• 06.02.2012 20:46

  • von Dieter Rencken

Renault: Von Gleichbehandlung und Nebeneffekten

Renault-Motorenchef Rob White im Interview: Warum neuen Auspuffregeln in der Formel 1 nicht nur einen aerodynamischen Effekt haben

(Motorsport-Total.com) - Die angeblasenen Diffusoren waren der Technikhit 2011 in der Formel 1. Nach Angaben von McLaren brachte die Nutzung der Abgase für aerodynamische Zwecke teils bis zu drei Sekunden pro Runde. Diesen Effekt wird man 2012 nicht mehr erleben, weil die FIA das Regelwerk entsprechend angepasst hat. Red-Bull-Designer Adrian Newey musste sich neue Wege überlegen, die Renault-Fachleute nicht nur das Mapping des Triebwerks verändern. Renault-Motorenchef Rob White erklärt die Auswirkungen im Interview.

Titel-Bild zur News: Rob White (Motorenchef)

Renault-Motorenchef Rob White legt größten Wert auf Gleichbehandlung

Frage: "Rob, ihr als Motorenlieferant geht als Titelverteidiger in die neue Saison. Wie stehen die Chancen, dass ihr den dritten Weltmeistertitel in Folge schafft?"
Rob White: "In der Formel 1 ist es immer schwierig, eine solche Position zu verteidigen. Man geht nicht mit einem Vorsprung in eine Saison, sondern muss sich alles ganz neu erarbeiten. Unser Ziel ist es, allen Partnerteams solch gute Motoren zu liefern, sodass sie Titel damit holen können. Wir wollen unsere Partner auf dem Weg zu neuen Erfolgen begleiten und in jedem Rennen dafür sorgen, dass sie das Bestmögliche herausholen."

Frage: "Welche Veränderungen sind auf Motorenseite wegen des Verbots der angeblasenen Diffusoren nötig gewesen?"
White: "Es gibt keine Konstruktionsänderungen. Die wären natürlich auch per Reglement verboten. Es geht vielmehr um die Art und Weise, wie der Motor betrieben wird. Es geht darum, gewisse Effekte zu erzeugen, die auf Grundlage der neuen Vorgaben eigentlich nicht mehr machbar sind - also nicht nur die aerodynamische Nutzung der Auspuffsysteme. Wir haben bisher gewisse Systeme genutzt, die eigentlich dafür gedacht sind, den Betrieb des Motors bezüglich Leistung und Zuverlässigkeit zu kontrollieren. Diese Tools gehen uns nun verloren."

"Sobald solche Dinge nicht mehr nutzbar sind, weil sie eben aus aerodynamischen Gründen verboten sind, dann müssen wir andere Lösungen für diese Probleme finden. Das war eine Herausforderung für uns. Diese Problemlösung ging einher mit der Aufgabenstellung, die wir bezüglich der Installation unseres Motors in die 2012er-Autos hatten. Die Installation ist erneut aufgrund des Auspuffs anders. Sobald die Teams ihre Autos noch schneller machen wollen, so wirkt sich dies auch auf Motorenseite aus. Wir konnten die neuen Anforderungen in unsere Prozesse einfließen lassen, daher hat es gut funktioniert. Bei den jetzt beginnenden Testfahrten kommt die Zeit für Optimierungen, damit das Beste aus einem Auto herausgeholt werden kann."

Frage: "Man stellt sich vor, ihr könntet bezüglich des Motors einfach wieder auf den Stand von 2010 zurückgehen - also auf den Stand vor den angeblasenen Diffusoren. Ganz so einfach ist es aber nicht, oder?"
White: "Nein, es ist tatsächlich nicht so einfach. Wie ich eben schon angedeutet habe: Es gibt Dinge, die man uns nun aus aerodynamischen Gründen untersagt, die wir zuvor ohne aerodynamische Gedanken im Hinterkopf gemacht haben, die aber jetzt auch verboten sind. Ich verstehe das und akzeptiere das. Aber es hat eben auf Motorenseite neue Herausforderungen geschaffen."

Frage: "Wie könnt ihr eine Gleichbehandlung eurer Partnerteams gewährleisten? Wird Red Bull in irgendeiner Form bevorzugt behandelt?"
White: "Leistungsmäßig wollen wir bei all unseren Partnern einen absolut gleichwertigen Motor abliefern. Das haben wir immer so gehalten und wir sind der Überzeugung, dass dies der einzig glaubhafte und machbare Weg bei der Belieferung mehrerer Teams in der Formel 1 ist. Wenn wir in diesem Zeiten mehrere Varianten oder Ausbaustufen bringen sollten, dann wäre das viel zu kompliziert."

"Es gibt aber natürlich immer mal wieder leichte Anpassungen, weil die Anforderungen seitens der Teams auch unterschiedlich sind. Die Zusammenarbeit mit den einzelnen Teams unterscheidet sich durchaus etwas. Die Ansprüche differieren. Wir haben sehr gute Fachleute, die unsere jeweiligen Partner betreuen. Wir haben in der Fabrik eine wunderbare Support-Struktur. Es gibt bei uns klare Vorgaben, um die Geheimhaltung gewisser Chassis-Details zu wahren."


Fotos: Rollout des Lotus-Renault E20


"Gleichzeitig ziehen wir bestmöglich unsere spezifischen Erkenntnisse von den Motoren. Natürlich grenzt sich jeder mit seinen geheimen Informationen etwas ab. Uns ist es am liebsten, dass uns niemals Fehler passieren, aber natürlich ist so etwas nie komplett auszuschließen. Sollten uns Fehler passieren, dann ergreifen wir sofort Maßnahmen, um diese ab sofort zu verhindern. Insgesamt ist es die Stärke von Renault, diese Gleichbehandlung gewährleisten zu können."

"Es war für mich ein tolles Signal, als Christian Horner nach dem Titelgewinn 2010 zu mir kam und sich für die nette Betreuung bedankte. Er dankte mir auch dafür, dass wir sie mit absolut gleichwertigen Material ausgestattet haben in den Jahren zuvor, als sie noch die Underdogs und nicht die Weltmeisteranwärter gewesen waren. Ich hoffe, er empfindet das immer noch als gut, wenn wir andere Teams ebenso unterstützen, die ihm die Hölle heiß machen möchten."