenhaus nach Barcelona gebracht.#w1#

Bange Minuten um Kovalainen

Aber die minutenlange Ungewissheit war unbegründet, denn Kovalainen geht es abgesehen von einer leichten Gehirnerschütterung und ein paar blauen Flecken gut. Auch zur Ursache des Abflugs gibt es eine erste Theorie: Laut Teamchef Ron Dennis und Norbert Haug dürfte es sich um einen Felgenbruch gehandelt haben - ganz ähnlich wie beim schweren Crash von Lewis Hamilton vor einem Jahr am Nürburgring.

Heikki Kovalainen

Heikki Kovalainen wurde nach dem Unfall in ein Krankenhaus geflogen Zoom

Doch zum Sportlichen: Ferrari war bei Kaiserwetter mit strahlendem Sonnenschein, 22 Grad Lufttemperatur und vor über 130.000 Fans eine Klasse für sich, sodass Kimi Räikkönen nach Malaysia seinen zweiten Saisonsieg einfahren und die WM-Führung ausbauen konnte. Sein Stallgefährte Felipe Massa wurde ohne eine echte Chance auf Platz eins Zweiter - aber der tragische Held des Nachmittags war zweifellos Fernando Alonso!

Der Liebling der spanischen Fans kam am Start hervorragend von der Linie weg, konnte den Ferraris beim Beschleunigen aber nicht ganz Paroli bieten und fiel daher hinter Massa auf den dritten Platz zurück. Dort konnte er sich zunächst gut behaupten, ehe er - wie erwartet etwas früher als alle anderen - in der 16. Runde erstmals zum Tanken kommen musste. Zum Vergleich: Die Ferraris fuhren im 19. (Massa) beziehungsweise 20. (Räikkönen) Umlauf herein.

Tragischer Held: Alonso

Nach der ersten Serie der Boxenstopps lag Alonso hinter den beiden Ferraris, Hamilton sowie den BMW Sauber F1 Team Piloten Robert Kubica und Nick Heidfeld immer noch an sechster Position - durch Heidfelds Stop-&-Go-Strafe rückte er sogar noch um einen Rang auf. Doch dann quittierte sein Renault den Dienst, aus dem Auspuffrohr kamen sogar ein paar Flammen. Die vorbildlichen spanischen Fans feierten dennoch zurecht die ganz starke Leistung ihres Nationalhelden.

Fernando Alonso

So kam Fernando Alonsos Renault nach dem Ausfall an die Box zurück Zoom

Begonnen hatte das Rennen turbulent, nämlich mit einer Safety-Car-Phase gleich am Anfang, weil Adrian Sutil (Force-India-Ferrari) im Getümmel der ersten Runde einen Konkurrenten etwas zu optimistisch attackierte, plötzlich quer auf der Strecke stand und vom völlig schuldlosen Sebastian Vettel (Toro-Rosso-Ferrari) gerammt wurde. Dadurch waren die ersten beiden Deutschen schon einmal aus dem Rennen.

In der vierten Runde gab es den Restart, bei dem rein gar nichts passierte - und in den nächsten Minuten zeichnete sich der befürchtete Langeweile-Grand-Prix ab. Aber zahlreiche Zwischenfälle sorgten dann doch für Action: Den Anfang machte Nelson Piquet Jr. (Renault) an zehnter Stelle liegend mit einem Ausritt ins Kiesbett. Das dürfte ihn insofern geärgert haben, als sein Wochenende bis dahin recht stark war.

Bourdais ohne Augen am Rückspiegel

Mit der Wut im Bauch schob sich Piquet dann etwas später von hinten seitlich neben Sébastien Bourdais (Toro-Rosso-Ferrari), der ihn beim Einlenken übersehen haben dürfte, denn die beiden Autos waren schon auf gleicher Höhe. Bourdais zog aber nach innen, wodurch Piquet sofort aufgeben musste. Bourdais schleppte sich noch mit lädiertem STR2B an die Box, dort wurde aber ein Radaufhängungsbruch links vorne festgestellt.

Start in Barcelona 2008

Die beiden Ferraris (rechts) kamen am schnellsten in der ersten Kurve an Zoom

Noch vor dem angesprochenen Kovalainen-Unfall verabschiedete sich auch Anthony Davidson (Super-Aguri-Honda) mit technischen Problemen aus dem Rennen, und richtig turbulent wurde es dann durch die zweite Safety-Car-Phase: Bis auf den schwer betankten Heidfeld hatten nämlich alle ihren ersten Stopp schon absolviert, aber "Quick Nick" hatte seinen Service für Runde 24 geplant - und da war die Boxengasse nach der neuen Regel noch geschlossen!

Weil er sonst ohne Benzin liegen geblieben wäre, musste der Deutsche die Box ansteuern - im Wissen, dass dies eine Stop-&-Go-Strafe nach sich ziehen würde. Durch eben diese fiel er nach dem Restart ganz ans Ende des Feldes zurück. Die Regel wird bestimmt noch für Diskussionen sorgen, denn nach einem sehr guten Start und einem auch sonst makellosen Rennen wurden Heidfeld so mindestens vier WM-Punkte gestohlen.

Kollision in der Boxengasse

Eine kuriose Szene gab es noch während der Safety-Car-Phase um Rubens Barrichello (Honda), der in der Boxengasse (!) mit Giancarlo Fisichella (Force-India-Ferrari) kollidierte und dabei seinen Frontflügel verlor! "Rubinho" steuerte in seinem 256. Grand Prix zunächst noch einmal die Box an, gab dann aber wenig später auf. Und noch einen - aus deutscher Sicht bedauerlichen - Ausfall gab es: Nico Rosberg (Williams-Toyota) an siebenter Stelle liegend mit Motorschaden.

König Juan Carlos und Michael Schumacher

Prominente Zaungäste: Spaniens König Juan Carlos und Michael Schumacher Zoom

Vorne gerieten die Ferraris auch nach dem Restart nie wirklich in Gefahr, wenngleich sie sich nicht allzu weit von Hamilton und Kubica absetzen konnten. Nach 66 Runden hatte Räikkönen 3,2 Sekunden Vorsprung auf Massa, 4,1 auf Hamilton und 5,6 auf Kubica. Das beweist vor allem, wie eng die drei Topteams beisammen liegen - ein gutes Zeichen für den Rest der Saison. Erst der solide Mark Webber (5./Red-Bull-Renault) hatte 35,9 Sekunden Rückstand.

Die weiteren Punkteränge gingen in dem ausfallsreichen Grand Prix an Jenson Button (Honda), den bärenstarken Kazuki Nakajima (Williams-Toyota), der ständig im Windschatten seines Teamkollegen Rosberg fuhr, und Jarno Trulli (Toyota) mit seinen drei Boxenstopps. Heidfeld fehlten am Ende 3,6 Sekunden auf einen Zähler. Insgesamt sahen nur 13 Autos die Zielflagge, darunter auch der farblose Timo Glock (11./Toyota).

Starkes Rennen von Fisichella

Für gute Unterhaltung sorgte Altstar Fisichella, denn der Italiener wurde durch diverse Zwischenfälle auf Platz acht nach vorne gespült und fiel erst bei der zweiten Serie der Boxenstopps wieder aus den Punkterängen raus. Zwischendurch lieferte er sich ein tolles Duell mit dem von hinten näher kommenden Heidfeld, der sich erst nach einem kleinen Fisichella-Fehler mit der Brechstange und viel Wut im Bauch in der ersten Kurve außen vorbeischieben konnte.

Kimi Räikkönen

Großer Jubel bei der Ferrari-Truppe bei der Zieldurchfahrt von Räikkönen Zoom

An den letzten beiden nennenswerten Zwischenfällen war jeweils David Coulthard (12./Red-Bull-Renault) beteiligt: Erst wurde der Schotte vom übermotivierten Glock von hinten gerammt, wobei sein Reifen aufgeschlitzt wurde und Glocks Frontflügel kaputt ging, und dann überholte er zum Schluss noch Takuma Sato (Super-Aguri-Honda) - mit einem beherzten Manöver und nach Aufforderung des Renningenieurs am Funk, er möge kämpfen, als ginge es um die Weltmeisterschaft!

Was das Kräfteverhältnis angeht, so hatte man heute den Eindruck, dass Ferrari stärker war als McLaren-Mercedes und das BMW Sauber F1 Team. Auch in der Konstrukteurs-WM haben die Italiener mit 47 Punkten die Führung vor Weiß-Blau (35) und Silber (34) übernommen. In der Fahrerwertung liegt Räikkönen (29) nun schon etwas komfortabler als bisher vor Hamilton (20), Kubica (19), Massa (18), Heidfeld (16) und Kovalainen (14).