• 04.08.2011 16:53

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Parr kann sich noch mehr Rennen vorstellen

Adam Parr findet, dass man die Formel 1 nicht mit anderen Sportarten vergleichen kann, und spricht über das enorme Kostenproblem der Königsklasse

(Motorsport-Total.com) - 2012 werden erstmals in der Geschichte der Formel 1 20 Saisonrennen stattfinden. Ursprünglich hat der FIA-Motorsport-Weltrat sogar 21 Grands Prix ratifiziert, doch das würde gegen das aktuelle Concorde-Agreement verstoßen. Das Concorde-Agreement läuft allerdings nur bis Ende 2012, sodass Adam Parr nun fordert, ab 2013 über noch mehr Rennen nachzudenken.

Titel-Bild zur News: Adam Parr

Adam Parr findet, dass theoretisch noch mehr als 20 Rennen möglich sind

"Ich finde, dass die Zahl der Rennen ansteigen kann - nicht um viel, aber es ist möglich", meint der Vorstandsvorsitzende des Williams-Teams und fügt an: "Vielleicht müssen wir uns dafür das Format der Rennwochenenden ansehen." Denn bei 20 Rennwochenenden zu je drei Tagen sind die ohnehin schon hart strapazierten Rennteams am Anschlag, sodass man über mehr als 20 Rennen erst realistisch nachdenken kann, wenn die Belastung gesenkt wird.

Nur noch zwei Tage pro Rennwochenende?

Das könnte zum Beispiel über eine Verkürzung der Rennwochenenden auf zwei Tage geschehen, wie sie alle Jahre wieder von irgendjemandem zur Diskussion gestellt wird. Sofern sich Teams, Bernie Ecclestone und FIA dann auch auf eine entsprechende Änderung des Concorde-Agreements einigen können, würde einer weiteren Aufstockung des Grand-Prix-Kalenders theoretisch nichts mehr im Weg stehen. Praktisch gelten mehr als 20 Rennen aber als sehr unwahrscheinlich.

Hintergrund für Parrs Vorschlag ist, dass sich die Teams mehr Einnahmen wünschen, aber: "Ich glaube nicht, dass die Gebühren für die Rennveranstalter weiter ansteigen dürfen." Veranstalter wie Malaysia, Abu Dhabi oder Singapur zahlen schon jetzt astronomische Summen von weit mehr als 30 Millionen Euro pro Jahr, um überhaupt einen Grand Prix austragen zu dürfen. Solche Preise treiben Traditionsstrecken wie den Nürburgring in den Ruin.

Doch wenn man die einzelnen Strecken schon nicht noch mehr ausquetschen kann, so könnte man die Einnahmen zumindest erhöhen, indem man mehr Rennen fährt. Parr betont, er habe seit seinem Einstieg in die Formel 1 im Jahr 2006 einen "Kreuzzug für niedrigere Kosten" geführt, "aber das Geld muss irgendwo herkommen". Zum Beispiel aus dem Medienbereich: "Ich glaube, dass wir über die Medien mehr Einnahmen generieren können."

¿pbvin|512|3951||0|1pb¿So spült der neue britische Fernsehvertrag ('BBC' zeigt die Hälfte der Rennen im Free-, 'Sky' alle Rennen im Pay-TV) bis 2018 in sieben Jahren 455 Millionen Britische Pfund (umgerechnet mehr als 520 Millionen Euro) in die Formel-1-Kassen. Das sind pro Jahr knapp 75 Millionen Euro. An die Teams werden 50 Prozent der Gesamteinnahmen ausgeschüttet, was wiederum bedeutet, dass etwa von diesem Deal jedes Team durchschnittlich drei Millionen Euro pro Jahr ausgezahlt bekommt.

Einnahmen, die die Teams gut gebrauchen können, denn: "Die Formel 1 ist eine immens teure Show", weiß Parr und zieht einen Vergleich: "Roger Federers Racket und Tiger Woods' Golfschläger kosten im Vergleich dazu fast nichts. Daher sind auch die Eintrittskarten billiger. Aber wir befinden uns in einer anderen Situation." Daher gelte es, einerseits die Einnahmen zu erhöhen, andererseits aber vor allem auch die Kosten zu senken.

Briatore fordert geringere Kosten

Damit spricht Parr dem früheren Renault-Teamchef Flavio Briatore von der Seele, der ins gleiche Horn bläst: "Es ist notwendig, Kosten und Technologie zu reduzieren", fordert der Ecclestone-Freund gegenüber der spanischen Nachrichtenagentur 'EFE'. "Die Formel 1 muss wieder normaler werden, sodass die Piloten den Unterschied machen. Jetzt haben die Ingenieure die Kontrolle und die Regeln sind sehr schwierig zu interpretieren."

Besonders kritisiert er die FIA: "Man muss sich ja nur Silverstone anschauen", gibt Briatore zu Protokoll. "Am Freitag gab es ein anderes Reglement als am Montag. Die Zuschauer interessiert das aber nicht, sondern die wollen nur die Piloten fighten sehen. Wir brauchen eine Formel 1 wie zu den Zeiten von Senna, Prost, Mansell und Alonsos Anfängen. In den letzten fünf oder sechs Jahren ist alles zu technologisch geworden."


Fotos: Großer Preis von Ungarn, Sonntag


Und eben zu teuer - noch dazu, wo die britischen TV-Zuschauer jetzt auch noch mindestens 39,75 Britische Pfund (umgerechnet mehr als 45 Euro) pro Monat bezahlen müssen, um alle Formel-1-Rennen live sehen zu können. Noch drastischer sind die Eintrittspreise vor Ort, die in den vergangenen Jahren zu sinkenden Zuschauerzahlen geführt haben. So musste man selbst im Billigland Ungarn mit mindestens 150 Euro für eine anständige Tribünenkarte rechnen.

Parr empfindet diese Preise aber nicht als ungerechtfertigt: "Du kannst dir den Cirque du Soleil in der Royal-Albert-Hall anschauen. Du siehst dort hervorragende Artisten und hochgestochene Technologie in einem anspruchsvollen Ambiente. So ein Platz kostet halt 100 Pfund. Wenn du hingegen nur einen Elefanten und ein paar Clowns sehen willst, dann kannst du auch in den Zirkus im nächsten Dorf gehen, der nur zehn Pfund kostet", argumentiert er.

"Ich glaube, die Menschen sind dazu in der Lage, das zu unterscheiden", ist der Williams-Vorstandsvorsitzende überzeugt. Aber: Während die derzeit boomenden Einschaltquoten beweisen, dass das grundsätzliche Interesse an der Formel 1 extrem hoch ist, lässt sich der Zuschauerschwund vor Ort nicht leugnen. Selbst beim einstigen Publikumsmagneten am Hungaroring kamen diesmal wohl weniger als 50.000 Fans zum Rennen...