• 14.02.2008 20:44

  • von Michael Noir Trawniczek

Kolles: "Hoffe auf Gerechtigkeit und Klarheit"

Force-India-Teamchef Colin Kolles im Interview über Vijay Mallya, den Protest gegen die Kundenautos, die neuen Fahrer und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Eddie Jordan hat das Team gegründet - danach wurde es an den in Kanada lebenden russischen Millionär Alex Shnaider, an den holländischen Automobilbauer Spyker und zuletzt an den indischen Millionär und Fluglinienbesitzer Vijay Mallya und die niederländische Mol-Familie verkauft. Auch unter dem dritten Besitzer blieb Colin Kolles der Teamchef. Er hält das Team zusammen, er sorgt für Stabilität innerhalb des Rennstalls, der zuletzt alljährlich seine Farben wechselte.

Titel-Bild zur News: Colin Kolles

Colin Kolles zieht seinen Protest gegen Toro Rosso und Super Aguri nicht zurück

Im Interview am Rande der Testfahrten in Jerez erzählte Kolles, warum er glaubt, dass es mit dem neuen Teambesitzer und den neuen Einsatzpiloten Giancarlo Fisichella und Adrian Sutil endlich aufwärtsgehen wird.#w1#

Gut 80 Millionen Euro Budget

Frage: "Herr Kolles, Sie halten das Team beieinander, Sie stehen nun vor der nächsten Dekade, mit Vijay Mallya als neuem Teambesitzer. Wie stehen die Chancen, dass Sie Ihre ehrgeizigen Pläne aus dem Vorjahr nun wirklich umsetzen können?"
Colin Kolles: "Tja, als Dekade würde ich es nicht bezeichnen. Ich denke, dass unser Team die nächste Stufe emporklimmt. Wir haben mehr Budget, wir haben sehr professionelle, sehr zielstrebige Teilhaber. Jetzt müssen wir halt schauen, dass wir die Performance mit unseren Autos hinkriegen."

Frage: "Ihre Zusammenarbeit mit Vijay Mallya ist als ein Langzeitprojekt geplant?"
Kolles: "Davon gehe ich aus, ja. Er sagt auch, dass er es als solches sieht - und er ist sehr stark involviert in diesem Team, er möchte dieses Team zum Erfolg führen."

"Wir haben sehr gute Fahrer." Colin Kolles

Frage: "Sie haben Giancarlo Fisichella und Adrian Sutil als Stammpiloten, Vitantonio Liuzzi als Testfahrer - eine recht viel versprechende Kombination im Vergleich zu früher..."
Kolles: "Wir haben sehr gute Fahrer. Zu Fisichella braucht man nicht viel sagen, der war zweifacher Weltmeister mit dem Renault-Team, hat über 300 WM-Punkte eingefahren, hat mehrere Grands Prix gewonnen. Und Adrian ist ein junger Fahrer, der viel von ihm lernen kann."

Frage: "Eine gute Mischung..."
Kolles: "Eigentlich ja, schaut gut aus, würde ich mal sagen."

Frage: "Technikchef Mike Gascoyne ist auch höchst motiviert - kriegt der jetzt alles, was er will? In welcher Größenordnung kann man sich die Budgeterhöhung vorstellen?"
Kolles: "Ich denke, das Budget ist um ein paar Millionen größer geworden, es ist sehr substanziell. Man kann zwar nicht sagen, dass wir das Budget verdoppelt haben - aber es ist um 70 Prozent erhöht worden."

Frage: "Kann man sagen, dass man jetzt vom Budget her in einer Liga mit Williams oder Toro Rosso spielt?"
Kolles: "Nein, das kann man nicht vergleichen. Toro Rosso ist ja kein Konstrukteur und Williams hat eine andere Struktur als wir. Aber mit diesem Budget denken wir, dass wir alles abdecken können, was die Ingenieure, was Mike Gascoyne haben möchte."

Frage: "Mike Gascoyne hat bei Ihnen als alleiniger Technikdirektor mehr Freiheiten als bei Toyota, nicht wahr?"
Kolles: "Ich denke schon. Ich kann nicht beurteilen, wie sein Job bei Toyota war - ich kann nur sagen, dass er bei uns alle Freiheiten hat."

Drei Windkanäle im Betrieb

Frage: "Wie viele Windkanäle werden zurzeit benutzt?"
Kolles: "Drei."

Frage: "Da wird rund um die Uhr gearbeitet?"
Kolles: "Rund um die Uhr läuft nur unser eigener Windkanal, der läuft wirklich 24 Stunden am Tag. Und dann benutzen wir zusätzlich noch die Kanäle von Lola und Aerolab."

"Wir müssen natürlich schauen, dass wir so schnell wie möglich aufholen." Colin Kolles

Frage: "Künftig soll die Windkanalarbeit eingeschränkt werden, die Standardelektronik wurde eingeführt. Sind das alles Maßnahmen, die Ihnen dabei helfen können, ins Mittelfeld vorzustoßen?"
Kolles: "Diese Einschränkungen bei der Windkanalarbeit kommen ja erst in der Zukunft, im Moment ist die Windkanalarbeit ja noch nicht eingeschränkt - und wir müssen natürlich schauen, dass wir so schnell wie möglich aufholen. Und im nächsten Jahr gibt es wieder neue Regeln. Da muss man schauen."

Frage: "Ist in diesem Jahr wieder ein B-Auto zur Saisonmitte vorgesehen?"
Kolles: "Wir kriegen jetzt erstmal das neue Auto - da werden wir ja sehen, wie die Entwicklung läuft."

Frage: "Ich habe Sebastian Vettel gefragt, wer nun den neuen Toro Rosso tatsächlich baut. Da gibt es ja die Firma Red Bull Technology, die für den Bau der Red-Bull- und Toro-Rosso-Boliden verantwortlich zeichnet. Vettel wollte sich aber nicht näher dazu äußern. Ich nehme an, in Ihren Augen fährt Toro Rosso wieder mit einem Kundenauto, oder?"
Kolles: "Ich denke schon, ja. Deshalb führen wir auch unseren Einspruch gegen Kundenautos weiter."

Frage: "Wann wird es da eine Entscheidung geben?"
Kolles: "Ich denke, in den nächsten sechs Monaten werden wir da hoffentlich mehr wissen."

Ausschluss aus der WM nicht undenkbar

Frage: "Das heißt, auf der sportlichen Ebene müssen Sie das jetzt einmal akzeptieren und gegen die Autos von Toro Rosso und Super Aguri antreten. Die Ergebnisse können Sie ja im Nachhinein nicht mehr ändern - oder eigentlich schon, falls Sie Recht erhalten, oder?"
Kolles: "Doch - wie man bei McLaren-Mercedes im letzten Jahr gesehen hat, kann man doch auf einmal alle Punkte in der Konstrukteurswertung verlieren. Und man kann sogar aus der Meisterschaft ausgeschlossen werden."

Frage: "Und die anderen Fahrer könnten dann zumindest theoretisch auch aufrücken..."
Kolles: "Genau."

"Ich hoffe gar nichts." Colin Kolles

Frage: "Und Sie hoffen konkret, dass dies dann auch passieren wird?"
Kolles: "Ich hoffe gar nichts. Ich hoffe, dass Gerechtigkeit und Klarheit zustande kommen."

Frage: "Aber aus Ihrer Sicht sind zwei Teams der aktuellen Formel-1-Weltmeisterschaft mit Kundenautos unterwegs?"
Kolles: "Richtig."

Frage: "Zurück zum Sportlichen: Haben Sie für 2008 konkrete Ziele oder Vorgaben in Form von Platzierungen?"
Kolles: "Wir wollen halt mehr Punkte einsammeln als im Vorjahr. Im Moment kann man es nicht so genau sagen, weil man bei den Testfahrten nicht weiß, wer mit welchem Programm fährt. Man kann die Lage nur ungefähr abschätzen, aber ich denke, beim ersten Rennen in Melbourne werden wir wissen, wo wir stehen."

Frage: "Hat Spyker eigentlich von dem Formel-1-Projekt profitiert? Zumindest in Sachen Bekanntheitsgrad?"
Kolles: "Das müssen Sie Spyker fragen."

Frage: "Gibt es keinerlei Verbindung mehr zu Spyker?"
Kolles: "Gar keine."

Frage: "Ihre Teammitglieder haben diese Besitzerwechsel alle mitgemacht?"
Kolles: "Ja, genau, so kann man das sagen - es kommen jetzt aber neue Mitarbeiter dazu."

Frage: "Sie rüsten also auf. Wie viele Mitarbeiter werden dazukommen?"
Kolles: "Wir sind intern im Moment bei 250 Leuten. Dann kommen noch die Leute in den verschiedenen Windkanälen dazu. Wenn man das alles zusammenzählt, sind es ungefähr 300 Leute."

Frage: "Letzte Frage: Ich glaube es war im Vorjahr, da hatte einer Ihrer Fahrer Zahnschmerzen und Sie haben ihn als studierter Zahnarzt spontan behandelt. Haben Sie da immer so einen kleinen mobilen Behandlungskoffer mit im Gepäck?"
Kolles: "Nein, da habe ich extra meine Eltern angerufen und die haben das dann schicken lassen. Das war so ein kleines mobiles Behandlungsset - das habe ich aber nicht immer dabei."

Frage: "Wenn jetzt ein Teammitglied Zahnschmerzen bekommen würde?"
Kolles: "Dann kann ich mit ihm in die Klinik fahren (lacht; Anm. d. Red.)!"