• 01.08.2016 18:54

  • von Norman Fischer & Dominik Sharaf

Raus aus dem Wald: Sehnsucht nach dem alten Hockenheim

Seit mittlerweile 15 Jahren ist die Formel 1 nicht mehr auf dem alten Hockenheimring gefahren, doch viele wünschen sich den Wald und seine Atmosphäre zurück

(Motorsport-Total.com) - Wir schreiben den 29. Juli 2001. Ralf Schumacher kommt gerade in der letzten Runde des Großen Preises von Deutschland aus dem Wald angerauscht und biegt in das Motodrom ein. Tausende Zuschauer machen einen unglaublichen Lärm, als der Deutsche als Sieger über die Ziellinie fährt und sich feiern lässt. Es sollte das letzte Mal sein, dass ein Fahrer auf dem Kurs in Baden-Württemberg so ein Gefühl bekommt, denn schon im Jahr darauf ist die Strecke komplett umgebaut. Aus dem 6,8 Kilometer langen Koloss ist eine typische Formel-1-Strecke mit 4,6 Kilometern Länge geworden.

Es war das Ende des Hochgeschwindigkeitskurses Hockenheim, der neben Monza der letzte seiner Art gewesen ist. Verschwunden sind die langen Waldgeraden, die dem Ring seine Unverwechselbarkeit gegeben haben. Dort wo die Formel 1 nun in Kurve 2 einbiegt, sind die Piloten früher in den Wald gefahren, um auf eine wahnsinnige Geschwindigkeitshatz zu gehen, die nur von drei Schikanen unterbrochen wurde - oder von gar keiner (noch früher).

Zurückgehen? Keine Chance! Zwar besitzen viele moderne Formel-1-Strecken heutzutage mehrere mögliche Varianten, doch von dem einstigen Waldstück ist heute nichts mehr übrig geblieben. Die Natur hat sich das Land zurückerobert, das einst von dröhnenden Boliden befahren wurde. Nur theoretisch könnte man das Teilstück wieder neu asphaltieren, doch das bleibt wohl ein Traum der Nostalgiker.

"Die alte Strecke hatte ein paar mehr Probleme, als nur eine kurze Strecke daraus zu machen", erinnert sich Ex-Pilot Alexander Wurz, der einst im Benetton einen dritten Platz holte. Neben den Zwängen der Formel 1, die Strecke zuschauerfreundlicher zu machen (weil im Wald nur selten ein menschliches Wesen am Streckenrand auftauchte), gab es auch bürokratische Hindernisse: "Die alte Variante besaß nur eine vorrübergehende Erlaubnis und man konnte diese aufgrund von Lärmproblemen nicht erneuern", so der Österreicher.

Oldschool-Racing mit Streckenbegrenzung

Wurz schwelgt in Erinnerungen, wenn er an den alten Hockenheimring zurückdenkt. "Ich habe die Kämpfe durch den Wald ohne Flügel geliebt, das war cool", sagt er und meint, dass der Kurs damals noch unverwechselbar war - im Gegensatz zu den modernen Kursen, die sich alle ziemlich ähnlich sehen. "Es gibt immer noch Jungs, wie mich, die Oldschool-Racing mögen, wo die Strecken einzigartig sind - und nicht überall gleich."

"Dort sind Track-Limits ein natürliches Abschreckungsmittel - und kein Randstein oder FIA-Sensor, weil wir sofort Zeit verlieren möchten, bevor Stewards darüber diskutieren", sagt er. Wurz empfand es immer als etwas Besonderes, wenn man als Pilot für sich in der "Stille" des Waldes fuhr und dann nach einer langen Runde in das Motodrom kam, das wie eine andere Welt war. Es waren die zwei Gesichter des Hockenheimrings.

Hockenheim

Vom Wald ins Motodrom: Der Unterschied war damals gewaltig Zoom

Auch Sebastian Vettel stellt sich das Gefühl cool vor: "Wenn man früher ins Motodrom gefahren ist, dann war es etwas anderes als heute, weil die Strecke anders war. Auf den anderen Teilen gab es nur Bäume, das ist heute anders", beschreibt er. Der Deutsche war erst im Formelsport aktiv, als der Ring schon umgebaut war und kennt die Waldgeraden daher wohl maximal von der heimischen Konsole. Doch die Stimmung, erinnert er sich, war damals in Deutschland unglaublich.

Fahren? Nur noch auf der Konsole...

Die Tribünen waren voll besetzt und das Motodrom glich tatsächlich einem Stadion, das man in Fußballkreisen wohl als Hexenkessel bezeichnen würde. Das lag wohl auch an den Erfolgen von Michael Schumacher, der in Hockenheim viermal gewinnen konnte - jedoch nur einmal auf dem langen Kurs. "Michael war der erste, der die Formel 1 so richtig populär gemacht hat. Wenn einer wirklich erfolgreich ist und viele Rennen gewinnt, das zieht die Aufmerksamkeit der Leute an. Das hat den Hype ausgelöst und für volle Tribünen gesorgt", so Vettel.

Dass dem Hockenheimring die Waldgeraden fehlen, hat zwar nicht für den Zuschauerschwund gesorgt, dennoch habe dies dem Flair des Rennens geschadet, meint Wurz. "Die Strecken werden alle ähnlich designt", sieht der Österreicher das Spektakel heute etwas farblos und kann seinen Nachfolgern heute nur noch über Erzählungen zeigen, wie es damals war, in den Wald einzutauchen.


So sieht der alte Hockenheimring heute aus

"Ich wünschte, dass ich den alten Kurs fahren könnte. Das hat den Ort hier besonders gemacht", ist Lewis Hamilton ein wenig neidisch auf die damalige Zeit, auch wenn er betont, dass Hockenheim dennoch "eine großartige Strecke" sei. Eine Chance dafür gibt es. Dafür muss der Brite nur das Kabel seiner alten Spielkonsole in den Fernseher stecken. In der Realität müsste er sich dafür zu Fuß durch saftiges Grün begeben.