Sebastian Vettel war dem Rücktritt "nahe": "Muss zuerst an mich denken"
Sebastian Vettel spricht über die Hintergründe seines Wechsels zu Aston Martin: Er stand durchaus kurz vor dem Rücktritt, glaubt aber an sein neues Team
(Motorsport-Total.com) - Wer hätte noch vor drei Monaten gedacht, dass Sebastian Vettel 2021 Teamkollege von Lance Stroll werden würde? Vor dem Saisonstart schien der Deutsche bei Ferrari noch fest verankert zu sein, und dass Sergio Perez mit seinem frischen Dreijahresvertrag Racing Point verlassen würde, erschien auch ziemlich unwahrscheinlich. Seit gestern herrscht aber Gewissheit: Sebastian Vettel fährt 2021 für Aston Martin.
© Racing Point
Sebastian Vettel stellt sich 2021 einer neuen Herausforderung in der Formel 1 Zoom
"Es ist natürlich gut, Klarheit zu haben, wo die Reise nächstes Jahr hingeht", sagt Vettel, der in den vergangenen Wochen medial zwischen Aston Martin, Red Bull und Rücktritt gependelt ist. Für ihn stand jedoch fest, dass er gerne in der Formel 1 bleiben würde, wenn die Bedingungen passen - und bei Aston Martin scheinen sie für ihn zu passen. "Ich freue mich auf jeden Fall auf die Aufgabe und auf das nächste Jahr mit dem Team", so Vettel bei 'Sky'.
Bei Ferrari scheint sich der viermalige Weltmeister aktuell nicht mehr zu freuen: "I mog nimma", waren seine Worte nach dem Ausfall in Monza. Doch das bezog sich nur auf die aktuelle Situation, nicht auf die Formel 1 generell. Gerüchten zufolge soll sich Vettel zum Wechsel entschieden haben, als er in der Vorwoche in Monza lange im Qualifying zuschauen musste.
Ausgerechnet zum Ferrari-Jubiläum
Doch Vettel sagt: "Es war mit Sicherheit keine Entscheidung, die ich so plötzlich gefällt habe. Sondern ich habe mir das sehr gut und lange überlegt." Dieser Prozess sei für ihn "sehr anstrengend" gewesen, doch irgendwann kam der Moment, in dem er sich final entschieden hat. Und das sei gar nicht so lange her gewesen.
Sebastian Vettel zu Aston Martin: Die Hintergründe
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"Sicherlich, seit der definitiven Entscheidung bis heute ist nicht viel Zeit vergangen. Was mehrheitlich damit zu tun hat, dass Sergio gestern das Verlassen des Teams schon angekündigt hat", so Vettel am Donnerstag. "Deswegen macht es dann nicht viel Sinn, dann noch lange zu warten."
Die Bombe platzte ausgerechnet in Mugello, wo Ferrari seinen 1.000 Formel-1-Grand-Prix feiert. Die Nachricht von Vettel überschattet die Feierlichkeiten der Scuderia natürlich. Vettel selbst fühlt sich deswegen aber nicht komisch, wie er sagt: "Es waren mehr die Umstände drumherum, die dazu geführt haben", winkt er ab. Spötter sagen auch: Ferrari freut sich, dass die Beachtung von ihnen gelenkt wird.
Vettel: Der Anspruch ist, weit vorne zu sein
Doch Vettel sagt: "Ich glaube, es ist letzten Endes nicht entscheidend das Wann, sondern viel entscheidender ist das Was und Wieso." Jetzt steht der Fakt, dass er seine Formel-1-Karriere fortsetzen wird und mit Aston Martin auf gute Resultate hofft. Der Rennstall ist 2020 in guter Form, was für viele jedoch am RP20 liegt, der auffällige Ähnlichkeiten mit dem Mercedes W10 aufweist.
"Es wurde mehr und mehr deutlich, dass die Performance des Teams sehr ermutigend war", sagt Vettel. "Es geht darum, dass wir vorne dabei sein wollen, und den Anspruch teilt das Team und den Anspruch teile ich. Natürlich wissen wir alle, dass im Moment die Favoritenrolle ganz klar bei Mercedes liegt. Dahinter geht's aber sehr eng zu."
"Das Ziel ist natürlich, in Zukunft den Abstand zu verringern und dafür zu sorgen, dass man möglichst als Erster oder als nächster Verfolger dran ist", so der Deutsche weiter. Wie viel Zeit sich der Ex-Weltmeister dafür gibt, ist nicht bekannt, doch Vettel betont, dass das Projekt "auf längere Zeit angesetzt" ist. "Wer die Formel 1 kennt, der weiß, dass da keine Wunder zu erwarten sind über Nacht."
Aston Martin gut aufgestellt
"Schritte nach vorne passieren nur, wenn man viel und gemeinsam in die richtige Richtung arbeitet. Ich glaube, die Rahmenbedingungen sind gegeben. Jetzt wird sich zeigen, was wir draus machen."
Mit den Rahmenbedingungen meint Vettel neben der aktuellen Form die Zukunftsaussichten, die er für rosig hält. Das Team sei schon jetzt bereits besser aufgestellt als in den vergangenen Jahren, obwohl die Budgetgrenze erst im kommenden Jahr greift und die Teams in Zukunft noch näher zusammenführen soll. "Das Team wächst, während andere Teams schrumpfen müssen", sagt Vettel. "Es gibt viele Dinge, die mich zuversichtlich und glücklich machen."
Ob es auch der richtige Zeitpunkt ist, werde sich zeigen, betont er weiter. "Aber ich bin sicher, dass wir in naher Zukunft um gute Ergebnisse kämpfen werden. Was danach in der Zukunft passiert, werden wir sehen."
Protest spielte keine große Rolle
Allerdings gibt es auch negative Aspekte, die Vettel nicht beiseite wischen kann. Lange Zeit schwebte das Damoklesschwert des Protestes über dem Racing-Point-Team. Die hinteren Bremsbelüftungen wurden als Kopie von Mercedes und damit illegal deklariert, dürfen aber 2020 weiter eingesetzt werden.
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Sebastian Vettel möchte mit Aston Martin vorne mitmischen Zoom
Zumindest ist weiteres Unheil erst einmal vom Tisch, da alle Teams ihre Protestabsicht gegen das Urteil zurückgezogen haben. Auch hierbei wird häufig gesagt, dass Vettel erst einmal den Ausgang abwarten wollte, bevor er sich zu Aston Martin bekennt. Doch der Deutsche betont: "Für mich hat das keine große Rolle gespielt."
Ihn habe stattdessen überzeugt, dass es das Team in den vergangenen Jahren auch mit geringem Budget immer wieder mit den großen Rennställen aufnehmen konnte. "Sie haben sich unheimlich gut geschlagen." Und nun sieht er noch genügend Potenzial für Wachstum in der Mannschaft, der er mit seiner Erfahrung so gut es geht helfen möchte.
Wie nah am Rücktritt?
"Es gibt definitiv Hoffnung und Glaube in das Team und die Leute. Ich denke, sie sind fähig", betont Vettel. "Und zum ersten Mal sind sie mit ordentlichen Mitteln ausgestattet."
Die Hoffnung auf gute Ergebnisse lebt bei ihm also. Und das hat seine Formel-1-Karriere erst einmal am Laufen gehalten. Denn es gab durchaus auch Szenarien, in denen der viermalige Weltmeister den Helm an den Nagel hätte hängen können. Da sei es durchaus auch knapp davor gewesen.
"Ich muss zuerst an mich denken. Was ist das Beste für mich", sagt der Noch-Ferrari-Pilot. "Und was ich jetzt entschieden habe, halte ich für das Beste für mich. Ich freue mich darauf, das auch zu beweisen."
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