Mehr Reifenmischungen: Pirelli hat Image-Bedenken

Pirelli gibt sich bei den Diskussionen über freie Reifenwahl und mehr Mischungen abwartend: Die Formel 1 muss zuerst wissen, was man überhaupt erreichen will

(Motorsport-Total.com) - Sportlich gesehen ist die Debatte um die Haltbarkeit der Pirelli-Reifen in diesem Jahr in den Hintergrund gerückt. In den vergangenen Wochen gerieten die Reifen wieder in den Fokus, denn es wird über die Zukunft diskutiert. Pirelli zeigte in Monaco einen GP2-Boliden mit 18-Zoll-Rädern und auch Michelin bekundete Interesse an einer Rückkehr in die Königsklasse und machte sich ebenfalls für größere Räder stark.

Titel-Bild zur News: Paul Hembery

Pirelli-Motorsportchef ist von den Vorschlägen der Teams nicht begeistert Zoom

Dieser Vorschlag scheint nun vom Tisch zu sein, denn die Teams haben sich offenbar darauf geeinigt, weiter bei 13 Zoll zu bleiben. Nur die Breite der Pneus wird noch diskutiert. Ebenfalls zur Diskussion steht die Frage, ob Teams in Zukunft selbst ihre beiden Mischungen pro Rennwochenende nominieren dürfen. Unterschiedliche Vorschläge liegen auf dem Tisch.

Seit diese Idee durch den Raum schwirrt, zeigt sich Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery wenig begeistert. "Wir sind damit nicht sehr glücklich. Man kann aus diesem Vorschlag herleiten, dass die Vorhersagbarkeit geringer werden soll. Wenn man das erreichen will, gäbe es auch andere Möglichkeiten", meint der Brite im Rahmen des Grand Prix von Kanada. "Wir arbeiten daran."

"Derzeit wird diskutiert und es liegen unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch. Wollen wir mehr Variablen und Überraschungen erleben? Wenn man das haben möchte, dann ist es besser, je weniger Informationen die Teams haben. Wenn man auf der anderen Seite mehr Simulationen macht, schließt man einige Variablen aus. Es ist momentan schwierig zu verstehen, was man eigentlich erreichen will."

Pirelli 18 Zoll

In Monaco zeigte Pirelli einen GP2-Boliden mit 18-Zoll-Rädern Zoom

In den Jahren 2011 und 2012 war die Vorhersagbarkeit der Rennen wegen der Reifen kaum möglich. Es gab turbulente Grands Prix und unterschiedliche Sieger. Trotzdem stand Pirelli gerade deswegen in der Kritik, obwohl Reifen mit diesem Verhalten gewünscht worden waren. Seit der Einführung der Turbohybrid-Motoren wählt Pirelli eine konservativere Herangehensweise und es hagelt trotzdem Kritik, da zu wenig Spektakel geboten wird.

Bevor bei den Reifen der Zukunft Schnellschüsse abgefeuert werden, mahnt Hembery zur Vorsicht. Zuerst muss klar sein, welche Auswirkungen man mit den Reifen auf die Rennen erzielen will. Der Pirelli-Motorsportchef nennt ein Beispiel: "Regenrennen stechen natürlich immer heraus, denn sie sind komplett unvorhersehbar. Wenn man das (im Trockenen; Anm. d. Red.) erreichen will, geht das mit unseren derzeitigen Produkten nicht."

Reifen werden für 2016 kaum verändert

Für die kommende Saison wird sich ohnehin nichts ändern, wie Hembery betont. Es wird auch bei vier Mischungen für die Slicks bleiben: "Es ist natürlich schwierig, weil die Testmöglichkeiten sehr beschränkt sind. Wenn man keine Tests machen kann, dann wird es eine hypothetische Frage. Für das nächste Jahr sind die Entwicklungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Deswegen wird unser Produkt sehr ähnlich wie in dieser Saison sein."

Deswegen wird es auch im nächsten Jahr sehr wahrscheinlich nicht das Szenario geben, dass sich die Teams ihre Mischungen selbst aussuchen können: "Es wird nur vier Mischungen geben, manchmal wird die Entscheidung aus Sicherheitsgründen getroffen. Wenn die falsche Wahl getroffen wird und herauskommt, dass ein Team einen Fehler gemacht hat, wird die Schuld bei uns gesehen", nennt Hembery den Hauptkritikpunkt aus Pirelli-Sicht. "Das können wir nicht erlauben. Vielleicht wäre etwas Flexibilität erlaubt, aber es dürfen dadurch keine Probleme entstehen."

Pirelli

Auch im kommenden Jahr wird Pirelli nur vier unterschiedliche Slicks fertigen Zoom

"Ich glaube, ich habe 30 verschiedene Vorschläge gesehen. Es ist schwierig, sie alle zu kommentieren. Man muss abwarten, wie die endgültige Entscheidung aussieht", hält der Brite fest. Vorschläge, dass Teams wenige Wochen vor einem Rennen ihre Reifen nominieren können, lehnt Hembery ab: "Wir wollen nicht, dass es Entscheidungen in letzter Minute gibt, die unsere Logistikkosten in die Höhe treiben."

Freie Wahl der Mischungen würde nichts ändern

Außerdem glaubt er ohnehin nicht, dass sich durch eine freie Wahl der Mischungen große Veränderungen auf der Strecke ergeben würden: "Aktuell hat jedes Team die gleichen Reifen. Wenn jemand nicht gewinnt, kann er es nicht auf die Reifen schieben. Die Topteams werden ohnehin immer die gleiche Herangehensweise wählen. Das sieht man bei der Boxenstoppstrategie, sie versuchen, die meisten Variablen auszuschließen. Sie wollen die gleichen Möglichkeiten wie die direkte Konkurrenz haben."

Viel wird dieser Tage darüber diskutiert, wie das Spektakel der Formel 1 verbessert werden könnte. Ob die Fanumfrage der GPDA einen Einfluss haben wird, bleibt abzuwarten. Auch Hembery kennt mittlerweile das Haifischbecken der Formel 1 gut: "Auf der einen Seite wird für das Publikum gearbeitet, auf der anderen arbeitet jeder an den eigenen Resultaten. Manchmal ist das Verhältnis zwischen diesen Seiten nicht ganz richtig. Deshalb muss man verstehen, was man eigentlich erreichen will. Dann kann man besser reagieren. Genau in diesem Punkt ist die Formel 1 kompliziert."


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Der aktuelle Vertrag mit Pirelli läuft Ende 2016 aus. Die FIA hat bereits eine Ausschreibung für den Reifenpartner von 2017 bis 2019 gestartet. Pirelli wird sich bewerben, Michelin hat Interesse bekundet. Deshalb sind Gespräche über die zukünftigen Reifen ab 2017 für Pirelli momentan nur theoretischer Natur: "Wir haben noch keinen Vertrag, also können wir vorschlagen, was wir wollen und damit einige Leute verschrecken", lacht Hembery.

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