• 29.08.2004 16:09

Räikkönen gewinnt dramatischen Grand Prix in Spa

Ausfälle, Action, Reifenschäden - Kimi Räikkönen gewann in Belgien vor dem neuen und alten Weltmeister Schumacher

(Motorsport-Total.com) - Immer dann, wenn man glaubt, die Formel 1 könnte einschlafen, wird man vom Gegenteil überzeugt: Im mit Abstand interessantesten und actionreichsten Grand Prix der Saison feierte heute in Belgien Kimi Räikkönen (McLaren-Mercedes) seinen ersten Saisonsieg vor dem neuen und alten Weltmeister Michael Schumacher (Ferrari).

Titel-Bild zur News: Podium in Belgien 2004

Die Helden der heutigen Ardennenschlacht von Spa-Francorchamps

Am Start setzte Jarno Trulli (Renault) seine gestrige Pole zunächst in die Führung vor Teamkollege Fernando Alonso um, während Michael Schumacher weniger gut wegkam - der sechsfache Spa-Triumphator musste in La Source auch noch David Coulthard (McLaren-Mercedes) passieren lassen und kam als Vierter aus der ersten Runde zurück. Dahinter lag nach einem Blitzstart schon Räikkönen vor Juan-Pablo Montoya (BMW-Williams).#w1#

Mehrere Unfälle gleich in der ersten Runde

Spa wäre aber nicht Spa, wenn es nicht auch ordentlich krachen würde: Der übermotivierte Mark Webber (Jaguar-Cosworth) touchierte am Start das Heck von Rubens Barrichello (Ferrari), der daraufhin zweimal zur Reparatur an die Box kommen musste, und schied nach ein paar Metern aus, ebenso wie Takuma Sato (BAR-Honda), Gianmaria Bruni (Minardi-Cosworth) und Giorgio Pantano (Jordan-Ford), die eine Safety-Car-Phase verursachten.

Bei dem Zwischenfall, der am Hügel nach Eau Rouge passierte, stand Pantanos Jordan sogar einige Sekunden leicht in Flammen. Genau aufgeklärt werden, wie es überhaupt dazu gekommen ist, konnte noch nicht - fix nur, dass die beiden Minardis kollidierten, was zu einer Kettenreaktion geführt haben dürfte. Jenson Button (BAR-Honda) und Felipe Massa (Sauber-Petronas) mussten in dieser Phase zu Reparaturstopps an die Box kommen.

Räikkönen von Beginn an schnell unterwegs

Gleich nach dem Restart setzte sich der spätere Sieger erstmals richtig in Szene, als Räikkönen mit den sofort funktionierenden Michelins bei Eau Rouge spektakulär Schumacher ausbeschleunigte. Symptomatisch für diesen Nachmittag: Michelin hatte auf den ersten Runden immer einen klaren Vorteil, während die Bridgestones erst später auf Touren kamen. Jede Safety-Car-Phase war somit ein Vorteil für die Michelin-Piloten.

Noch in derselben Runde knackte auch Montoya Schumacher - in einem atemberaubenden Manöver außen am Deutschen vorbei beim Bus Stop. Wenig später ging Räikkönen auch noch an seinem Teamkollegen Coulthard vor Les Combes vorbei, anschließend machte er Jagd auf die führenden Renaults. In dieser Phase erfingen sich die Ferraris langsam, pflügte Barrichello nach den Stopps durch das Feld, während Schumacher Tempo aufnahm.

Christian Klien (Jaguar-Cosworth) eröffnete dann die Serie der ersten Boxenstopps und setzte damit auf eine Drei-Stopp-Strategie, während die meisten Top-Piloten nur zweimal reinkamen. Gleichzeitig war auch der führende Trulli beim Service und Alonso verabschiedete sich aus dem Grand Prix: Der Spanier drehte sich beim Anbremsen von Les Combes und dann wenige Meter später noch einmal, blieb im Kiesbett stecken und musste enttäuscht aufgeben.

Coulthard schien nach frühem Reifenschaden schon k.o.

Für Coulthard schien das Rennen schon vorüber, als er in der zwölften Runde einen Reifenschaden erlitt, was für Michelin das erste beunruhigende Zeichen an einem traumatischen Nachmittag sein sollte, denn es folgten später weitere Schrecksekunden. Für kurze Zeit beruhigten sich die Ereignisse, ehe plötzlich Trulli an Tempo einbüßte. Der Italiener hielt rundenlang Schumacher, Massa und Montoya auf und kollidierte dann in Bus Stop mit Montoya. Beide konnten aber weiterfahren.

Indes setzte weiter hinten Barrichello seinen Vorwärtsdrang fort, bis er erstmals in den Punkterängen lag. Der Brasilianer riskierte mehrere Überholmanöver, unter anderem gegen Giancarlo Fisichella (Sauber-Petronas), der nach einem Ausritt über weite Strecken des Rennens mit einer beschädigten Aerodynamik fighten musste. Der Italiener erbrachte dennoch eine tadellose Leistung und fiel nie aus den Punkten.

Das Finale des Nachmittags wurde in Runde 30 eingeläutet, als Button beim Überrunden von Baumgartner einen weiteren Michelin-Platten erlitt, sich bei über 300 km/h drehte und den ungarischen Minardi-Piloten unabsichtlich aus dem Weg räumte. Wegen der vielen Wrackteile musste noch einmal das Safety-Car auf die Strecke, wodurch der mehr als zehn Sekunden große Vorsprung von Räikkönen mit einem Schlag dahin war.

Spannender Showdown durch eine Safety-Car-Phase

Hinter dem Safety-Car absolvierte das gesamte Feld die letzten regulären Boxenstopps, ehe der große Showdown in der folgenden Reihenfolge in Angriff genommen wurde: Räikkönen vor Schumacher, Montoya, Barrichello, Zonta (Toyota), Massa, Fisichella, Panis (Toyota), Klien, Trulli, Coulthard und dem chancenlosen Nick Heidfeld (Jordan-Ford). Antonio Pizzonia (BMW-Williams), heute meist vor Montoya, schied hinter dem Safety-Car an sensationeller dritter Stelle liegend nach starker Vorstellung aus.

Beim Restart des Rennens hatten wieder die Michelin-Piloten einen Vorteil, wodurch sich Räikkönen rasch von Schumacher absetzen konnte. Weiter hinten griff sich Klien in La Source Panis, womit er erstmals in seiner Karriere auf Punktekurs lag. Überhaupt fuhr der Österreicher heute ein beherztes Rennen, was ihm gute Chancen auf eine Vertragsverlängerung bei Jaguar eröffnen dürfte. Durch einige Ausfälle wurde er am Ende sogar bis auf Platz sechs nach vorne gespült.

Dann noch einmal ein Drama nach dem anderen: In Runde 37 schied Montoya mit dem nächsten Reifenschaden aus, weil er keinen neuen Satz Gummis mehr abholte, sondern demoralisiert ausstieg, obwohl seine Crew ihn wieder ins Rennen schicken wollte. Zwei Umläufe später krachte Coulthard ins Heck von Klien, wobei der Frontflügel beschädigt wurde - neuerlich eine Safety-Car-Phase. Der Schotte steuerte aber die Box an, holte sich eine neue Nase und blieb in derselben Runde mit dem Führenden.

Räikkönen ließ am Ende nichts mehr anbrennen

Für drei Runden wurde der Grand Prix dann noch einmal freigegeben, mit den Michelins ließ Räikkönen aber nichts mehr anbrennen. Schumacher, wohl wissend, den Titel im Sack zu haben, begnügte sich mit Platz zwei vor seinem Teamkollegen Barrichello, gefolgt von Massa und Fisichella, der bis zum Schluss den bissigen Klien im Nacken hatte. Coulthard, der im Finale sensationell zurückfightete, und Panis holten sich die letzten Punkte.

Der anfangs lange führende Trulli schleppte sein angeschlagenes Fahrzeug an neunter Stelle ins Ziel, gefolgt von Zonta, der einen vierten Platz sicher in der Tasche zu haben schien, ehe sein Toyota-Motor entlang der Kemmel-Gerade platzte. Dennoch wurde der Brasilianer als Zehnter gewertet, noch vor Heidfeld, der am Ende mit technischen Schwierigkeiten einen langen Boxenstopp absolvieren musste und vier Runden Rückstand hatte.

Der Grand Prix mit vielen Helden, unzähligen Zwischenfällen und noch mehr Dramen brachte dann aber vor allem eines, nämlich die endgültige Entscheidung in der Fahrer-WM zu Gunsten von Michael Schumacher, noch dazu im 700. Grand Prix von Ferrari in der Formel 1. Der Deutsche wurde im 14. Rennen 2004 erstmals auf der Strecke geschlagen, während McLaren-Mercedes den ersten Sieg in dieser Saison feierte.