• 13.07.2017 14:18

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Neuer Sauber-Teamchef findet Honda-Motor "beängstigend"

Frederic Vasseur möchte den Honda-Vertrag offenbar rasch kündigen - Ausstieg für Honda nicht mehr ausgeschlossen - Sauber-Mercedes zumindest denkbar

(Motorsport-Total.com) - Immer mehr Zweifel kommen daran auf, dass das Sauber-Team und Honda 2018 wie geplant zusammenarbeiten werden. Nachdem Medienberichte in dieser Woche für Wirbel gesorgt haben, meldet sich nun der designierte Teamchef Frederic Vasseur zu Wort. Und der lässt durchblicken, dass er vom Honda-Vertrag wenig begeistert ist.

Titel-Bild zur News: Frederic Vasseur, Toto Wolff

Bittet Frederic Vasseur seinen alten Bekannten Toto Wolff um (Motoren-)Hilfe? Zoom

"Die Honda-Frage liegt auf dem Tisch", wird der Franzose von 'L'Equipe' zitiert. "Das ist das Erste, woran ich arbeiten werde. Wir müssen das schnell regeln. Denn alles, was ich von McLaren höre, ist beängstigend." Das klingt so, als wäre sein erster Auftrag für die Sauber-Eigentümer von Longbow Finance, jenen Honda-Vertrag zu kündigen, der unter Vasseurs Vorgängerin Monisha Kaltenborn unterzeichnet wurde.

'Auto Bild motorsport' hatte am Mittwoch berichtet, dass Honda den Sauber-Vertrag von sich aus gekündigt habe, unter Berufung auf eine Klausel, die das bei einem Wechsel der Teamleitung möglich machen soll. Das Sauber-Team lässt offizielle Anfragen von 'Motorsport-Total.com' zu diesem Thema unbeantwortet - wie bei den Schweizern in den vergangenen Monaten üblich.

Bei Recherchen sind wir jedoch auf eine zweite Darstellung gestoßen, die da lautet: Während Kaltenborn den Honda-Deal als technische Partnerschaft betrachtet hat, wollte Honda Sauber immer nur als klassisches Kundenteam haben. Und rund 20 Millionen Euro pro Saison für den schlechtesten Motor der Formel 1 zu bezahlen, erscheint der Post-Kaltenborn-Führung in Hinwil nicht plausibel.

Welche Geschichte nun wahr ist, entzieht sich Stand heute unserer Kenntnis.

Interessant in diesem Zusammenhang: Es soll Jean Todt höchstpersönlich gewesen sein, der in Österreich kurzfristig Eric Boullier (McLaren) und Yusuke Hasegawa (Honda) in die Freitags-Pressekonferenz berufen hat. Im festen Glauben, die Trennung der beiden sei bereits beschlossene Sache, wie mit der Situation vertraute Personen schwören.


Fotostrecke: F1 Backstage: Spielberg

Doch seit die Zusammenarbeit zwischen Sauber und Honda nicht mehr in Stein gemeißelt ist, scheint der Wind zwischen McLaren und Honda zu drehen. Honda möchte diesen Herbst, spätestens beim Heim-Grand-Prix in Suzuka, eine weitere Ausbaustufe zünden. Von der hängt vieles ab. Bringt sie nicht den erhofften Fortschritt, könnte sogar ein Formel-1-Ausstieg in Erwägung gezogen werden. Geht es damit vorwärts, ist das Projekt McLaren-Honda noch nicht tot.

Für Sauber ist eine Kooperation mit Honda nur interessant, wenn es eine enge technische Vernetzung gibt und die Motoren zumindest rabattiert (wenn nicht gratis oder sogar subventioniert) angeboten werden. Das ist undenkbar, solange McLaren ebenfalls Honda-Partner ist. Sollte sich aber McLaren von Honda trennen und die Japaner in der Formel 1 bleiben, wäre Sauber-Honda wieder eine gangbare Variante.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Im politischen Tauziehen um die Motoren 2018 spielen auch die in den Statuten verankerten FIA-Rahmenbedingungen eine Rolle. Sollte Honda wirklich aussteigen, würden Mercedes und Renault je drei Teams beliefern, Ferrari nur zwei. Die Italiener müssten also entweder Sauber oder McLaren in ihr Portfolio aufnehmen.

Dabei dürfte die Wahl auf Sauber fallen - auch wenn es laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' bereits Gespräche zwischen McLaren und Ferrari gegeben hat. Nur: Wie soll McLaren argumentieren, dass die hauseigenen Sportwagen besser sind als jene von Ferrari, wenn im Formel-1-Auto ein Ferrari-Motor steckt? Das birgt Marketing-Konflikte, die auf den ersten Blick unüberwindbar scheinen.

Umgekehrt wäre Sauber für Ferrari ein attraktiver Kunde. Erstens kennt man sich seit Jahren. Zweitens könnte man einen der hauseigenen Junioren im Cockpit neben Marcus Ericsson platzieren, zum Beispiel Antonio Giovinazzi oder Charles Leclerc. Und drittens würde man mit Sauber im Gegensatz zu McLaren kaum Gefahr laufen, sich einen neuen Gegner aus dem eigenen Lager stark zu machen.

Völlig vom Tisch ist aber auch eine Zusammenarbeit zwischen Sauber und Mercedes nicht. Vasseur und Mercedes-Sportchef Toto Wolff kennen sich seit Jahren und verstehen sich gut. Wer allerdings glaubt, Vasseur könne Renault-Power für Sauber an Land ziehen, der irrt. Eine solche Zusammenarbeit ist weder in Viry-Chatillon noch in Hinwil ein Thema.