• 07.05.2010 19:08

  • von Dieter Rencken

Klien: "Auto nicht auf Formel-1-Standard"

Christian Klien erzählt, wie sein Comeback erst zwei Minuten vor Trainingsbeginn besiegelt wurde und wie er den ersten Tag im HRT-Auto erlebt hat

(Motorsport-Total.com) - Christian Klien kann mit seinem ersten Arbeitstag für HRT zufrieden sein: Der Österreicher leistete sich im Freien Training am Vormittag in Barcelona keine nennenswerten Fehler und hängte seinen Teamkollegen Bruno Senna überraschend um eine halbe Sekunde ab - nicht schlecht, wenn man bedenkt, wie lange er nicht mehr Formel 1 gefahren ist. Anschließend schilderte er im Tischgespräch sein Comeback, das beinahe ins Wasser gefallen wäre...

Titel-Bild zur News: Christian Klien

Christian Klien kann mit seinem ersten Auftritt im HRT-Cockpit zufrieden sein

Frage: "Christian, erzähle uns doch bitte erstmal, was für ein Drama es heute Morgen mit der FIA-Superlizenz gegeben hat!"
Christian Klien: "Das war eine Last-Minute-Geschichte! Wir haben auf die Unterschrift von Jean Todt gewartet. Außerdem mussten wir den Vertrag an das Contract-Recognition-Board schicken. Der kam heute Morgen an. Die FIA musste sich das anschauen und Jean Todt musste noch unterschreiben. Blöderweise war er von 9:00 bis 10:00 Uhr in einem Meeting! Um 9:50 Uhr haben wir dann erst das Okay seitens der FIA bekommen und um 9:58 Uhr wurde uns die Botschaft von Charlie Whiting übermittelt. Karun hatte zur Sicherheit schon den Overall an, denn wäre die Freigabe nicht gekommen, hätte ich nicht fahren dürfen."#w1#

Kein Vertrag mit BMW oder Sauber

Frage: "Wahrscheinlich ging es darum, ob du noch beim BMW Sauber F1 Team unter Vertrag stehst oder nicht..."
Klien: "Das ist Sache des Recognition-Boards. Die prüfen alle Fahrerverträge und haben geschaut, ob ich einen Vertrag mit einem anderen Team habe. Das ist eine normale Prozedur. Normalerweise muss eine Superlizenz zwei Wochen vor dem Event beantragt werden, aber ich habe den Vertrag erst am Dienstag unterschrieben, also waren es nur drei Tage. Da wurde alles ein bisschen knapp, aber zum Glück hat die FIA schnell gearbeitet und mir die Freigabe erteilt, hier zu fahren."

Frage: "Mit dem BMW Sauber F1 Team gibt es also keinen Vertrag mehr?"
Klien: "Das ist schon seit Dezember erledigt."

Frage: "Wie war es, wieder in einem Formel-1-Auto zu sitzen?"
Klien: "Das war gut, vor allem an einem Rennwochenende. Natürlich ist es nur ein kleiner Schritt, denn es ist ein neues Team und das Auto ist ganz hinten. Das Team hat mich geholt, damit ich den Ingenieuren Feedback geben und das Auto mit BMW und Honda vergleichen kann. Dieses Auto ist offensichtlich nicht auf Formel-1-Standard. Es hat viel zu wenig Anpressdruck und die ganzen Details sind nicht so fein wie bei den anderen Autos."

"Das macht es einfach, ins Auto zu steigen und den Ingenieuren viele Bereiche zu nennen, in denen die anderen Autos besser sind. Mir waren die großen Baustellen schon nach den ersten 20 Runden klar. Hoffentlich können wir das Auto mit mehr Feedback verbessern. Selbst ohne neue Teile steckt noch Rundenzeit in diesem Auto - eine halbe Sekunde bis eine Sekunde, würde ich schätzen. Das geht rein über das Setup und über die Elektronik, wenn das Auto fahrbarer wird. Im Moment ist es sozusagen ein Bastard auf der Strecke - es ist sehr schwierig zu fahren."

Frage: "Wie ist die Leistung im Vergleich zu BMW?"
Klien: "Ich bin einen Motor im Trainingsmotor gefahren, hatte also 50 PS weniger zur Verfügung. Ich bin nur eine Runde im Rennmodus gefahren. Der Motor ist okay."


Fotos: HRT, Großer Preis von Spanien, Freitag


Frage: "Also ist das Chassis der Schwachpunkt, nicht der Motor?"
Klien: "Ich glaube nicht, dass der Motor das Hauptproblem ist. Es liegt definitiv am Chassis."

Frage: "Siehst du noch andere Verbesserungen, die kurzfristig möglich sind?"
Klien: "Die Frage ist, wie viel Geld man in dieses Auto stecken will. Klar ist, dass man mit diesem Chassis keinen Blumentopf gewinnen wird, also muss man ein neues Auto bauen. Die Saison ist aber noch lang und ich habe bisher das Gefühl, dass das Team auch dieses Auto noch verbessern möchte. Eine halbe Sekunde oder eine Sekunde steckt wie gesagt noch drin, ohne dass man teure Teile entwickeln muss."

Frage: "Wie lange hast du benötigt, um den Körper wieder an die Formel 1 zu gewöhnen?"
Klien: "Eigentlich überhaupt nicht. Da kommen mir die vielen Kilometer im Peugeot-Langstreckenprogramm zugute. Es war sofort wie immer: die Wahrnehmung, die Reflexe, die Bremspunkte. Wir haben einige Dinge ausprobiert, unter anderem einen Zehn-Runden-Turn, bei dem ich konstant gleiche Rundenzeiten fahren konnte, ohne Ausreißer. Das ist immer ein gutes Zeichen. Körperlich fühle ich mich ohnehin bestens."

Knapp am Renncockpit vorbei

Frage: "Ist es nicht ein Pokerspiel um deine Karriere, als dritter Fahrer des schlechtesten Teams in die Formel 1 zurückzukehren?"
Klien: "Ja, jetzt schon. Im Winter habe ich mit Sauber und Renault gesprochen, aber das kam nicht zustande. Du musst ein Formel-1-Auto fahren und möglichst am Rennwochenende, damit die Leute sehen, was du kannst. Das ist das Wichtigste auf dem Weg zurück in ein Renncockpit. So gesehen war es ein guter Schritt, denn ich habe wieder ein Bein in der Formel 1. Natürlich ist es nur ein kleiner Schritt, denn es ist ein Nachzüglerteam, aber es ist ein Schritt."

Frage: "Du gehörst zu den wenigen Piloten, die einen aktuellen Formel-1-Motor und einen Le-Mans-Diesel gefahren sind. Wo liegen die Unterschiede?"
Klien: "Der Diesel macht keinen Lärm! Er hat auch weniger Leistung, etwa 650 PS, aber das Drehmoment ist erstaunlich - 1.300 Newtonmeter, sehr beeindruckend! Das sind also sehr starke Motoren, die sehr ruhig laufen. Aus Fahrersicht ist der Diesel leichter zu bändigen."

Frage: "Könnte man einen Diesel auch in der Formel 1 verwenden?"
Klien: "Ich hoffe nicht! Eines der tollsten Dinge an diesem Motor ist ja der Lärm. Ich würde mir noch höhere Drehzahlen wünschen."

"Eines der tollsten Dinge an diesem Motor ist ja der Lärm." Christian Klien

Frage: "Wie viel Drehzahl leistet ein Diesel?"
Klien: "5.500 Umdrehungen pro Minute."

Frage: "Und wie fällt der Vergleich zwischen dem aktuellen Cosworth-Motor und dem Cosworth-Motor von 2004 aus, den du bei Jaguar gefahren bist?"
Klien: "Der hatte um 200 PS mehr, aber das kann ich nicht wirklich vergleichen. Der Cosworth war damals besonders im hohen Drehzahlbereich gut. So hohe Drehzahlen sind jetzt nicht mehr erlaubt. Aber ich habe mit diesem Motor auch gerade mal 25 Runden absolviert, insofern kann ich nicht viel sagen. Der Motor war okay. Das ist sicher nicht das Problem dieses Autos."

Frage: "Es ist kein Geheimnis, dass HRT nicht im Geld schwimmt. Musstest du Geld mitbringen, um dieses dritte Cockpit zu bekommen?"
Klien: "Das Team hat mich gebeten, bei der Weiterentwicklung zu helfen. Ich hoffe, dass ich so viel nützliches Feedback wie möglich geben kann. Und ich werde versuchen, so schnell wie möglich zu fahren und mein Bestes zu geben."

Frage: "Wie geht es nun weiter? Wann fährst du wieder?"
Klien: "Wenn es nach mir geht natürlich sofort, aber das entscheidet alleine das Team. Wir müssen jetzt erst einmal mit meinen gesammelten Daten und Eindrücken arbeiten. Alles weitere entscheidet dann das Teammanagement um Colin Kolles."

Frage: "Läuft dein Vertrag bis Jahresende?"
Klien: "Ja."