Renault und die Krux mit dem Windkanal

Falsche Werte aus dem Windkanal waren ein Grund für die Renault-Misere im Vorjahr - Pat Symonds erklärt die Hintergründe

(Motorsport-Total.com) - Der schwere Absturz des Renault-Teams 2007 wurde schon in fast allen Facetten analysiert. Die Krise hatte zwei Gründe: Erstens funktionierten die Bridgestone-Reifen ganz anders als die davor verwendeten Pneus von Michelin, zweitens spuckte der Windkanal falsche Daten aus. Aber wie konnte es dazu überhaupt kommen?

Titel-Bild zur News: Williams-Windkanal

Der Windkanal von Renault in Enstone spuckte lange Zeit falsche Daten aus

Die Anlage in Enstone gilt immer noch als eine der moderneren in der Formel 1, auch wenn der Windkanal gerade mit einem brandneuen CFD-Zentrum ergänzt wird, um die Simulationstechnik weiter auszufeilen. Außerdem hatte der Windkanal in den Weltmeisterjahren 2005 und 2006 auch keine falschen Daten ausgespuckt - und genau darin lag das Problem begraben, weil sich die Ingenieure blind auf die Simulationswerte verließen.#w1#

Windkanalkontrollen wurden vernachlässigt

"Vor ein paar Jahren haben wir noch alles mit 1:1-Modellen gegengecheckt." Pat Symonds

"Ein Teil des Problems war, dass die Resultate, die wir aus dem Windkanal erhielten, immer besser und besser wurden", erklärte Chefingenieur Pat Symonds. "Vor ein paar Jahren haben wir noch alles mit 1:1-Modellen gegengecheckt, aber irgendwann erreichten wir den Punkt, an dem wir gesagt haben: 'Es passt sowieso alles, wir müssen es nicht mehr prüfen.'" Aber Windkanäle sind eben nicht nur in der Kalibrierungsphase komplexe Werkzeuge...

So verließen sich die Renault-Ingenieure in der Entwicklungsphase des R27 auf Windkanaldaten, die immer stärker von der Realität abwichen, ohne dass es irgendjemand bemerkte. Das böse Erwachen kam dann bei den ersten Tests, als die Fahrer rapportierten: "Das Auto ist unfahrbar!" Laut Symonds habe es "länger als erwartet" gedauert, das in den Griff zu bekommen: "Als wir der Sache Mitte bis Ende Februar auf die Schliche kamen, wurde uns das massive Ausmaß erst bewusst."

Ein paar Wochen später sorgte der Brite damals mit der Aussage für Aufregung, die Umstellung von Bridgestone- auf Michelin-Reifen habe die Aerodynamik ebenfalls komplett durcheinandergebracht, was vielen ein Rätsel war, schließlich hatte sich an den Abmessungen der Pneus nichts geändert. Tatsächlich ging es auch nicht um die auf der Strecke eingesetzten Reifen, sondern vielmehr um jene, die bei Windkanaltests verwendet wurden.

Detailarbeit im Windkanal

"Das Modell verformte sich anders als das Original." Pat Symonds

Was viele nicht wissen: Die Teams montieren im Windkanal keine aktuellen Rennreifen, sondern vielmehr nur ein Modell des Reifens, das anhand der vom Reifenhersteller zur Verfügung gestellten Daten angefertigt wird. Dabei waren die Dimensionen zwar völlig gleich wie in den Jahren davor, aber das Verhalten des Modellreifens unter Belastung wich stark ab. So spuckte der Windkanal auch diesbezüglich komplett falsche Daten aus.

Symonds schüttelt über dieses Phänomen heute noch den Kopf: "Das Bridgestone-Modell, auf das wir gewechselt haben, sobald es verfügbar war, lieferte hinsichtlich der Replikation des Originalzustandes auf der Rennstrecke unter Belastung gewisse Formabweichungen. Das Modell verformte sich anders als das Original - und das ist ein unglaublich kritischer Bereich", gab der 54-jährige Renault-Chefingenieur zu Protokoll.