Newey und der verbotene Trichtertrick

Red Bulls Adrian Newey erklärt, wie ihm die FIA Anfang 2012 einen Strich durch die Rechnung machte und wieso Truthähne nicht über Weihnachten abstimmen sollten

(Motorsport-Total.com) - 2012 wurde Stardesigner Adrian Newey an seine Grenzen gebracht: Die Reglementänderungen durch die FIA verunmöglichten es dem Briten, das Konzept der Boliden RB5, RB6 und RB7 auch beim RB8 weiterzuführen, schließlich wurden der auspuffangeblasene Diffusor im Heck und der flexible Frontflügel verboten, auch bei den Motormappings gab es massive Einschränkungen. Der Brite musste also einen Weg finden, um den verlorenen Anpressdruck wieder zurück zu erobern.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey

Adrian Neweys Trick, die Einschränkungen im Heck zu umgehen, wurde verboten Zoom

Newey sei "sehr irritiert" gewesen, erklärte zuletzt Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko gegenüber dem 'Red Bulletin', weil der RB8 zu Saisonbeginn nicht in die Gänge gekommen war. "Er hat deshalb seinen Arbeitseinsatz, der schon nicht gering ist, deutlich verstärkt", blickt der Österreicher zurück. Jetzt gibt der Stardesigner zu, dass er nicht damit gerechnet hätte, dass sich die Reglementänderungen so gravierend auswirken würden.

"Es hat uns weiter zurückgeworfen als wir dachten", sagt er gegenüber 'auto motor und sport'. Das hängt aber auch damit zusammen, dass Red Bull vor den Testfahrten mit dem RB7 eigentlich eine Lösung gefunden hatte, um die Einschränkungen beim Auspuffanblasen zu umgehen. "Das wurde uns aber verboten", klagt Newey.

Wie Newey die Regeln umgehen wollte

Doch worum handelte es sich bei dieser mysteriösen Lösung, die nie zum Einsatz kam? Weil die FIA es verboten hat, dass die Auspuffrohre direkt beim Diffusor aus dem Chassis ragen, setzte Newey auf den Trick, die Gase mit einem Trichter, der an einen Bremshutzen erinnert, beim Diffusor aufzufangen: "Es gab da ein Schlupfloch in den Regeln für den Bereich hinter der Hinterachse", erklärt er seine Idee. "Man konnte dort also einen Trichter installieren, der die Auspuffgase auffängt und dann dorthin transportiert, wo man sie hätte haben wollen."

"Es gab da ein Schlupfloch in den Regeln für den Bereich hinter der Hinterachse" Adrian Newey

Als man das System bei der FIA absegnen lassen wollte, schnappte allerdings die Falle zu und die Idee Neweys wurde verboten. Somit wurde Red Bull in der Entwicklung deutlich zurückgeworfen, weil man sich keine Alternative überlegt hatte. "Aus Zeitnot kamen wir zum ersten Test mit einem konventionellen Auspuff in der Motorverkleidung", blickt Newey zurück. "Das gab uns Luft, parallel dazu ein Auspuffsystem zu entwickeln, bei dem die Endrohre in die Seitenkästen eingelassen waren. Der musste bis zum ersten Rennen fertig werden, denn unsere erste Version des Auspuffs bei den Testfahrten wäre nicht erlaubt gewesen."

Als Newey seine Interpretation des Coanda-Auspuffs beim letzten Test in Barcelona brachte, hatte Vettel auf Anhieb Schwierigkeiten mit dem Handling des Boliden. Es sollte bis zum Grand Prix von Europa in Velencia dauern, ehe sich der Weltmeister im Auto wirklich wohlfühlen sollte. Bis dahin wurden weitere Entwicklungen des findigen Briten von der FIA verboten, was das Frustpotenzial zusätzlich steigerte.

Newey wünscht sich mehr Freiraum

"Ich glaube, die Formel 1 sollte sich grundsätzlich ein paar Gedanken machen", zeigt sich Newey mit der Herangehensweise der Regelhüter nach wie vor nicht einverstanden. "Wir sollten aufpassen, dass die Regeln den Erfindergeist nicht zu sehr einschränken." Er warnt vor einer "Königsklasse" des Motorsports, deren Boliden nur noch aus Einheitsteilen bestehen.

"Das ist so als würde man Truthähne über Weihnachten abstimmen lassen" Adrian Newey

"Je strikter die Regeln werden, umso schneller bewegen wir uns auf eine GP1 hin, wo alle Autos ungefähr gleich sind und nur noch der Fahrer und der Motor entscheiden. So wie es uns 2014 blüht", sagt er. "Bis jetzt hatte noch nie eine Rennformel Erfolg, die mit Einheitsautos operiert. Ich bin überrascht, wie viele meiner Kollegen bei den Meetings der Technischen Arbeitsgruppe sich für mehr Restriktionen stark machen. Das ist so als würde man Truthähne über Weihnachten abstimmen lassen."

Die Alternative dazu wäre ein Budgetlimit. "Ich wäre zu 100 Prozent dafür", favorisiert Newey diese Lösung. Und das, obwohl sein Arbeitgeber das Ressourcenrestriktionsabkommen RRA nicht akzeptiert. Der Grund für diesen Boykott ist laut Argumentation des österreichischen Teams aus Milton Keynes aber nicht die Budgetdeckelung an sich. Stattdessen kritisiert man, dass dadurch vor allem die Arbeit an der Aerodynamik - Red Bulls Domäne - eingeschränkt werde, in den anderen Bereichen aber kaum Restriktionen vorliegen.