• 27.08.2011 19:17

  • von Dieter Rencken

Senna: "Ich hatte eine Menge zu verlieren"

Der vom Renault-Team zum Stammfahrer beförderte Brasilianer im Gespräch über sein Qualifying, die Erwartungen an sein Talent und wieso er sich vorsichtig gibt

(Motorsport-Total.com) - Frage: "War dies das, was du dir erhofft hattest, als du heute Morgen aufgewacht bist?"
Bruno Senna: "Viel besser, aber ich wusste nicht, was ich erwarten kann, um ehrlich zu sein. Nachdem ich heute Morgen im Nassen Neunter war und es klare Bedingungen in Bezug auf die Tatsache waren, dass jeder auf die Strecke ging und Runden fuhr, war ich zuversichtlich, dass ich im Nassen gute Arbeit leisten kann."

Titel-Bild zur News: Bruno Senna

Senna ist nach seinem Ausrutscher am Freitag noch ein guter Start gelungen

"Als sich die Bedingungen für das Qualifying veränderten, und die Wettervorhersage sagte, dass es womöglich trocken ist, wurde ich etwas nervöser. Ich wusste, dass es für mich gestern in trockeneren Bedingungen sehr, sehr schwierig war."

"Es war für mich alleine schon ein massiver Sieg, in den dritten Qualifying-Durchgang gekommen zu sein, besonders auf den letzten paar Runden, denn um ehrlich zu sein, hatte ich in dieser Situation eine Menge zu verlieren."

"Ich wollte mir keinen Fehler leisten, abfliegen und einen Unfall bauen. Aus diesem Grund habe ich nicht 100 Prozent Druck gemacht. Aber ich machte dort Druck, wo ich wusste, dass ich Druck machen kann, und reduzierte mein eigenes Ausbremsen ein bisschen. Wo sich andere Leute Fehler erlaubt haben, habe ich keine gemacht, das ist das Ergebnis."

Frage: "Wie groß ist der Unterschied, von der siebten Position zu starten im Vergleich zu dem, was du die gesamte vergangene Saison erlebt hat?"
Senna: "Ich habe wirklich gute Erinnerungen daran, als ich in der GP2 immer in den Top 5 kämpfte. Das Rennen morgen wird also eine völlig andere Angelegenheit. Ich erwarte nicht, dass ich in das Auto steige, nach vorne komme, und auf das Podium gelange."

"Aber ich freue mich auf das morgige Rennen, denn ich werde eine Menge lernen. Ich habe heute gelernt, und in jeder Runde, die ich mit dem Auto fahre, fühle ich mich in ihm und mit dem Team wohler."

"Im Qualifying hatte ich ein Problem mit KERS und ich musste es ständig ein- und ausschalten. Das Letzte, was ich auf einer Qualifying-Runde wollte ist, es ein- und auszuschalten. Schlussendlich funktionierte KERS und ich hatte kein allzu großes Problem. Aber im ersten und im zweiten Qualifying-Durchgang hatte ich es. Dies zeigt, dass ich mit den Prozeduren schon ganz gut zurechtkomme."

Frage: "Wie sehr kannst du das volle Potenzial des Autos noch nicht ausschöpfen?"
Senna: "Es wird mit jedem Rennen besser und besser werden. Wenn man sich die Starts in das Rennen, die Boxenstopps und alles anschaut, dann werde ich da nicht alles geben, denn es gibt noch Zweifel darüber, was das Auto in diesen Situationen leisten kann."

"Dies betrifft auch die maximale Leistung des Autos. Ich weiß nicht genau, welche Richtungen ich einschlagen muss, wenn ich in Bezug auf die Balance des Autos einen limitierenden Faktor erreiche. Da verlasse ich mich im Moment natürlich massiv auf das Team. Bisher haben wir ein paar wirklich gute Entscheidungen gefällt, die Balance des Autos war in beiden Situationen sehr gut. Aber man kann nicht von mir erwarten, dass ich bei meiner ersten Ausfahrt schon alles weiß."

Frage: "Denkst du, dass du viele Leuten bewiesen hast, dass sie falsch lagen, als sie dich vergangene Saison infrage gestellt und Zweifel an dir hatten?"
Senna: "Es war natürlich ein guter Start, aber es waren sehr schwierige Bedingungen. Einige Fahrer sind in trockenen Bedingungen schneller. In diesen Bedingungen schien ich glücklicherweise sehr schnell gewesen zu sein, aber es gibt noch eine Menge zu beweisen. Ich möchte als gut betrachtet werden, und wenn dies der Fall sein kann, dann kann ich meine Karriere machen."

Frage: "Wie gut ist es, dass du dich vor deinem Teamkollegen qualifiziert hast?"
Senna: "Es ist natürlich großartig, deinen Teamkollegen im Qualifying zu schlagen. Witali hat sich unglücklicherweise einen kleinen Fehler erlaubt, ich möchte aus diesem Grund morgen gegen ihn weitere Vergleiche sehen."

"Mit Sicherheit behält er morgen die Oberhand wegen seiner Erfahrung über mich, wenn das Rennen trocken ist. Aber um noch einmal auf die Erwartungen zurück zu kommen, alles ist wirklich gut verlaufen. Morgen habe ich eine weitere Lernkurve vor mir, ich muss das Schritt für Schritt angehen."

Frage: "Was hat dir das Team gesagt, was du im Qualifying machen sollst?"
Senna: "Sie waren in Bezug auf unsere Geschwindigkeit im Nassen sehr zuversichtlich, sie haben mir also nicht wirklich etwas gesagt. Im dritten Qualifying-Durchgang war ich derjenige, der ihnen sagte, dass ich nicht allzu hart Druck machen würde. Und sie sagten 'Okay!'. Wir wussten, dass die Situation mit den Slicks in den feuchten Bedingungen sehr knifflig war. Sie haben die Erwartungen also etwas reduziert, schlussendlich war das wirklich gut."


Fotos: Bruno Senna, Großer Preis von Belgien


Frage: "Wie sehr verbessert das dein Selbstvertrauen bezüglich deiner möglichen Leistung?"
Senna: "Ich kann mich über das Qualifying wirklich nicht beschweren, schließlich stehe ich in meinem ersten Rennen in der Mitte der Saison in den Top 10. Ich kenne diese Strecke jedoch sehr gut, es ist für mich eine sehr gute Strecke. Es gibt andere Kurse, die für mich nicht so eine klare Sache sind. Ich muss mehr lernen, aber ich weiß, dass ich auf die Unterstützung der Jungs zählen kann."

Frage: "Ist es fair, morgen eine weitere Platzierung von dir in den Punkten zu erwarten?"
Senna: "Sollte ich morgen in die Punkte kommen, würde ein Traum wahr werden."

Frage: "Seitdem du in die Formel 1 aufgestiegen bist, hast du zwei sehr komplizierte Jahre hinter dir. Du hättest 2009 fast das Cockpit bei Brawn bekommen. Wie sehr muss sich dies für dich als verlorene Chance anfühlen..."
Senna: "Wenn du zurückblickst und sagst wenn, wenn, wenn, dann kannst du wohl häufig wenn sagen. Wenn man viel, viel weiter zurückblickt, dann hätte ich wohl eine andere Karriere gehabt, wenn Ayrton nicht verstorben wäre. Ich muss einfach mit der Arbeit zurechtkommen. Und glücklicherweise bin ich mit der sehr geringen Erfahrung im Vergleich zu den Jungs um mich herum konkurrenzfähig. Das ist für mein Selbstvertrauen gut."

Frage: "Wie schwierig war es gewesen, mit der Vorbereitung umzugehen und mit den Behauptungen, dass du nur wegen des Geldes hier bist. Wie bist du damit umgegangen?"
Senna: "Der einzige Weg, um auf solche Dinge zu antworten, ist gut zu fahren. Ich denke, dass ich heute gute Arbeit geleistet habe, das reduziert einige Fragezeichen. Aber jedes Mal, wenn ich das Auto fahre, muss ich dies tun, bis sich ein professioneller Formel-1-Fahrer bin (lacht)."

Frage: "Dein Teamchef Eric Boullier hat gesagt, dass einer der Gründe, warum er dich verpflichtet hat, die Tatsache ist, dass er das Team wachrütteln will und wieder ein paar lächelnde Gesichter sehen möchte. Hast du das Gefühl, dass seine Entscheidung gerechtfertigt war?"
Senna: "Eric war schon zusammen mit mir in der GP2 und er weiß, dass ich konkurrenzfähig sein kann. Also hat er mir großes Vertrauen geschenkt, als er mich in das Auto gesetzt hat. Das erste Mal, als er mich als dritten Fahrer in diesem Jahr wählte und dann, als er mich an diesem Wochenende in das Auto gesetzt hat und das vergangene Wochenende in Ungarn. Ich hoffe, dass ich ihn stolz machen kann. Denn diese Möglichkeiten tauchen nicht überall und die ganze Zeit auf. Ich hänge mich also wirklich sehr rein."

Frage: "Bedeutet es dir überhaupt etwas, in einem schwarz-goldenen Auto mit einem gelben Helm zu sitzen?"
Senna: "Das ist sehr speziell, besonders, wenn es gut läuft!"

Frage: "Glaubst du, dass du das Cockpit bis zum Ende der Saison behalten kannst?"
Senna: "Das hoffe ich. Ich denke, dass die Chance vorhanden ist. Aber ich habe selbst das Gefühl, dass ich das Vertrauen des Teams rechtfertigen muss, das es in mich gesteckt hat. Und das ist ein großartiger Start. Alle sind glücklich, aber alle sind im Moment noch vorsichtig, denn morgen ist ein anderer Tag, und man gerät schnell in Probleme. Ich werde aus diesem Grund versuchen, morgen ein gutes Rennen zu haben."

Frage: "Wie sehr spürst du, dass du für den Familiennamen Senna fährst?"
Senna: "Das ist schwierig zu sagen. Meine Mutter ist sehr glücklich, und meine Großeltern sind auch sehr glücklich. Ich nehme also an, dass ich den Namen Senna mit Stolz erfülle."

Frage: "Wie bist du unter solchen Umständen so cool geblieben?"
Senna: "Ich bin nicht sehr cool."