Luxusproblem Stallkrieg: Force India von Ocon überrascht

Warum sich Force India über den Stallkrieg zwischen Sergio Perez und Esteban Ocon freut, auch Baku ein guter Boden sein müsste und ob Red Bull nun zittern muss

(Motorsport-Total.com) - Force India sorgte in Montreal für den Aufreger des Rennens: mit dem tollen Tempo, der das Team von einem Podestplatz träumen ließ, aber auch mit dem heißen Schachspiel von Sergio Perez und Esteban Ocon am Boxenfunk, die am Ende Fünfter und Sechster wurden. Obwohl der Haussegen nach dem Rennen schiefhing und sich der junge Franzose um Platz drei gebracht fühlte, sieht Betriebsleiter Otmar Szafnauer die Lage positiv und freut sich über das Stallduell. Neben der Tatsache, dass man gegen Red Bull kämpfte, nehme er nach diesem Rennen vor allem mit, "dass wir zwei Fahrer haben, die miteinander arbeiten und eng beisammen liegen. Das bedeutet, dass sie einander pushen und voneinander lernen werden."

Davon war man vor der Saison, als man Mercedes-Junior Ocon als Ersatz für Nico Hülkenberg an Bord holte, offenbar keineswegs ausgegangen: "Wir hatten das mit Nico und Sergio und waren etwas unsicher, ob das auch mit Esteban so sein würde. Er ist aber sehr rasch in Schuss gekommen, und das wird beiden helfen. Das ist großartig." Trotz der schlechten Laune bei Ocon gibt es Lob für den 20-Jährigen, der gegenüber Pascal Wehrlein den Vorzug erhielt: "Das war Estebans bestes Rennen."

Trotzdem glaubt Szafnauer nicht, dass Ocon den drittplatzierten Red-Bull-Piloten Daniel Ricciardo niedergekämpft hätte, hätte man den Youngster an Perez vorbeigelotst. "Ich glaube, dass wir schneller als Red Bull waren, aber vielleicht nicht um eine Sekunde. Eher um eine halbe Sekunde. Aber das reicht hier nicht, um zu überholen. Sergio ist ein toller Überholer. Er hat hinter Ricciardo auf einen Fehler gewartet, den Ricciardo, der ein großartiger Fahrer ist, nicht gemacht hat."

Droht Red Bull Gefahr?

Wie oft dem Betriebsleiter in diesem Rennen, das mit dem haarsträubenden Überholmanöver Vettels gegen Ocon in der 67. Runde einen Höhepunkt erlebte, das Herz stehenblieb? "Vier oder fünf Mal?", grinst er. "Aber einstellig, nicht zweistellig." Kein Wunder, dass er sich über die Plätze fünf und sechs freut, denn in Kanada gelang es der kleinen indischen Truppe mit Sitz in Silverstone, nach Mercedes die meisten Punkte in der Konstrukteurs-WM zu holen. Dass man nun 41 Punkte hinter Red Bull auf Platz vier liegt und damit gar nicht soweit hinter dem utopisch anmutenden Saisonziel, in die Top 3 zu kommen, grenzt eigentlich an ein Wunder.

"Dass wir gegen Red Bull gefahren sind, ist vielleicht etwas streckenspezifisch." Otmar Szafnauer

Muss sich Red Bull nun warm anziehen? "Dass wir gegen Red Bull gefahren sind, ist vielleicht etwas streckenspezifisch. Bei anderen Rennen werden wir weiter weg sein", zeigt sich Szafnauer realistisch. Man habe aber mit dem großen Update in Spanien, das vor allem den Strömungsabriss beim Unterboden verhindert, und den neuen Teilen für Kanada auf den Vizeweltmeister des Vorjahres aufgeholt.

Geht es nun so weiter? "Wir haben die Lücke hier geschlossen", meint Stzafnauer. "Wenn wir das bei jedem Rennen tun, dann haben wir alle Chancen, in die Top 3 zu kommen." Doch Technikchef Andy Green steigt auf die Bremse: "Der Red Bull ist ein sehr gutes Chassis. Es wird schwierig, sie zu schlagen."

Force-India-Festspiele könnten schon in Baku weitergehen

Zumal man in Kanada auch deswegen gleich viele Punkte wie der Rivale holte, weil Max Verstappen früh auf Platz zwei liegend auschied. "Der Ausfall von Max war für uns ein Glücksfall", gibt Szafnauer zu. "Ich denke, dass er vor uns gewesen wäre, da wir wir ja auch Ricciardo nicht überholen konnten - und Max war bis zum Ausfall vor ihm."

Überhaupt mahnt Szafnauer sein Team an jetzt ja nicht nachzulassen, und argumentiert mit der Saison 2016: "Im Vorjahr war es zwischen uns und Williams sehr eng, obwohl sie heute vor einem Jahr mehr Punkte hatten als wir. Alles kann also passieren." Auch eine absolute Topplatzierung - und das vielleicht schon in zwei Wochen in Baku. "Wir hoffen, dass wir uns dort gut schlagen werden", ist Szafnauer zuversichtlich. "Es handelt sich um einen ähnlichen Streckentyp wie Montreal, der Asphalt ist auch sehr glatt und es gibt lange Geraden. Darauf freuen wir uns."

"Bei Baku handelt sich um einen ähnlichen Streckentyp wie Montreal." Otmar Szafnauer

Doch auch wenn es mit dem dritten Platz in der Konstrukteurs-WM am Ende schwierig wird, so liegt man derzeit immerhin 42 Zähler vor Verfolger Toro Rosso. Williams hat sogar 49 Punkte Rückstand. Das Geheimnis des Force-India-Erfolgs? "Wir treffen viele Entscheidungen - am Kommandostand, in der Fabrik und so weiter", erklärt Szafnauer. "Jede einzelne muss die bestmögliche sein - mit der Performance stets im Fokus. Wenn jedes unserer 400 Teammitglieder jeden Tag die bestmögliche Entscheidung trifft, und das immer wieder passiert, dann kommt so etwas dabei heraus."