• 21.10.2006 11:58

  • von Marco Helgert

Michael Schumacher: Held oder Schurke?

Die Ex-Formel-1-Piloten Niki Lauda, Stirling Moss, Jacques Villeneuve, Hans-Joachim Stuck und Martin Brundle über den Rekordweltmeister

(Motorsport-Total.com) - Erfolg sorgt für Anerkennung, aber nicht immer für Beliebtheit. Vor den sportlichen Leistungen eines Michael Schumachers verneigen sich Weggefährten und Fans, doch am Rekordweltmeister scheiden sich auch die Geister. Für die einen ist er der beste Rennfahrer aller Zeiten, ein Held im Cockpit. Die anderen stellen seine umstrittenen Situationen in den Vordergrund. Es bleibt ein vermischtes Bild des 91-fachen Grand-Prix-Siegers.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

An Michael Schumacher scheiden sich auch die Geister der Experten

Held oder Schurke? Fünf Ex-Formel-1-Piloten wurde dazu vom 'Independent' befragt. Für Niki Lauda ist Schumacher ein Held: "Siebenmaliger Weltmeister, das kann kein anderer", erklärte er. "Wenn man Michael als Rennfahrer betrachtet, dann war niemand so lange an der Spitze wie er. Er hat immer alles gegeben und nie aufgehört. Eine Weltmeisterschaft zu gewinnen ist einfach. Man muss nur im richtigen Auto zur richtigen Zeit sitzen. Aber bei sieben Titeln..."#w1#

Auch für Hans-Joachim Stuck steht fest: Schumacher ist ein Held. "Ohne Zweifel", erklärte er. "Vor allem mit dem, was er für den deutschen Motorsport gemacht hat. Es gibt eine ganze Generation von jungen Fahrern. Aber um ein Held zu sein, darf man nicht immer geradlinig sein. Doch er ist auch abseits des Fahrens ein Held, er hat den anderen gezeigt, wie man das Leben eines professionellen Rennfahrers lebt, ein Team motiviert und sich auf die Arbeit konzentriert."

Schumachers "schurkenhafte Züge"

Geteilte Meinungen haben Stirling Moss und Martin Brundle. Er sei eine Mischung aus Held und Schurke, so Moss: "Er war bei einigen Gelegenheiten fantastisch, aber ich war über das, was er in Monaco gemacht hat (die Streckenblockade; Anm. d. Red.) aufgebracht. Das kann ich nicht akzeptieren." Für Martin Brundle ist Schumacher "ein Held mit schurkenhaften Zügen". "Selbst, dass man diese Frage stellt, zeigt doch das Problem."

"Warum kann er mit seinen Fehlern nicht so umgehen wie mit einem Rennauto?" Niki Lauda

Für Jacques Villeneuve hingegen ist die Situation klar. "Michael ist kein großer Champion, denn er hat zu viele schmutzige Dinge angestellt. Er ist kein großartiger Mensch. Ich denke, das Problem ist, dass man nie seine wahre Persönlichkeit zu Gesicht bekam", so der Kanadier. Doch auch die Pro-Held-Fraktion ist nicht mit allem einverstanden, was Schumacher in seiner Karriere gemacht hat.

"Wenn jemand so gut darin ist, innerhalb von Sekundenbruchteilen eine Entscheidung zu fällen, die über Sieg oder Unfall entscheidet, wie konnte er dann so etwas wie in Monaco machen?", fragte sich Lauda. "Das war eigentlich völlig normal, wir alle haben das gemacht. Der Unterschied ist, dass er vom Fernsehen eingefangen wurde. Dann war er zwei Tage ruhig und präsentiert dann eine Geschichte, die keine war. Ich verstehe da seinen Konflikt in seinem Kopf nicht. Warum kann er mit seinen Fehlern nicht so umgehen wie mit einem Rennauto?"

Auch Moss teilt diese Ansicht. "Wenn er einen Unfall gebaut hätte, aus dem Auto gestiegen wäre und seinen Helm auf den Boden gefeuert hätte, dann hätten wir alle gesagt: 'Armer Kerl'", erklärte er. "Aber es war zu offensichtlich." Für Villeneuve ist Schumacher daher auch ein Lügner. "Auch Senna hat so etwas gemacht, aber mit mehr Klasse."

"Nur ein Rennfahrer..."

Senna aber habe seine Taten immer offen zugegeben. "Er hat seine Fans nicht belogen, das ist der Unterschied zu dem, was Michael in Monaco, Jerez 1997 und Adelaide 1994 getan hat", so Villeneuve. "Das Traurige daran ist, dass die Fans es akzeptieren. So können sie den Sport, den sie lieben, noch respektieren. Michael nutzt den Vorteil dieser Loyalität."

"Ich denke, dass die Leute ihn vergessen werden, sobald er den Helm an den Nagel hängt." Jacques Villeneuve

Ist der Ferrari-Pilot aber trotzdem nicht nur der Rekordweltmeister, sondern der größte Rennfahrer aller Zeiten? "Er war sicher der beste seiner Ära", relativierte Moss. "Seine größten Beiträge waren es, Ferrari zurück an die Spitze zu bringen und seine wahnsinnige Konstanz über eine lange Zeit. Aber es ist nicht fair, verschiedene Epochen zu vergleichen. Hätte Senna länger gelebt, dann hätte er besser sein können. Und für mich war Fangio der Beste."

Auch Stuck möchte nicht so weit gehen. Bei der Anzahl der Erfolge sei er klar der beste Rennfahrer aller Zeiten, nicht aber aus der Sichtweise einer Heldenfigur. "Vielleicht dauert es ein paar Jahre, bis die Sichtweise dafür stimmt", so Stuck. "Ich würde sagen, dass Senna der Beste war, aber es ist schwer, verschiedene Epochen zu vergleichen. Fangio war auch ein Held, aber wenn man die Autos sieht, die mein Vater in den 30er Jahren fuhr, dann war das noch einmal gefährlicher."

"Er ist ein Rennfahrer, ein reinrassiger Rennfahrer, aber auch nur ein Rennfahrer", so Villeneuve. "Ich denke, dass die Leute ihn vergessen werden, sobald er den Helm an den Nagel hängt. Senna dagegen wird nie vergessen werden. Ich glaube nicht einmal, dass Michael so lange in den Erinnerungen der Menschen nachhängen wird wie Prost oder vor allem Mansell. Diese Leute erarbeiteten sich einen Heldenstatus, den Michael nie hatte und nie haben wird."