• 19.02.2008 15:47

  • von Michael Noir Trawniczek

Sutil: "Sehe erst, welche Probleme das Auto hat"

Adrian Sutil im Interview über das Fahren ohne Traktionskontrolle, Parallelen zwischen Formel 1 und Musik und Teamkollege Giancarlo Fisichella

(Motorsport-Total.com) - In seinem ersten Jahr als Einsatzpilot konnte Adrian Sutil im unterlegenen Sypker auf sich aufmerksam machen, sogar mit McLaren-Mercedes wurde er in Verbindung gebracht. Bei Force India kämpft der Deutsche mit stumpfen Waffen, doch mit Giancarlo Fisichella hat er zumindest eine gute Messlatte im Team. Bei den Testfahrten letzte Woche in Jerez de la Frontera nahm sich Sutil an seinem freien Tag die Zeit für ein kurzes Gespräch.

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

Adrian Sutil wird es von den Deutschen 2008 wohl am schwersten haben

Frage: "Adrian, du bist auch musikalisch begabt, bist - wie früher zum Beispiel auch Elio de Angelis - Pianist. Gibt es deiner Meinung nach Parallelen zwischen dem Rennfahren und der Musik?"
Adrian Sutil: "Das ist schwer miteinander zu vergleichen, aber man muss in beiden Bereichen sehr viel Gefühl aufbringen. Beim Formel-1-Fahren kommt es mehr auf das ganze Gefühl im Körper an, wie man das Auto spürt. Beim Klavierspielen müssen die Hände das Gefühl haben. Aber letztendlich geht es um das innere Gefühl, wie sensibel man ist. Das ist alles sehr wichtig."#w1#

Parallelen zwischen der Formel 1 und dem Klavier

"Wenn man mit dem Gefühl dabei ist, dann klingt es anders beim Klavierspielen, als wenn du das einfach so spielst, ohne Gefühl. Beides, sowohl Formel-1-Fahren als auch Klavierspielen, kann nicht jeder. Man muss einfach Talent haben dafür. Und um erfolgreich zu sein, muss man in beiden Bereichen extrem hart arbeiten, sehr zielorientiert sein, einfach alles dafür geben, fokussiert sein."

"Wenn man da plötzlich einen Fehler macht, dann ist dieser Fluss unterbrochen." Adrian Sutil

Frage: "Der Rhythmus ist glaube ich auch sowohl am Klavier als auch im Auto sehr wesentlich, oder?"
Sutil: "Genau. Der Rhythmus, dieser Fluss, den man haben muss. Auch in den Rennen - es geht ja wirklich immer in so einem Fluss dahin, die ganze Zeit. Der muss gleichbleibend sein - und so ist das auch, wenn man am Klavier spielt. Wenn man da plötzlich einen Fehler macht, dann ist dieser Fluss unterbrochen und dann ist es auch sehr schwierig, sich wieder zu fangen."

Frage: "Perfektion ist auch in beiden Bereichen wichtig. Eine schnelle Runde ist wie ein Song, den du einstudierst, nicht wahr?"
Sutil: "Ja, es geht um sehr viel Perfektion. Das betrifft beides. Um das eben bestens auszuüben, musst du einfach ein Perfektionist sein, wo du auf die perfekte Runde oder das perfekte Musikstück hinarbeitest."

Frage: "Wenn eine schnelle Runde ein Song ist, dann wäre zum Beispiel die Rallye-WM vielleicht eine Jamsession, wo es mehr ums Improvisieren geht, oder?"
Sutil: "Ja, das ist sicher etwas anderes im Rallyesport, aber die fahren sicher auch extrem am Limit in ihrer Perfektion. Sicher fährt man da dann manchmal quer in die Kurven rein, aber das ist eben ein anderer Stil. Letztendlich wird da auch um jede Sekunde gekämpft, aber ich kann mich da auch nicht zu hundert Prozent hineinversetzen, weil ich noch nie mit einem Rallyeauto gefahren bin. Ich würde das aber gerne einmal ausprobieren. Rallye gefällt mir sehr gut, ein sehr interessanter Sport - und immer Action dabei."

Frage: "Apropos Action: Wie ist es für dich ohne Traktionskontrolle?"
Sutil: "Es ist wirklich extrem schwierig, das kann man ruhig sagen. Ich glaube, dass es den Teams, die sich ohnehin schon schwer tun, jetzt noch viel schwerer fällt, da alles rauszuholen aus einer Runde - weil sich das Auto sowieso mehr bewegt. Wir haben zum Beispiel mit der Traktionskontrolle und den ganzen anderen elektronischen Hilfen eine eigentlich ganz gute Balance hinbekommen, aber jetzt, ohne Elektronik, da sehe ich erst, welche Probleme das Auto eigentlich hat."

Schwächen äußern sich nun drastischer

Frage: "Um welche Probleme handelt es sich da?"
Sutil: "Beim Anbremsen ist es jetzt viel schwieriger, das hinzubekommen."

"Es ist sehr viel schwieriger geworden." Adrian Sutil

Frage: "Man sieht es auch: In der Schikane verbremsen sich die Force-India-Autos immer wieder, sie müssen den Notausgang nehmen..."
Sutil: "Ja. Und dann dieses Rumschlenkern - das ist absolut schwierig. Es ist sehr viel schwieriger geworden, aber es ist halt trotzdem eine tolle Herausforderung und es macht auch, trotzdem, sehr viel Spaß."

Frage: "2008 soll es mehr Budget geben, gut 80 Millionen Euro. Ist da die Hoffnung gestiegen?"
Sutil: "Ja, klar. Es sieht schon seriös aus, was jetzt hier geschieht nach den letzten zwei, drei Jahren, die - naja - besser hätten laufen sollen, eigentlich. Man hat sich da auch mal was erhofft, aber der damalige Teambesitzer hat dann doch früh aufgegeben und das Team wieder verkauft. Aber jetzt sieht es seriös aus und ich glaube auch, dass Herr Mallya das sehr ernst nimmt und er an die Zukunft denkt. Da haben alle sehr viel Hoffnung."

Frage: "Was ist dein persönliches Ziel für 2008?"
Sutil: "Mein persönliches Ziel ist, hoffentlich wieder ein paar Punkte einzufahren und letztendlich einfach so wenig Fehler wie möglich zu machen, gute Rennen zu fahren, durchkommen - gerade das wird am Anfang sehr wichtig sein."

Frage: "Es waren auch andere Teams an dir interessiert, es gab Gerüchte in puncto McLaren-Mercedes. Das ist ja ein großes Kompliment für dich, nicht wahr?"
Sutil: "Ja, klar."

Kein Groll über verpasste McLaren-Mercedes-Chance

Frage: "Ist es dir nicht schwer gefallen, trotzdem hier bei Force India zu bleiben?"
Sutil: "Nein, ich habe mich eigentlich sehr sicher gefühlt über den Winter und war sehr froh, dass ich einen Vertrag hier bei Force India habe. Das war wichtig, dass ich mich einfach sicher gefühlt habe. Das Team hat gesagt: 'Wir wollen dich auf jeden Fall haben!' Natürlich war es schön, meinen Namen auch in Verbindung mit anderen Teams zu hören, aber letztendlich ist da nichts dabei rausgekommen und deswegen bin ich jetzt noch ein Jahr hier. Aber ich habe schon einmal das geschafft, was ich eigentlich erreichen wollte letztes Jahr: meinen Namen irgendwie ins Gespräch zu bringen und Aufmerksamkeit zu erregen. Und das ist wirklich bei allen Teams angekommen."

"Man muss einfach jede Chance, die sich ergibt, sofort nützen." Adrian Sutil

Frage: "Es gibt viele deutsche Piloten, die alle hungrig sind nach Erfolg. Das ist sicher nicht leicht derzeit, oder?"
Sutil: "Auf jeden Fall. Es ist allgemein schwierig, weil ich mit dem Auto natürlich nicht das zeigen kann, was ich vielleicht zeigen könnte. Man muss einfach jede Chance, die sich ergibt, sofort nützen - und man hat vielleicht nur ein, zwei Chancen im ganzen Jahr."

Frage: "So gesehen ist Giancarlo Fisichella als Teamkollege für dich ein Geschenk des Himmels, weil der ja als anerkannter Pilot und mehrfacher Grand-Prix-Sieger eine gute Messlatte für dich darstellt, nicht wahr?"
Sutil: "Ja, genau. Ich glaube, das ist sehr wichtig - da könnte ich sehr davon profitieren. Es ist auch ein entscheidendes Jahr deswegen. Letztes Jahr was es schwierig, dieses Teamkollegenduell zu bewerten. Ich denke, Albers war ein ganz guter Mann, aber er hatte am Ende einfach mit irgendwelchen Sachen Probleme."

Frage: "War er nicht mehr motiviert, Christijan Albers?"
Sutil: "Ja, ich will jetzt gar nicht so viel darauf eingehen. Und dann kam Markus (Winkelhock; Anm. d. Red.) rein - ohne Testtage. Konnte man auch nicht nehmen. Und auch Sakon (Yamamoto; Anm. d. Red.) war bestimmt nicht der Schnellste. Deshalb ist das kommende Jahr sehr wichtig, das ist auch ein sehr gutes Jahr für mich. Ich kann mich weiterentwickeln - und ich glaube, ich werde hier im Team ein gesundes Verhältnis zu Giancarlo haben. Ich glaube, wir werden uns gegenseitig pushen - und letztendlich, glaube ich, werde ich am Ende des Jahres davon profitieren können."