Qualifying-Farce von Melbourne: "Müssen uns entschuldigen"

Die meisten Fahrer und Verantwortlichen sind froh, dass die "Reise nach Jerusalem" direkt wieder abgeschafft wird - Einige halten das aber auch für einen Schnellschuss

(Motorsport-Total.com) - Das ging schnell: Nach der missglückten Qualifikation am Samstag zogen die Teamchefs umgehend die Notbremse und einigten sich keine 24 Stunden später darauf, ab Bahrain wieder auf den alten Qualifying-Modus zu setzen. Zwar muss die erneute Änderung noch von den üblichen Gremien abgesegnet werden, dabei dürfte es sich allerdings nur noch um eine Formsache handeln, da sich alle Teamchefs in dieser Hinsicht einig sind: Das neue Qualifying muss wieder weg.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel findet deutliche Worte für das Qualifying-Chaos der letzten Tage Zoom

"Es ist vernünftig, weil das gestern schon ein Witz war, aber auf der anderen Seite hätten wir es erst gar nicht einführen dürfen", erklärt Sebastian Vettel, der von Beginn an kein Freund der Idee war und damit vielen Fahrerkollegen aus der Seele spricht. "Es ist schön, dass wir gleich zurückgehen, wenn etwas nicht funktioniert. Aber es ist nicht schön, dass wir so etwas überhaupt zulassen. Wir müssen an der Entscheidungsfindung arbeiten, um das zu verbessern", so der Deutsche.

Der Ferrari-Pilot findet deutliche Worte und erklärt: "Das gestern war eine Peinlichkeit und man kann sich bei den Zuschauern nur entschuldigen. Wir sollten nichts ändern, nur damit wir etwas verändert haben." Sein ehemaliger Red-Bull-Teamchef Christian Horner schlägt in die gleiche Kerbe und erklärt bei 'Sky': "Ich denke, dass wir eine gute Absicht hatten, aber es hat nicht funktioniert."

"Ich denke, dass jetzt vernünftig entschieden wurde - sogar einstimmig, was für die Teams ungewöhnlich ist", merkt Horner an und ergänzt: "Ich denke, dass wir uns bei den Fans und den Zuschauern entschuldigen müssen." Auch Niki Lauda ist "froh", dass dieser "richtige Blödsinn" schnell wieder in der Schublade verschwinden wird - zumindest vorläufig. Denn eine erneute Änderung des Formats scheint nicht ausgeschlossen.

Wolff hofft auf "funktionierende Lösung"

"Ich bin der Meinung, dass man es optimieren könnte, aber es handelt sich hier um eine Weltsportart, und wir müssen uns dessen bewusst sein, dass wir eine Verantwortung tragen", erklärt Mercedes-Teamchef Toto Wolff beispielsweise und ergänzt: "Gestern habe ich mit Bernie gesprochen, um seine Meinung zu hören. Im Nachhinein sind sich alle Teams über dieses Qualifying ziemlich einig."


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Der Österreicher verspricht: "Wir haben gesehen, dass es ein paar gute Aspekte gibt, und die heutige Entscheidung der Teams besagt, dass wir uns die Sache kommenden Winter ansehen werden und vielleicht schon während der Saison eine Analyse machen werden, um dann eine funktionierende Lösung aufzubringen. Es gibt ein paar clevere Leute da draußen, die es bereits im Vorhinein wussten."

"Ich halte dieses Shootout für ein spannendes Format, solange man das auch für die TV-Zuschauer richtig aufbereiten kann." Toto Wolff

"Es wäre nicht richtig, jede Woche die Regeln zu ändern", weiß Wolff und erklärt: "Ich bin mir sicher, dass die Formel-1-Kommission die Meinung der Teams anhören wird, vor allem, wenn alle einer Meinung sind. Ich bin sicher, dass es Wege gibt, um es zu optimieren, aber das benötigt Zeit und eine strukturierte, analytische Herangehensweise, um die richtigen Entscheidungen zu treffen."

"Ich halte dieses Shootout für ein spannendes Format, solange man das auch für die TV-Zuschauer richtig aufbereiten kann", erklärt Wolff und ergänzt: "Der Zuschauer muss dem folgen können. Und das Feedback der Zuschauer war, dass das sehr schwierig war. Entweder, man konzentriert sich auf die Zeitnehmung - und es war nicht wirklich klar, wer in der Box und wer auf der Strecke war -, oder man konzentriert sich auf die Autos."

Hat das Format seinen Zweck erfüllt?

Nun soll erst einmal wieder das alte Format zum Einsatz kommen, was allerdings auch nicht alle gut finden. "Es ist immer einfach, etwas so zu machen wie früher, wenn es nicht läuft. Aber es sind noch 20 Rennen zu fahren. Wir sollten überlegen, wie wir die Formel 1 spannender machen können. Alles auf Anfang? Ich weiß nicht, wie aufregend es für die Fans war, aber für meinen Geschmack war es vielleicht etwas besser", urteilt Lewis Hamilton.


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Pat Symonds von Williams sieht es ähnlich und erklärt: "Meiner Meinung nach gab es überhaupt keinen Grund, dass wir heute schon etwas entscheiden. Wir haben vorgeschlagen, dass die ersten zwei Abschnitte gleich bleiben und nur das Q3 geändert wird. Wir sollten offen sein für mehrere Vorschläge und nichts hastig entscheiden, aber die Mehrheit hat dafür gestimmt, wieder zum alten Format zurückzugehen."

"Q1 war gut, Q3 nicht, aber warum muss man dann gleich alles ändern?" Robert Fernley

Symonds glaubt, dass der neue Modus seinen Zweck erfüllt hat, und verweist auf konkrete Beispiele: "Ich dachte, dass Kwjat ein Problem am Auto hatte, aber das war nicht der Fall. Er hat einen Fehler gemacht. Valtteri war auch nicht auf der richtigen Position. Also hat es schon einen Unterschied ausgemacht. Und ich denke, das wollten sie auch erreichen. Sie wollten die Positionen durcheinander bringen."

Auch Force Indias stellvertretender Teamchef Robert Fernley schlägt in eine ähnliche Kerbe und erklärt: "Q1 war gut, Q3 nicht, aber warum muss man dann gleich alles ändern? Q2 war auch ganz okay. Ich habe noch nicht erlebt, dass wir im Qualifying mit Supersofts voll fahren. Und viele Fehler sind passiert. Es gab viel Druck. Warum können wir nicht auf den positiven Dingen aufbauen und die Schwächen korrigieren? Man bekommt ja nicht oft alles richtig hin beim ersten Mal."