• 20.04.2010 15:13

  • von Stefan Ziegler

Irgendwo im Nirgendwo: Die Formel 1 im Vulkan-Chaos

Die Heimreise als Herausforderung: Wie die Fahrer und Teams der Formel 1 die Vulkansituation in Europa meistern und ihren Nachhauseweg antreten

(Motorsport-Total.com) - Die Logistik der Formel 1 ist eine äußerst schwierige und komplexe Angelegenheit, doch angesichts der Luftraum-Sperrung in Europa kommen selbst die gewieftesten Transport-Experten der "Königsklasse" ins Schwitzen: Zwei Tage nach dem Großen Preis von China sitzt ein Großteil des Formel-1-Starterfeldes noch immer in Schanghai fest, während die ersten Rückkehrer nun Europa erreichen.

Titel-Bild zur News: Flugzeug

...und alles wartet auf den Flieger: Die Formel 1 ist in Schanghai gestrandet

Unter den Glücklichen, welche die Reise-Odyssee bereits hinter sich gebracht haben, sind unter anderem die beiden Ferrari-Piloten Fernando Alonso und Felipe Massa. Das Fahrerduo der Roten konnte gemeinsam mit der Teamführung um Teamchef Stefano Domenicali und Aldo Costa schon frühzeitig die Heimreise antreten und kam in den Morgenstunden im französischen Nizza an.#w1#

Während Massa sein Zuhause in Monaco nach einem kurzen Transfer erreichte, machte sich Alonso umgehend auf, um per Auto zu seinem Wohnort in der Schweiz zu gelangen. Der Ferrari-Crew steht indes noch eine längere Fahrt ins Haus: Die Scuderia holt ihre Mitarbeiter gruppenweise zurück nach Europa - und zunächst nur nach Nizza. Dort stehen Omnibusse bereit, die Maranello als Ziel haben.


Fotos: Großer Preis von China, Sonntag


Was mit der Ausrüstung und den Rennwagen geschieht, ist indes noch nicht geklärt. Ferrari rechnet aber "nicht vor Freitag" damit, das Equipment wieder in Empfang nehmen zu können. Zumindest bei den spanischen Medien sorgte zudem ein Gast an Bord der Ferrari-Maschine für Aufregung: Renault-Pilot Robert Kubica hatte sich am Montag nach dem Rennen zur italienischen Reisegruppe gesellt.

Über Umwege zurück nach Europa

Der polnische Rennfahrer wird an diesem Wochenende einen Rallyeeinsatz in Italien bestreiten, wollte nach einem erschöpfenden Heimflug aber nichts von einem möglichen Ferrari-Engagement ab 2011 wissen. Entsprechend erhielt der 'AS'-Reporter als Antwort auf seine Frage nur ein müdes "klar, klar, klar" und ein Schulterzucken - Kubica konnte sich daraufhin ein Augenrollen nicht verkneifen.

"Wir treffen uns zweimal am Tag, um uns über die Reiseneuigkeiten auszutauschen." Red Bull

Wie es um die Situation von Red Bull bestellt ist, erläutert das Team via 'Twitter': "Wir treffen uns zweimal am Tag, um uns über die Reiseneuigkeiten auszutauschen. Noch sind wir in einem Hotel in China untergebracht. Milton Keynes haben wir noch nie dermaßen vermisst", lässt der österreichisch-britische Rennstall aus Schanghai ausrichten. Einzelne Angestellte sind aber bereits wieder zurück.

Dazu zählen unter anderem Teamchef Christian Horner und Stammfahrer Mark Webber. Die beiden sollen nach einer längeren Flugreise über Dubai, Rom und Nizza mittlerweile auf dem Weg nach Schottland sein, um von dort die letzte Etappe ins britische Milton Keynes anzutreten, wo das Team beheimatet ist. Ross Brawn und Sam Michael sollen Großbritannien bereits erreicht haben.

Die Formel-1-Urlauber sind fein raus...

Gleiches gilt für Toro-Rosso-Pilot Jaime Alguersuari: Der junge Spanier hat laut eigener 'Twitter'-Auskunft 42 Stunden an Bord von Flugzeugen verbracht und ist via Peking, New York und Madrid nun endlich in Barcelona angekommen. Während Virgin-Fahrer Timo Glock wieder sicher in Frankfurt gelandet ist, hatten andere Formel-1-Stars keinerlei Reiseprobleme nach dem China-Rennen.

"Wir haben einen Flug bei AirAsia genommen." Heikki Kovalainen

Der indische HRT-Rennfahrer Karun Chandhok hatte bei seinem Heimflug nach Madras überhaupt keine Schwierigkeiten und auch Teamchef Peter Sauber konnte seine Termine in Dubai und Japan wohl ohne Einschränkungen wahrnehmen. Jenson Button (McLaren) und Nico Rosberg (Mercedes) genießen indes ihre Urlaubstage in Thailand, Lewis Hamilton (McLaren) weilt in Südafrika.

Bewegung auch bei Lotus: Wie Stammpilot Heikki Kovalainen bei 'Twitter' bekannt gibt, ist sein Team von Schanghai nach Kuala Lumpur geflogen. "Wir haben einen Flug bei AirAsia genommen", erklärt der Finne - Lotus-Teamchef Tony Fernandes ist zugleich das Oberhaupt dieser Fluggesellschaft. Der Malaysier ließ es sich laut 'GPUdate.net' prompt nicht nehmen, eine Führung zu organisieren.¿pbvin|512|2663|inside|0|1pb¿

Lotus mit Stippvisite in Kuala Lumpur

Fernandes bot seinen Teammitgliedern eine exklusive Tour durch die AirAsia-Zentrale in Kuala Lumpur an, ließ seine Mannschaft im Flugsimulator trainieren und zeigte ihnen die Wartungshalle für seine Flugzeuge. Am Mittwoch können sich die Lotus-Mechniker zudem bei einem Kartrennen mit ihrem Rennfahrer Kovalainen messen - Jarno Trulli ist bereits auf dem Weg nach Italien.

"Für mich gibt es nur einen Weg: nach Hause." Lucas di Grassi

Die restlichen Lotus-Angestellten sollen "zum Ende der Woche" ebenfalls die Rückreise nach Europa in Angriff nehmen. Nichts anderes hat auch Virgin-Pilot Lucas di Grassi im Sinn: Der Brasilianer setzte sich via 'Twitter' mit drei möglichen Reiserouten auseinander, die von Flugzeug, Eisenbahn und Kleinwagen bis hin zum Fährschiff beinahe sämtliche Transportmöglichkeiten beinhalten würden.

Letztendlich kam di Grassi aber zum einfachen Schluss: "Für mich gibt es nur einen Weg: nach Hause." Ob der Formel-1-Neuling bereits an seinem persönlichen Zielpunkt angekommen ist, ist derzeit noch nicht klar. Gleiches gilt für die Lage des Renault-Teams, das noch immer größtenteils in China weilt. "Derzeit sieht es so aus, dass wir hier festhängen", sagt Teammanager Steve Nielsen.

Schanghai: Ausdauer und Geduld sind gefragt...

Man warte im Augenblick darauf, freie Plätze in den Flugzeugen zu ergattern. "Uns kommen Gerüchte zu Ohren, wonach Südeuropa langsam wieder offen ist, doch dann stehst du trotzdem noch vor der Herausforderung, ein Ticket für die entsprechenden Flüge zu finden", wird Nielsen am Dienstag von 'GPUdate.net' zitiert. "Alle Teams sitzen diesbezüglich allerdings im selben Boot", so der Brite.

"Frustrierend an dieser Sache ist vor allem das Gefühl der Hilflosigkeit." Steve Nielsen

"Frustrierend an dieser Sache ist vor allem das Gefühl der Hilflosigkeit", findet Nielsen. "Wir schauen uns nach wie vor sämtliche Optionen an und überlegen auch, ein Flugzeug zu chartern. Zum Glück wirst du in der Formel 1 darauf getrimmt, schnell auf gewisse Entwicklungen zu reagieren. Darin sind wir Experten", sagt der Teammanager des Renault-Rennstalls während seiner Wartezeit in China.


Fotos: Großer Preis von China, Girls


"Wenn ich optimistisch sein müsste, würde ich sagen, dass einzelne von uns Schanghai schon am Mittwoch verlassen können. Das liegt aber nicht in unseren Händen", erläutert Nielsen. Zumindest um den Rücktransport der Fahrzeuge und der Ausrüstung müssen sich die Teams nicht kümmern - diese Aufgabe übernimmt das Formula One Management (FOM) bei den Überseerennen der Formel 1.

Was geschieht mit der Formel-1-Fracht?

Zwei Tage nach dem Grand Prix in Schanghai lagern die Container aber noch immer am Flughafen, doch eine Alternative zum Luftweg gibt es laut Mercedes-Sportchef Norbert Haug nicht: "Wir brauchen Flugzeuge. Auf dem Seeweg würde uns bis Barcelona die Zeit ausgehen", wird der Deutsche von 'GMM' zitiert. Aber reicht die dreiwöchige Pause bis Spanien, um alles rechtzeitig vor Ort zu haben?

"Auf dem Seeweg würde uns bis Barcelona die Zeit ausgehen." Norbert Haug

Nielsen ist überzeugt davon: Letztendlich wird sich alles fügen: "Es wäre nicht weiter problematisch, die Zieladresse der Fracht kurzfristig zu verändern. Es kommt aber immer darauf an, wie sich die Situation entwickelt. Wenn uns die Zeit ausgeht, dann werden die Autos eben direkt nach Barcelona geflogen und nicht mehr extra zur Fabrik transportiert", erläutert der Teammanager von Renault.

"Analog dazu könnten auch die Mechaniker und die Ingenieure direkt nach Barcelona fliegen, wenn sich diese Lage noch eine Weile hinzieht", meint Nielsen. Indes machen sich auch die zahlreichen Medienvertreter Gedanken über ihre Rückreise: Die Transsibirische Eisenbahn, eine längere Schiffsreise oder zahlreiche Verbindungsflüge sind das, was die Rennjournalisten in China aktuell beschäftigt...