Sebastian Vettel über Klima: Will niemanden etwas verbieten, aber ...
Ex-Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel hat sich in einem jüngsten Interview über die Nachhaltigkeit der Formel 1 und die Zukunft der Automobilindustrie geäußert
(Motorsport-Total.com) - Der vierfache Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel hatte schon gegen Ende seiner aktiven Formel-1-Zeit sein neues Herzensthema gefunden: Umweltschutz. Mehr als ein halbes Jahr nach seinem Rücktritt aus der Königsklasse hat sich der Deutsche gegenüber 'The Red Bulletin' über die aktuelle Nachhaltigkeitslage der Formel 1 sowie im Automobilsektor generell geäußert und dabei zu mehr Taten aufgefordert.
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Sebastian Vettel in der Pressekonferenz vor dem Mexiko-Grand-Prix 2022 Zoom
Ein großes Problem stellt dabei die Flugindustrie dar, da anders als in der Automobilindustrie eine Umstellung auf Elektroantriebe in naher Zukunft wohl nicht möglich und praktikabel ist. Welche Technologien werden die Zukunft des Logistiksektors also gestalten?
"Im großen Bild: künstliche Intelligenz", sagt Vettel. "In der Mobilität ist der Wandel zur E-Mobilität der erste Schritt - aufgrund des im Moment noch unschlagbaren Wirkungsgrades. Wasserstoff ist superspannend. Generell glaube ich nicht an die eine einzige Lösung, sondern an eine Kombination vieler Bausteine."
Vettel: "Muss man für 3 Tage nach New York fliegen?"
"Nach meinem Wissensstand steht der Umstieg auf Elektro in der Flugindustrie nicht so unmittelbar bevor wie bei den Autos. Daher braucht es hier ein anderes Denken. Ohne die Freiheit einzuschränken zu wollen: Muss man für 3 Tage nach New York fliegen?", fragt sich der Heppenheimer.
"Ja, es gibt tatsächlich Menschen, für die das notwendig ist. Aber bloß zum Vergnügen? Ich bin der Letzte, der irgendjemandem etwas verbieten will, aber wer sich des Gesamtbildes bewusst ist und weiß, wie viele Menschen unter dem Klimawandel bereits heute leiden, dem stellt sich diese Frage wahrscheinlich schon heute nicht mehr."
Was die Formel 1 angeht hat Vettel ebenfalls eine klare Meinung, denn der Sport könnte noch viel mehr für den Umweltschutz tun. Zwar wird die Formel 1 ab 2026 mit synthetischen Kraftstoffen fahren, doch wie auch bei anderen Sportarten ist die Logistik der größte Faktor für den C02-Ausstoß. Neben all der Teams und Mitarbeiter an den Formel-1-Events reisen auch zu jedem Grand Prix hunderttausende Fans, vorwiegend mit Flugzeug und Auto an die Strecken.
Vettel: Synthetischer Kraftstoff kommt zu spät
"Die Formel 1 war immer ein Technologievorreiter", meint Vettel, doch: "Aktuell ist die Frage, wie serienrelevant die hoch komplexe und spannende aktuelle Antriebstechnologie ist. Hier könnte man mehr tun. Doch E-Antrieb ist in absehbarer Zeit nicht F1-tauglich. Dafür sind die Rennen zu lang, und der geforderte Power-Output ist zu hoch."
"Gewicht spielt in der Formel 1 auch immer eine große Rolle, auch darum ist E-Antrieb nicht praktikabel. Daher sind kurzfristig synthetische E-Fuels unabdingbar. Dass das ab 2026 passiert, ist gut - ab sofort wäre besser."
"Aber ja, noch wichtiger ist, die Emissionen rundum in den Griff zu bekommen: Wie kommen die Teams zur Strecke? Klar wäre es toll, wenn alle mit dem Fahrrad anreisen. Ungleich mehr brächte aber, den Kalender in Ordnung zu bringen. Kreuz und quer durch die Welt zu fliegen und dazwischen immer wieder für ein paar Tage nach Europa hat keinen Sinn und auch keinen Spaß."
"Wie kommen die Fans an die Strecke? Was wird dort konsumiert, welche Ideale werden gelebt? Wasser sollte meiner Meinung nach etwas sein, das jedem zu jeder Zeit zur Verfügung steht. Braucht es diese Plastikbecher überall? Ich finde, Veranstalter von Groß-Events haben die Verpflichtung, sich diesen Fragen zu stellen. Man beginnt bei den großen Dingen und kommt bei den kleinen raus", erklärt Vettel.
Welche Autos fährt Sebastian Vettel privat?
Das Thema Zukunft der Autos bleibt also nicht nur in der Formel 1 spannend, doch welche Autos fährt Sebastian Vettel eigentlich? "Porsche Taycan, also elektrisch, und einen VW-Bus mit Verbrennungsmotor", sagt er. "Der Bus hat den Vorteil, dass von Fahrrad bis Kinder alles reinpasst. Doch ich finde, dass ein entscheidender Faktor in der - sehr spannenden - aktuellen Mobilitätsdiskussion untergeht."
"Viele fragen sich: Was darf ich nicht mehr? Die wichtigere Frage ist doch: Wie könnte es in Zukunft besser aussehen? Wenn ich nach vorn blicke, sehe ich lebenswertere Städte als heute. Wenn ich mir vorstelle, dass öffentlicher Verkehr dichter und flüssiger passiert, wenn die Alternative Bahn besser wird als heute, stellt sich die Frage nach Auto oder Flugzeug vielleicht gar nicht mehr."
Vettel erklärt: Warum Wandel immer etwas Positives ist
"Sobald das Angebot stimmt, wird die Mehrheit mitziehen. Vielen fehlt die Vision von Verbesserung. Davon, dass das gut wird. Veränderung macht ihnen erst mal Angst. Es braucht Fantasie, wie es künftig besser sein wird als heute."
Dabei zieht Vettel einen Vergleich zur Veränderung in der Arbeitswelt, da die starke Zunahme von Homeoffice auch weniger Pendler und daher einen geringeren CO2-Austoß zur Folge hat: "Genau. Veränderung sollte man als etwas Positives wahrnehmen", betont er.
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"Der Wandel ist längst angelaufen. Es ist keine Frage des Ob, nur noch eine Frage des Wann. Da gibt es keine Zweifel mehr. Die Mehrheit versteht das auch. Jetzt geht es ans Gestalten und Machen. Das ist vielleicht etwas schwieriger, aber da braucht es eben Mut, etwas auszuprobieren. Wie etwa Arbeit zu Hause."
Vettel fügt noch ein weiteres Beispiel an: "Noch in meiner Generation haben deutlich mehr Jugendliche den Führerschein gemacht als heute, weil das Auto kein so zentrales Thema mehr ist. In der Väter-Generation war noch völlig klar, dass man Führerschein macht und ein eigenes Auto besitzt. Wandel geschieht. Skeptiker gab es schon beim Umstieg von der Pferdekutsche aufs Auto."
Vettel über Gewissensbisse: Müssen Alternativen hervorheben
Bereits zu seiner aktiven Formel-1-Zeit war Vettel bekannt dafür, in seiner Freizeit an alten Motorrädern rumzuschrauben und die ein oder andere Spritztour zu unternehmen. Der 36-Jährige bestätigt, dass er dies auch heutzutage noch "ab und zu" tut, er jedoch einige Gewissensbisse hat.
Auf die Frage, ob er selbst einfach mal nur zum Spaß herumfährt, antwortet er: "Ja, ab und zu mit meinen alten Motorrädern. Das macht mir schon noch immer sehr viel Freude. Andererseits verstehe ich Menschen, die die Klimakatastrophe als existenzielle Bedrohung für sich begreifen. An diesem Balanceakt, mich nicht von einer Angst leiten zu lassen und den Moment genießen zu können, arbeite ich persönlich sehr stark."
"Auch hier: Ich finde es wichtig, nicht von Verbot und Verzicht zu reden, sondern die Alternativen hervorzuheben, und die gibt es ja oft schon. Motorräder lassen sich mit synthetischen Kraftstoffen betreiben. Die produzieren zwar noch immer Schadstoffe, aber nur so viele, wie vorher gebunden wurden."
"Von Biofuels bin ich kein Fan. Hier wird Land genutzt, um Futter anzubauen, um daraus Treibstoff herzustellen - nicht so der Hit. Das können wir besser. Autos und Motorräder sind Kulturgut. Viel Gutes ist daraus entstanden. Wir sollten sie nicht abschaffen, sondern am Leben erhalten. Motorsportfans muss man ohnehin nicht erklären, wie großartig es sich anfühlt, wenn ein V8 angeschmissen wird. Da spürt man was. Wir müssen es bloß besser gestalten."
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