• 14.08.2006 10:56

  • von Fabian Hust

Montoya: "Ich ging aus Langeweile"

Der Kolumbianer spricht Klartext: Über die verlorene Lust an der Formel 1 und sein angekratztes Verhältnis zu Teamchef Ron Dennis

(Motorsport-Total.com) - Weil er hinter den Kulissen mit McLaren-Mercedes noch um Geld kämpft, war es in den vergangenen Wochen verdächtig still um "NASCAR-Flüchtling" Juan-Pablo Montoya. In einem Interview hatte Montoya Anfang August erstmals ausgesprochen, was ihn zu seinem Wechsel bewogen hat: Fehlende Angebote aus der Formel 1.

Titel-Bild zur News: Juan-Pablo Montoya

Juan-Pablo Montoya hatte keine Lust mehr auf die Formel 1

Zwar ist bekannt, dass Frank Williams den Kolumbianer gerne zurück in sein Team geholt hätte, doch die Perspektive, für ein derzeitiges Mittelfeldteam an den Start zu gehen, war für Montoya nicht so verlockend wie der sportlich und finanziell attraktive Vertrag mit Chip Ganassi, auch wenn Geld keine Rolle gespielt haben soll.#w1#

Um sich diese Chance nicht entgehen zu lassen, kehrte er der "Königsklasse des Motorsports" um einige Jahre früher als ursprünglich geplant den Rücken zu. Nur ein Angebot von Ferrari oder Renault hätte ihn umstimmen können. Doch das gab es nicht.

Montoya will "zehn bis 15 Jahre" NASCAR fahren

Momentan hält sich Montoya mit seiner schwangeren Frau Connie und seinem Sohn Sebastian in Miami auf, wo er in Zukunft auch leben wird. Die Familienplanung hat für seine Entscheidung ebenfalls eine Rolle gespielt - genau wie die Tatsache, dass er nun noch "zehn bis 15 Jahre" in der NASCAR vor sich habe. An ein komplettes Ende seiner Rennfahrerkarriere denkt der 30-Jährige noch lange nicht.

In einem Interview mit der kolumbianischen Zeitung 'El Tiempo' hat "JPM" nun erklärt, dass er auch einen anderen Grund hatte, warum er der "Königsklasse des Motorsports" den Rücken zuwandte: "Ich entschied mich zu gehen, bevor ich sie verfluche. Ich ging aus Langeweile, ich genoss die Rennen nicht."

Podium in Italien 2005

Juan-Pablo Montoya holte in der Formel 1 sieben Siege Zoom

"Ich hatte schon alles getan, was ich tun musste und hatte schon beinahe alle Ziele erreicht, die ich mir gesetzt hatte", so der Rennfahrer aus Bogota weiter. "Mir fehlte es nur an einer Weltmeisterschaft und ich realisierte, dass die Möglichkeit, das zu schaffen, minimal ist. Zu gehen war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können."

Der Gewinn des Titels sei zwar nicht unmöglich gewesen, sei aber zu stark abhängig davon gewesen, für welches Team er fahren könne: "Um den fünften Platz zu kämpfen ist nicht lustig. Ich wollte eine neue Herausforderung. Das ist die NASCAR. Sie ist anders, eine frische Herausforderung. Es ist eine andere Welt, in der es entspannter zugeht, die Leute sind dort gutmütiger."

Keine Freude am McLaren-Mercedes

Das Fahren im McLaren-Mercedes habe ihn gelangweilt, wie Montoya weiter erklärt: "Mein Teamkollege wurde ebenfalls nur Fünfter und Sechster. Wir kamen immer auf den gleichen Positionen ins Ziel. Das lag nicht an mir sondern am Auto. Ich hatte viele Probleme mit dem Auto, es wurden viele Veränderungen vorgenommen, es gab viele Defekte."

Auch seine Beziehung zu Teamchef Ron Dennis sei nicht die beste gewesen: "Ich sprach nicht einmal mit ihm. Als ich ging rief sein Rechtsanwalt meinen an. Man regelte das zwischen Rechtsanwalt und Rechtsanwalt."

Ron Dennis und Juan-Pablo Montoya

Dennis und Montoya: Das Verhältnis war zum Schluss nicht mehr intakt Zoom

"Ich war einfach gelangweilt. Eines Tages rief ich Ron an und sagte ihm: 'Hör' mir zu Ron, ich will dich heute wissen lassen, dass wir bekannt geben werden, dass ich gehen werde. Ich will es dich wissen lassen, bevor es publik wird'." Dennis habe daraufhin lediglich "in Ordnung" gesagt: "Die Unterhaltung dauerte keine 20 Sekunden. Es gab nichts, über das wir uns noch zu unterhalten hatten." Dennis habe ihn auch nicht umzustimmen versucht.

Doch warum beurlaubte man Montoya seitens McLaren-Mercedes vorzeitig? "Sie sagten, dass sie sich Sorgen um meine Konzentration machen, da ich schon einen Vertrag mit der NASCAR unterschrieben hatte, dass ich der Formel 1 nicht mehr meine volle Aufmerksamkeit widmen würde. Für sie war es wichtig, sich um ihre Zukunft zu kümmern und dass ich mich um meine kümmere."

Teamaussagen waren nur Politik

Beide Parteien hätten gesagt "Lasst uns dies ein für alle mal beenden". Das zeigt, dass die Aussagen des Teams, wonach Montoya dieses Jahr noch einmal zurückkehren könnte, rein politischer Natur sind: "Es ist einfach so, wie wenn dich dein Boss nicht mehr mag", so Montoya weiter. "Selbst wenn du bei der Arbeit alles gibst, werden sie dich feuern, wenn sie dies wollen."

Die Beziehung zu Ron Dennis sei gut gewesen, "bis ich mir meine Schulter brach" (Anfang 2005 nach einem angebliche Sturz beim Tennisspielen; Anm. d. Red.). "Ich rief ihn an und erklärte ihm, was passierte. Die englische Presse erzählte eine andere Geschichte und sie begannen, Ron auszulachen, weil er meiner Version glaubte. Und er dachte, dass ich ihn vor der ganzen Welt wie einen Idiot aussehen ließ. Von da an war das Vertrauen nicht mehr das gleiche."

Montoya hat sich von der Formel 1 schon "abgekoppelt"

Wesentlich länger war das Telefonat mit seinem neuen und alten Teamchef Chip Ganassi. Er rief an, man erkundigte sich, wie es so geht. Ganassi sagte ihm, dass er nach einem Fahrer sucht und Montoya erklärte, dass er selbst auf der Suche nach einem Cockpit ist: "Von der Formel 1 habe ich mich schon abgekoppelt", so Montoya weiter. "Ich habe mir nicht einmal das vergangene Rennen angeschaut..."

Stattdessen freut sich Montoya nun auf seine "neue Welt": "Die Saison geht im Februar los und endet im November. Es geht in 36 Wochenenden des Jahres rund. Das Rennen dauert zwei Stunden, die langen viereinhalb. In der Formel 1 dauert ein Rennen im Schnitt anderthalb Stunden. Es gibt 38 bis 40 Autos - doppelt so viele wie in der Formel 1."

Natürlich will Montoya in der NASCAR Rennen gewinnen, erwartet aber, dass es "hart" sein wird, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen: "Einer der Leute aus dem Team sagte zu mir 'Wenn du in den ersten fünf Rennen unter die ersten 20 kommst, dann wärst du der Beste'..."