• 29.03.2009 16:08

  • von Dieter Rencken

Interview: Ursachenforschung mit Domenicali

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali analysiert die Pleite von Melbourne und zeigt dabei keine Scheu vor angemessener Selbstkritik

(Motorsport-Total.com) - Der Albert Park und Ferrari, das scheint irgendwie einfach nicht zu passen: Zwar haben die Roten in Melbourne schon sechsmal gewonnen, doch in den vergangenen beiden Jahren lastete anscheinend so etwas wie ein Fluch auf Felipe Massa und Kimi Räikkönen. Heute ging das Duo beim Saisonauftakt 2009 komplett leer aus. Anschließend stellte sich Teamchef Stefano Domenicali in der Ferrari-Hospitality wie nach jedem Grand Prix einer Diskussion mit den Medienvertretern - und er sparte dabei nicht mit Selbstkritik...

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali, Melbourne, Albert Park

Fairer Verlierer: Stefano Domenicali suchte heute nicht nach Ausreden

Frage: "Stefano, eure beiden Autos haben das Rennen heute nicht beendet. Kannst du aufklären, was genau die Ausfallursachen waren?"
Stefano Domenicali: "Bei Felipe war auf der linken Seite eine Spurstange gebrochen. Das war also ein mechanisches Gebrechen. Wie es dazu kommen konnte, wissen wir noch nicht. Kimi holten wir wegen des Differenzials rein. Wir waren uns nicht hundertprozentig sicher, dass damit etwas nicht stimmte, aber es war sicherer so."#w1#

Zuverlässigkeit als Achillesferse

"Die Zuverlässigkeit war heute ein Problem. Aber ich muss ehrlich zugeben: Die Zuverlässigkeit hat unser Ergebnis nicht beeinflusst. Kimi wäre so oder so ausgeschieden, auch wenn er es weiterhin probiert hätte, und bei Felipe trat das Gebrechen in einer fast aussichtslosen Position auf. Vielmehr war am heutigen Ergebnis die schlechte Performance schuld. Wir waren zu keinem Zeitpunkt schnell genug. Im Nachhinein betrachtet war auch die Strategie falsch, zumindest bei Felipe - für Kimi war es okay. Das müssen wir jetzt alles aufschreiben und nach Prioritäten sortieren."

Felipe Massa, Melbourne, Albert Park

Für Felipe Massa setzte es in Melbourne wie schon 2008 eine Nullrunde Zoom

"Wir haben heute gesehen, dass die Brawn-Autos wirklich sehr schnell, stark, konstant sind. Unter normalen Umständen - ohne Safety-Car-Phasen - wären uns die auf und davon geflogen. Brawn muss für uns das Ziel sein, aber um dort hinzukommen, haben wir zu Hause jede Menge Arbeit zu erledigen."

"Ich bin darüber nicht überrascht, denn wenn man Zeit hat, um sich auf ein neues Projekt zu konzentrieren, wie das bei denen der Fall war, dann kommen die Ergebnisse. Man sieht das ja auch an unserem Hauptgegner des vergangenen Jahres. Dazu muss ich auch sagen, dass die heute besser abgeschnitten haben als wir. Aber man muss jetzt mal das nächste Rennwochenende in Malaysia abwarten, denn ein sehr wichtiges Element sind die Reifen. Damit meine ich den Verschleiß und den Zusammenhang mit KERS. Es gibt dieser Tage viele Dinge, die man beachten muss."

Frage: "War an Kimis Auto nach der Berührung mit Rubens Barrichello irgendetwas gebrochen?"
Domenicali: "Nicht wirklich. Zumindest wäre uns nichts aufgefallen."

Frage: "Wie bewertest du euren Start?"
Domenicali: "Der war fantastisch! KERS hat hier geholfen, obwohl der Weg zur ersten Kurve nicht besonders lang ist. Aber die Freude hat nur acht Runden oder so gedauert, denn dann sind die weichen Reifen eingebrochen. Das kam unerwartet für uns. Wir müssen jetzt genau analysieren, warum es so gekommen ist."

Frage: "Zur Zeit des zweiten Boxenstopps konntet ihr auf Niveau von Robert Kubica mithalten. Was ging danach schief?"
Domenicali: "Kubica hatte eine bessere Pace. Natürlich gab es ein Rennen zwischen ihm und Kimi und wenn ich mir anschaue, was am Ende des Rennens passiert ist, dann wäre Kimi vorne dabei gewesen. Aber in jener Phase des Rennens hatte Kubica einfach die bessere Pace als wir."

Reifenverschleiß ist bei Ferrari zu hoch


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Australien, Sonntag


Frage: "Lag das an den Reifen?"
Domenicali: "Nicht nur, aber auch, denn Kubica hatte eine ähnliche Reifenstrategie wie wir, aber er brach nicht so extrem ein, als er die weichen Reifen drauf hatte. Da müssen wir uns hinsichtlich der Reifennutzung Gedanken machen, denn heute haben wir die Reifen stärker verschlissen als BMW."

Frage: "Kann das an KERS und an der Gewichtsverteilung liegen?"
Domenicali: "Das ist sicher ein Punkt, den wir analysieren und in Betracht ziehen müssen. Gar keine Frage."

Frage: "Haben nur die Hinterreifen abgebaut?"
Domenicali: "Vor allem die Hinterreifen, ja."

Frage: "Ist das Diffusorthema deiner Meinung nach der Schlüssel zu dieser Weltmeisterschaft?"
Domenicali: "Ich finde, darüber sollten wir heute nicht sprechen. Wir hatten heute ein Rennen - und das war eine ziemlich klare Angelegenheit. Ich will darüber wirklich nicht diskutieren."

Frage: "Werdet ihr KERS auch in Malaysia einsetzen?"
Domenicali: "Ja."