• 21.09.2012 21:33

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Pirelli: Wenn die Reifen Rätsel aufgeben

1,5 Sekunden beträgt der Unterschied zwischen Weich und Superweich in Singapur: Pirelli rechnet mit interessanten Strategien und zwei bis drei Stopps

(Motorsport-Total.com) - "Einen so gewaltigen Abstand hatten wir noch nie", sagt Paul Hembery. Sogar der Motorsport-Direktor von Pirelli staunte nicht schlecht, als er die Unterschiede zwischen der weichen und der superweichen Mischung sah. In Singapur betrug der Abstand zwischen den beiden Pirelli-Pneus nämlich satte 1,5 Sekunden. Und das hat natürlich große Auswirkungen auf die Qualifikation und auch auf das Rennen.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Verschwommen: Noch ist die Situation an der Reifenfront nicht ganz klar ersichtlich Zoom

Die angesprochenen 1,5 Sekunden sind allerdings nur ein Schnittwert, wie Hembery betont. "Auf jeden Fall sind die Unterschiede ziemlich groß", meint er und erklärt: "Die weiche Reifenmischung funktioniert hier nicht besonders gut. Eigentlich wären hier zwei superweiche Reifensorten besser gewesen, aber es ist schon in Ordnung so. Es gibt ja einen Unterschied zwischen den Mischungen."

"Allerdings ist es das erste Mal, dass der Abstand so gewaltig ist. Das ist vielleicht auch auf die Strecke zurückzuführen. Es gibt sehr viele Kurven und die Traktion ist sehr wichtig. Außerdem scheinen die Piloten speziell auf der weichen Mischung viel durchdrehende Räder zu haben", sagt Hembery nach dem Trainingsauftakt auf dem Marina Bay Circuit im nächtlichen Singapur.


Fotos: Großer Preis von Singapur


Und was bedeutet all dies für das Rennen? "Es wird auf zwei, vielleicht drei Stopps hinauslaufen", antwortet Hembery, merkt aber sofort an: "Am Samstag werden wir da schon schlauer sein, sobald die Daten analysiert sind. Die Unterschiede zwischen den Autos und sogar zwischen den Piloten in einem Team sind teilweise sehr groß." Deshalb rechne er im dritten Freien Training mit viel Fahrbetrieb.

Strategie-Vielfalt beim Formel-1-Nachtrennen?

"Manche Teams werden verstärkt die Qualifikation simulieren, um zu schauen, wie weit sie mit dem superweichen Reifen kommen", meint Hembery und betont: "Hier geht es fast nur um den Abbau der Reifen. Die superweiche Mischung lässt pro Runde um etwa drei Zehntel nach. Das ist recht viel. Bei den weichen Reifen beträgt dieser Wert etwa 1,5 Zehntel", erklärt der Pirelli-Motorsport-Direktor.

Hembery bringt die Erkenntnisse des Tages auf den Punkt: "Wer länger mit den abbauenden Pneus der superweichen Mischung fahren kann, kann diesen Vorteil länger ausschöpfen." Im Rennen dürfe man daher "eine große Bandbreite an Strategien" erwarten, weil die Teams unterschiedlich gut aufgestellt sein werden. Zudem müsse man wohl mit dem Einsatz des Safety-Cars rechnen.

Hinzu kommt die Boxenstopp-Zeit von etwa 28 Sekunden, was Anfahrt und Abfahrt mit einschließt. Ein zeitintensiver Service, findet McLaren-Sportchef Sam Michael. Er meint: "Es ist eine extrem lange Boxengasse. Daher wird man nicht zwingend die beste Reifenstrategie wählen, sondern versuchen, möglichst einen Stopp einzusparen", so der Australier. "Wir rechnen mit zwei bis drei Boxenstopps."

Alonso erklärt die Reifen zum Schlüsselfaktor

Genau festlegen will sich zum jetzigen Zeitpunkt aber noch niemand. Auch WM-Spitzenreiter Fernando Alonso übt sich in Zurückhaltung: "Wir haben gesehen, dass es einen ziemlich großen Unterschied zwischen den beiden Reifensorten gibt. Wir müssen aber bis Samstag warten, um in dieser Angelegenheit Klarheit zu haben", sagt der Ferrari-Pilot im Anschluss an das Training.

"Vielleicht wurden die Unterschiede am Freitag auch dadurch ein bisschen verzerrt, dass sich die Streckenoberfläche entwickelt hat. Auf einem solchen Kurs ist es aber auch sehr kompliziert, Reifen über große Distanzen auszuprobieren. Du hast halt auch viel Verkehr", erklärt Alonso und fügt hinzu: "Deshalb ist es schwierig, nun einen direkten Vergleich zu unseren Hauptgegnern anzustellen."

Den ersten wahren Vergleich gibt's ohnehin erst in Q1 am Samstag. Die große Frage dabei ist: Reichen die weichen Reifen aus, um die erste Hürde zu nehmen? "Eine gute Frage", sagt Hembery. "Das dürfte eine harte Nuss werden. Für die Topteams reicht es aber wahrscheinlich. Sie haben ja die Nase vorn. Auf dieser Strecke sind die Fahrer gefordert. Die Besten stehen da automatisch vorn."