• 05.07.2008 21:52

  • von Marco Helgert & Dieter Rencken

Theissen: "Sehe den Zeitdruck nicht"

Der BMW Motorsport Direktor über den neuesten Vorstoß von FIA-Präsident Max Mosley und die Fragezeichen bei den weiteren Entwicklungen

(Motorsport-Total.com) - Derzeit geht es hinter den Kulissen der Formel 1 wieder rund: Das Concorde Agreement hängt weiter in der Luft, die Macht soll neu verteilt werden und neue Regeln ziehen schon wieder am Horizont auf. FIA-Präsident Max Mosley wandte sich wieder einmal schriftlich an die Teams - und einige der Punkte stoßen nicht auf Gegenliebe. Für BMW Motorsport Direktor Mario Theissen ist die derzeitige Lage noch nicht ganz übersichtlich, zudem versteht er die Eile nicht, in der alles durchgeboxt werden soll.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

Mario Theissen erkennt einige Schwächen in Mosleys Vorschlägen

"Es gibt bisher keine abgestimmte Meinung der Teams. Ich kann nur meine sagen", begann er in Silverstone. Immerhin enthalte Mosleys Schreiben Punkte, über die ohnehin Einigkeit besteht, "wie zum Beispiel Kostensenkung, Verbrauchssenkung, Entwicklung von neuen Technologien, die für künftige Straßenfahrzeuge interessant sind. Diese Grundsatzrichtungen unterstützen wir voll."#w1#

Die schon festgezurrten Veränderungen spiegeln ohne diesen Trend wider. "Wir haben auf der Antriebsseite massiv Geld eingespart. Wir stecken mit der FIA in der Erarbeitung der Budgetdeckelung, der auch auf der Chassis-Seite Absenkungen bringen soll. Und wir haben auf der anderen Seite das KERS-System in der Entwicklung, das dem Thema Zukunftstechnologien gerecht wird. Insofern sind wir auf der Linie", so Theissen weiter.

Theissen sieht Kostenfalle

"Jede Änderung kostet erst einmal einen Haufen Geld." Mario Theissen

Dass diese Entwicklungen 2011 nicht plötzlich enden, sei selbstverständlich. Die konkreten Punkte aus dem Schreiben aber sorgen für leichtes Kopfschütteln. "Zum einen geht einiges in dem Brief physikalisch schon nicht auf", fuhr er fort. "Wenn es dann physikalisch ginge, dann würde es kommerziell nicht gehen, so wie es da drin steht."

Beispiel: Die massiven Verbrauchssenkungen mit festen Einsparungen von zum Beispiel 20 Prozent ab 2011. "Jede Änderung kostet erst einmal einen Haufen Geld. Es wäre in jedem Fall ein völlig anderes Motorenkonzept und eine sehr aufwendige Entwicklung", so der BMW Motorsport Direktor. Dabei hatte man gehofft, solche Gespräche erst einmal nicht führen zu müssen.

Man setzte durch, dass die derzeitigen Motoren nur auf fünf Jahre festgezurrt wurden. "Das war mit uns abgestimmt. Wir haben daraufhin unsere Motorenentwicklung eingedampft", erklärte er. "Und es kann nicht sein, dass es dann drei Monate später heißt: Kommando zurück und 2011 brauchen wir einen ganz anderen Motor. Wir können nicht morgen die Entwicklung wieder hochfahren."

Auch die Energierückgewinnung könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht für die Zielerreichung herhalten. "Grundsätzlich ist es in Ordnung, nach dem Schritt, der für das nächste Jahr kommt, aber 2011 weitere zu planen. Wir haben aber übereinstimmend gesagt, wir wollen zuerst einmal eine Saison mit dem ersten Schritt Erfahrungen sammeln, bevor wir den nächsten beschließen", so Theissen.

Große Eile und ungewöhnliche Zeitpunkte

"Ich sehe den Zeitdruck, wie er dort beschrieben ist, nicht so." Mario Theissen

"Es ist ja heute alles noch im Forschungsstadium und keiner weiß so wirklich, wie ein erfolgreiches Konzept aussieht", gab er zu bedenken. "Im Grundsatz folgen wir der Richtung, aber von der Ausführung müssen wir einfach anders vorgehen. Es ist von unserer Seite auch kein Zeitdruck da, in den nächsten Wochen zu entscheiden, wie die Technik 2011 aussieht. Ich sehe den Zeitdruck, wie er dort beschrieben ist, nicht so."

Der Druck wird noch erhöht, weil die Teams für die Formel-1-Saison 2009 schon bis Ende Juli die Einschreibeformulare anfordern müssen. "Ich würde nicht sagen, dass es ein Problem ist", erklärte er. "Es ist ein ungewöhnlicher Zeitpunkt und mit dem Einschreibeformular sind auch die Sporting Regulations für 2009 verschickt worden. Da lassen wir derzeit überprüfen, ob das auch das ist, was wir bisher für 2009 haben."

Doch Mosley ist eben auch dafür bekannt, Pakete mit Vorschlägen zu machen, die Teile enthalten, die nicht durchkommen können - um am Ende einen für ihn passenden Kompromiss zu haben. "Die Erfahrung der letzten 20 Jahre hat ja gezeigt, dass trotz zum Teil wilder Ankündigungen am Ende etwas Konstruktives zustande gekommen ist", so Theissen. "Und darauf verlässt sich der Vorstand, dass das auch dieses Mal gelingt."