• 27.10.2009 09:51

  • von Stefan Ziegler

Rosberg: "Ich erhoffe mir ein Siegerauto"

Williams-Pilot Nico Rosberg über das Renndebüt von Abu Dhabi, sein Saisonfazit 2009 und die Aussichten für das kommende Formel-1-Rennjahr

(Motorsport-Total.com) - Nico Rosberg betrieb in dieser Saison Werbung in eigener Sache: Der deutsche Rennfahrer wusste mit seinem Williams-Boliden nahezu auf jeder Rennstrecke im Kalender der Formel 1 zu überzeugen und konnte in den bisherigen Grands Prix satte 34,5 WM-Zähler einfahren. Nur bei vier Gelegenheiten verpasste der Youngster die Punkteränge, beim vergangenen Rennen in Brasilien machte die Technik schlapp. Im Mediengespräch erzählt Rosberg von seinen Zukunftswünschen in der Formel 1.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Nico Rosberg sieht seiner Zukunft in der Formel 1 sehr zuversichtlich entgegen

Frage: "Nico, wie siehst du deine Chancen beim Großen Preis von Abu Dhabi, zumal du beim Rennen in Brasilien vorzeitig ausgeschieden bist?"
Nico Rosberg: "In Brasilien befanden wir uns eigentlich in einer sehr guten Position. Ich hätte dort vielleicht mein erstes Podium in diesem Jahr einfahren können. Ich lag schließlich an vierter Stelle und Barrichello ist dann noch zurückgefallen. Es war daher sehr schade, dass wir noch Getriebeprobleme bekommen haben."#w1#

"Ich erhoffe mir für Abu Dhabi, noch einmal angreifen zu können. Ich denke, wir haben einfach das Problem, dass wir in diesem Jahr auf den Geraden etwas langsam sind - vom gesamten Paket her. Abu Dhabi hat wieder einige längere Geraden. Die Top 5 oder Top 6 sind meiner Meinung nach aber auf jeden Fall möglich. Das wäre auch eine gute Ausgangsbasis. Für uns ist es jetzt nämlich wichtig, den sechsten Platz in der Konstrukteurswertung zu halten."

"2,5 Punkte hinter uns liegt das BMW Sauber F1 Team und da müssen wir etwas aufpassen, dass die uns nicht mehr überholen. Ich selbst belege den siebten Rang in der Fahrerwertung. Damit kann man eigentlich recht zufrieden sein. Das ist für uns sehr wichtig. Vor zwei Tagen war ich im Williams-Simulator. Die haben die gesamte Strecke dreidimensional gescannt und auf den Computerbildschirm gebracht."

"Sogar sämtliche Gebäude - alles ist einhundert Prozent realistisch. Egal, wo ich auf diesem Bildschirm hinschaue: Es ist genau so, wie es in echt auch ist. Die Strecke sieht gut aus. Sie ist jetzt nichts Besonderes, etwa so wie Valencia. Es ist keine besondere Strecke. Es wird sicher gut sein. Das ganze Drumherum wird sicherlich genial. Insgesamt wird das gewiss ein toller Event. Darauf freue ich mich in jedem Fall."

Talent ist nach wie vor gefragt

Frage: "Experten sagen, dass Erfolg in diesem Sport direkt mit dem Auto zu tun hat. Was hältst du davon? Wie viel Talent braucht man dafür?"
Rosberg: "Ich denke, diese Saison war ein gutes Beispiel dafür. Ein Jenson Button, der im vergangenen Jahr Letzter und bereits von jedem abgeschrieben war, ist in diesem Jahr starker Weltmeister geworden. Das war ein sehr gutes Beispiel, wie ich finde."

"Es war auch gut für unseren Sport und für uns Fahrer, dass man sieht, wie wichtig das Auto ist in diesem Sport. Du kannst als Fahrer natürlich den Unterschied machen, aber das Auto ist dennoch nach wie vor extrem wichtig und wahrscheinlich das Wichtigste, um vorne mitzufahren."

Frage: "Heißt das, dass die Fahrer austauschbar sind und dass Talent nicht mehr so wichtig ist?"
Rosberg: "Ich denke, das Talent ist genauso wichtig wie früher. Da hat sich jetzt nichts geändert. Früher waren die Autos auch schon sehr anders. Die Fahrer sind nicht austauschbar, denn es gibt bessere und schlechtere Piloten. Der Unterschied zwischen dem besten Auto und dem schlechtesten Auto ist aber viel größer als der Unterschied zwischen dem besten Fahrer und dem schlechtesten Fahrer."

Frage: "Du fährst 2009 deine beste Saison. An was liegt das?"
Rosberg: "Das kommt hauptsächlich daher, dass Williams mir in diesem Jahr ein sehr gutes Auto gegeben hat. Sehr gut war es nicht, aber gut. 'Sehr gut' deswegen nicht, weil das bedeuten würde, dass man Rennen gewinnt. Das war in diesem Jahr bei weitem nicht möglich. Sie haben mir aber ein gutes Auto gegeben."

"Schön war auch, dass ich wusste, in die Top 6 oder Top 5 fahren zu können, egal wo wir waren. Das hat sehr viel Konstanz reingebracht. Wenn die Konstanz da ist, dann ist das auch einfacher für den Fahrer. Es kommt eine gewisse Routine rein und dann läuft das einfach. So war das in diesem Jahr bei mir und deswegen bin ich ganz zufrieden damit."

Herausforderung Formel 1 2010

Frage: "Im kommenden Jahr verlangt das Reglement neue Qualitäten von den Fahrern: Es gibt keine Tankstopps mehr und die Piloten müssen sich das Rennen über die Distanz genau einteilen. Freust du dich darauf?"
Rosberg: "Ich denke, das ist zunächst einmal eine gute Sache für die Sicherheit. Wir haben das erst beim vergangenen Rennen wieder gesehen. Das hätte für den Kimi wirklich schlecht ausgehen können. Im Hinblick auf die Sicherheit ist diese Änderung also ganz gut. Die Rennen werden dann etwas anders sein."

"Mein Vater sagt mir ja: 'Dann sieht du einmal, wie es ist, mit einem richtigen Rennwagen zu fahren.' 2010 werden wir am Anfang 200 Kilogramm Sprit an Bord haben. Das wird ziemlich interessant. In der Qualifikation quasi ohne Benzin und beim Rennen mit vollem Tank - das wird etwas komplett anderes sein."

"Am Anfang wird es sehr schwierig sein, sich daran zu gewöhnen. Wenn du so viel Sprit an Bord hast, dann sind die Bremspunkte so viel früher, die Kurven sind viel langsamer und du fährst ganz anders. Am Start direkt zu attackieren wird sehr schwierig."

Frage: "Was sind deine beruflichen Ziele?"
Rosberg: "Beruflich erhoffe ich mir für das kommende Jahr ein Siegerauto. Das wäre richtig klasse. Ich bin jetzt vier Jahre in der Formel 1 und es wäre schön, wenn ich jetzt diesen Schritt machen könnte, ein Siegerauto zu bekommen, 2010 Rennen zu gewinnen und vielleicht um die WM zu fahren. Ich bin momentan ganz guter Dinge, dass das klappt. Das ist mein berufliches Ziel."

Kein Kommentar zur Zukunftsfrage

Frage: "Welches Auto kann deiner Meinung nach im kommenden Jahr um die WM fahren? Wie viele Fahrzeuge könnten das sein?"
Rosberg: "Das ist sehr schwierig. Ich glaube, dass die vier besten Teams aus dieser Saison auch im kommenden Jahr vorne sein werden. Vielleicht gibt es noch ein Team, das dazurutschen kann. Diese vier Teams werden es 2010 aber wieder untereinander ausmachen."

"Ich glaube, dass die vier besten Teams aus dieser Saison auch im kommenden Jahr vorne sein werden."Nico Rosberg

Frage: "Du willst 2010 in einem Siegerauto sitzen. Heißt das dann, dass du Williams verlassen wirst?"
Rosberg: "Kein Kommentar."

Frage: "Macht es für dich einen Unterschied, welche Fahrer welche Verträge bekommen? Spielt der Fahrermarkt für deine persönliche Entscheidung eine Rolle - ob zum Beispiel ein Jenson Button irgendwo unterkommt?"
Rosberg: "Kein Kommentar."

Frage: "Wie sieht deine Kontaktpflege zu Norbert Haug aus?"
Rosberg: "Dazu kann ich recht wenig sagen, denn ich kenne Norbert schon sehr lange - durch meinen Vater."

Papa Keke als Ratgeber für Nico

Frage: "Es heißt, dass Nico Hülkenberg und Rubens Barrichello 2010 für Williams antreten könnten. Was würdest du von diesem Fahrerduo halten?"
Rosberg: "Ich kann die Fahrer individuell einschätzen: Nico ist Testfahrer bei uns gewesen und hat meistens einen guten Eindruck hinterlassen. Nicht immer, aber meistens. Er ist in diesem Jahr in der GP2 sehr ordentlich gefahren. Er hat es sicherlich verdient, eine Chance in der Formel 1 zu erhalten."

"Barrichello hat eine sehr gute zweite Saisonhälfte hingelegt. Seine erste Jahreshälfte war im Vergleich zu seinem Teamkollegen recht schwach. Da war er etwas unkonstant, ist aber sicher sehr, sehr schnell. Sein Alter ist im Moment wohl kein Problem."

Frage: "Wäre diese Fahrerpaarung für Williams tendenziell eine gute Sache?"
Rosberg: "Kein Kommentar."

Frage: "Welche Rolle spielt dein Vater bei den Vertragsverhandlungen? Holst du dir bei ihm einige Ratschläge?"
Rosberg: "Mein Vater hilft mir sehr viel und ich nutze seine Ratschläge auch sehr, sehr gerne. Ich weiß, dass er in diesem Bereich, dem Fahrermanagement, einer der Besten ist."

"Deswegen kann er mir dazu sehr gute Tipps geben und mir weiterhelfen - auch wenn ich alle Verhandlungen selbst bestreite. Ich spreche solche Sachen aber mit meinem Vater ab, besonders auch was schriftliche Dinge anbelangt. Da hilft er mir definitiv. Das ist ja doch ein sehr komplexes Thema."

Erfolgsfaktor Teamkollege

Frage: "Inwiefern hältst du es für sinnvoll, zwei WM-Kandidaten in einem Team zu haben?"
Rosberg: "Das ist immer die Diskussion. Man kann ein Team so aufstellen, wie das früher mit Michael bei Ferrari war. Da gab es eine Nummer eins und eine Nummer zwei. Oder man versucht, die beiden besten Fahrer zu bekommen und die zusammen fahren zu lassen. Da gibt es auf jeden Fall Vor- und Nachteile."

Frage: "Was wäre dir in diesem Punkt lieber?"
Rosberg: "Schwer zu sagen. Ich denke, da gibt es nichts Besseres oder Schlechteres."

Frage: "Macht das vielleicht einen Unterschied in Bezug auf die Motivation? Du hattest in den vergangenen Jahren bei Williams stets Teamkollegen, die etwas schlechter abgeschnitten haben als du..."
Rosberg: "Es ist auf jeden Fall wichtig, dass der Teamkollege in deiner Nähe ist. In letzter Zeit hatte ich das oft nicht. Es hilft dir ganz einfach. Du kannst seine Daten verwenden und auch von ihm an der Rennstrecke etwas lernen. Man erwischt niemals jede Kurve perfekt. Wenn dein Teamkollege gewisse Kurven besser fährt als du, dann kannst du das übernehmen und selbst schneller werden."

"Das ist wichtig. Auch in Bezug auf das Setup. Es gibt Wochenenden, an denen man beim Setup total daneben liegt. Daher ist es wichtig, dass zwei Fahrer möglicherweise sogar in andere Richtungen und auch zusammen arbeiten können, um das Setup zu finden. Das hilft sehr, sehr viel."

Frage: "Von welchem Teamkollegen hast du bislang am meisten gelernt und weshalb?"
Rosberg: "Von Alex Wurz, ganz klar. Er war technisch sehr stark und hat sich da sehr bemüht. Er war diesbezüglich sehr clever. Da konnte ich schon einiges lernen."

Kein KERS als Nachteil für Williams?

Frage: "Dein Team hat in diesem Jahr auf den Einsatz von KERS verzichtet. War das für dich ein Problem im Vergleich zur Konkurrenz? Bist du darüber enttäuscht?"
Rosberg: "Es war natürlich ein Nachteil, dass wir es nicht eingesetzt haben. Deswegen bin ich nicht enttäuscht, aber das war ganz sicher nicht ideal."

"Hätten wir damit fahren können, dann hätte uns das gewiss noch einmal etwas gegeben - besonders unser System, denn wenn es funktioniert, dann sollte es stärker sein als das, was die anderen haben. Es war eben ein Kompromiss. Unser Auto ist im Prinzip für KERS gebaut."

Frage: "Würdest du die KERS-Thematik als Fehlschlag sehen?"
Rosberg: "Das kann man sicherlich diskutieren. Für den Sport war es schwierig. Für das Image des Sports war es gut, denn so denkt die Formel 1 an Energierückgewinnung. Das ist heutzutage sehr wichtig. Sportlich war es manchmal sehr gut. Hamilton hat Barrichello in Brasilien für Platz drei überholt, was ohne KERS wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre."

"Es gab in diesem Jahr sehr, sehr viele Überholmanöver. Nicht aufgrund des KER-Systems an sich, aber manche hatten das System, andere wiederum nicht. Das war positiv. Negativ war, dass es eine Menge Geld gekostet hat. Einige haben es nicht geschafft. Vor allem die kleinen Teams werden so etwas wohl niemals selbst entwickeln können, weil es viel zu viel Geld kostet."

Rosberg sieht das Ergebnis der FIA-Wahl positiv

Frage: "Hat KERS den Sport deiner Meinung nach etwas verzerrt? Manche Fahrer hatten diese Zusatzpower, andere - wie du - mussten darauf verzichten..."
Rosberg: "Nein, denn es war nicht nur ein Vorteil. Mit KERS hatte man auch Probleme bei der Gewichtsverteilung. Dadurch hatte man keinen einhundertprozentigen Vorteil. Ich denke, am Anfang war es sehr schwierig, dadurch einen Vorteil zu erlangen."

"KERS liegt sehr weit hinten und macht das Auto daher in den Kurven etwas langsamer. Hat es den Sport verzerrt? Ich denke, es war eine interessante Sache in diesem Jahr. Jeder hatte eine lange Vorwarnung und die Möglichkeit, ein solches System zu bauen. Manche haben es eben nicht geschafft."

Frage: "Was sagst du zu Jean Todt als neuen FIA-Präsidenten?"
Rosberg: "Wir haben Jean Todt getroffen. Er ist einmal zu uns Fahrern in eine GPDA-Sitzung gekommen um uns ein paar Eindrücke zu verschaffen und die Gelegenheit zu geben, Fragen zu stellen. Als Ferrari-Chef war er über all die Jahre sensationell. Ich glaube, dass er einen sehr guten Job machen wird. Natürlich kann er nicht alle zufrieden stellen."

"Ich weiß nicht, wer da in Zukunft zu kurz kommen wird. Er wird einen sehr guten Job machen und ich denke, das wird sehr gut sein für die FIA und für unseren Sport insgesamt. Wichtig ist, dass ein Wechsel stattfindet und dass da einmal frische Luft reinkommt. Wenn es einen Wechsel gibt, dann wird diese Person noch einmal neu analysieren, was überhaupt Sache ist, und Änderungen vornehmen, wo es nötig ist. Ich sehe das positiv."

19 Grands Prix als Maximum für die Formel 1?

Frage: "Welche Rennstrecke liegt dir am meisten?"
Rosberg: "Monaco wahrscheinlich. Das ist einfach die begeisterndste Rennstrecke, weil sie durch die Stadt führt. Es geht hoch und runter, es gibt Höhenunterschiede und es ist eine der historischen Rennstrecken, die immer noch einigermaßen so sind, wie es damals war."

"Es ist ein irres Erlebnis, da mit einem Formel-1-Auto durch zu brettern und mit Aggressivität an diese Sache heranzugehen. Man denkt jeden Moment: 'Dort schlage ich ein.' Dann aber doch nicht. Man ist eben voll am Limit. Das ist etwas Besonderes."

Frage: "Der Rennkalender eines Formel-1-Fahrers ist gut gefüllt: Bist du schon einmal aufgewacht ohne zu wissen, in welcher Stadt du bist?"
Rosberg: "Das kann schon einmal passieren. Wir reisen wirklich sehr, sehr viel. Es kann also schon einmal vorkommen. 2010 werden zwei weitere Rennen in den Kalender aufgenommen. 19 Rennen sind schon recht viel. Wir haben allerdings auch keine Testfahrten mehr."

"Das hat die Sache sehr viel einfacher gemacht. Aber eine Saison ist schon eine anstrengende Geschichte. Wenn es nun auf 19 Rennen zugeht, dann ist das sicherlich auch irgendwo die Grenze, denke ich. Da muss man aufpassen, nicht noch weiter zu gehen und noch mehr Rennen auszutragen."