• 01.04.2010 12:24

  • von Dieter Rencken

Hülkenberg: "Verbessern kann man immer etwas"

Exklusiv: Williams-Pilot Nico Hülkenberg über seinen Weg in die Formel 1, den Renneinstand in Übersee und die steile Lernkurve in der "Königsklasse"

(Motorsport-Total.com) - Nico Hülkenberg hat es geschafft: Der 22-Jährige wurde in diesem Jahr zum Stammfahrer bei Williams bestellt und konnte damit seinen Traum verwirklichen, in der Formel 1 an den Start zu gehen. Beim britischen Williams-Team greift der Deutsche an der Seite von Routinier Rubens Barrichello ins Lenkrad und möchte sich von seinem Stallgefährten in erster Linie einiges abschauen. Wie er seine ersten Rennen empfunden hat, beschreibt Hülkenberg im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News: Nico Hülkenberg

Nico Hülkenberg wartet noch auf seine ersten WM-Punkte in der Formel 1

Frage: "Nico, die Formel 1 war wohl schon immer dein Ziel. Wann hast du aber gemerkt, dass dieser Traum Realität werden könnte?"
Nico Hülkenberg: "Dass es passieren könnte, dachte ich Ende 2008, als ich die Formel-3-Euroserie für mich entschieden hatte. Das war der Punkt, an dem ich bemerkte, dass es definitiv möglich sein würde."#w1#

Frage: "Denkst du, du hättest 2010 den Sprung in die Formel 1 geschafft, auch wenn du 2009 nicht den Titel in der GP2 geholt hättest?"
Hülkenberg: "Ja. Da bin ich mir ziemlich sicher."

Frage: "Wie war es um deinen Vertrag mit Williams bestellt? Sah dieser Deal eine Teilnahme an der GP2 vor oder hätte dir der Schritt in die Formel 1 auch ohne diesen Zwischenschritt gelingen können?"
Hülkenberg: "Das weiß ich gar nicht so genau. Da muss man wahrscheinlich Frank (Williams, Teamchef; Anm. d. Red.) fragen. Ich weiß nicht, wie er zu dieser Sache steht. Dennoch kann ich aber festhalten, dass es sehr wichtig war, die GP2-Meisterschaft zu gewinnen. Vielleicht hätten sie mich allerdings auch ohne diesen Titel ins Stammcockpit befördert."

Der Weg in die Formel 1 ist steinig

Frage: "Bist du zufrieden mit der Vorbereitungszeit für Formel-1-Neulinge? Sind die Testregeln aus deiner Sicht in Ordnung? Ein Fahrer drehte 2010 seine ersten Runden in der Qualifikation von Bahrain..."
Hülkenberg: "Das ist sicherlich keine ideale Vorbereitung. Selbst für mich ist es nicht einfach. Wir hatten vor Saisonbeginn nur sieben Testtage. Das ist hart. Ich kann ja verstehen, dass wir Kosten sparen müssen, doch das macht es für Rookies und Neulinge unglaublich schwierig, der Serie beizutreten. Daran sollte man arbeiten und gerade den Debütanten vielleicht etwas mehr Testtage ermöglichen."

Frage: "Was wäre deiner Meinung nach die Antwort auf dieses Problem? Vielleicht eine Fahrmöglichkeit am Freitagmorgen?"
Hülkenberg: "Nein. Ich denke, wir sollten uns da auf die Testfahrten konzentrieren - vor und nach der Saison. Man sollte einfach mehr Probefahrten durchführen können. In Jerez, Barcelona oder wo auch immer."

"Man sollte einfach mehr Probefahrten durchführen können." Nico Hülkenberg

Frage: "Du bist deinen Weg konsequent gegangen und hast dabei verschiedene nationale und internationale Rennserien bestritten - unter anderem die Formel 3 und die A1GP. Wie lange braucht man deiner Meinung nach, um bereit zu sein für die Formel 1?"
Hülkenberg: "In der Vergangenheit habe ich in der Formel 3 oder der GP2 immer zwei bis drei Rennen gebraucht, um auf die richtige Geschwindigkeit zu kommen und konkurrenzfähig zu sein. In der Formel 1 könnte das anders ablaufen."

"Möglicherweise dauert dieser Prozess hier etwas länger. Das weiß ich nicht. Wir arbeiten jedenfalls hart daran, diese Phase so kurz wie möglich zu halten. Wie lange das dauern wird, weiß ich nicht zu sagen. Ich hoffe aber natürlich, dass sich das Gefühl für das Auto und das Team möglichst schnell einstellen wird. Ich fühle mich bereits jetzt sehr wohl im Auto und auch im Team. Verbessern kann man aber immer was."¿pbvin|512|2590|malaysia|0|1pb¿

Der Saisonstart war durchwachsen

Frage: "Wie würdest du deine bisherigen Formel-1-Rennen in Bahrain und Australien zusammenfassen?"
Hülkenberg: "Das waren zwei harte Rennen. Am vergangenen Wochenende konnte ich natürlich nicht sehr viel ausrichten. Ich kann mich künftig im Prinzip nur besser qualifizieren, damit ich mich nach dem Start aus den Kabbeleien heraushalten kann. Das war halt Pech."

"Sehr schade, dass ich das Rennen nicht bestreiten konnte. Für mich wäre es ein gutes Rennen geworden, denn ich hätte dort einiges an Erfahrung sammeln können - im Hinblick auf den Start mit Intermediates und den anschließenden Wechsel auf Slicks. Das hätte ich wirklich gerne gemacht."

"Sehr schade, dass ich das Rennen nicht bestreiten konnte." Nico Hülkenberg

"Bahrain war ebenfalls recht knifflig. Ich drehte mich in der dritten Runde und hatte anschließend ein einsames Rennen, wobei das Auto etwas beschädigt war. Wenigstens konnte ich das Rennen fortsetzen und etwas Erfahrungen sammeln. Im Prinzip hatte ich also einen recht harten Start."

Frage: "Was hast du dir für den Großen Preis von Malaysia vorgenommen?"
Hülkenberg: "Das ist schwer zu sagen. Bei den beiden vergangenen Rennen habe ich jeweils die Top 10 als Ziel ausgegeben, doch hier möchte ich erst einmal abwarten. Schauen wir einmal, wie wir hier zurecht kommen."

Barrichello als Lehrmeister bei Williams

Frage: "Dein Teamkollege Rubens Barrichello hat die meiste Erfahrung im Starterfeld der Formel 1. Konntest du im Rahmen der ersten Grands Prix oder der Tests bereits etwas von ihm lernen?"
Hülkenberg: "Na klar. Da gibt es hin und wieder ein paar Dinge. Das können auch Kleinigkeiten sein. Man schnappt da schon mal was auf, wenn man gemeinsam im Briefing sitzt oder wenn ich seine Daten anschaue. Es gibt immer ein paar kleine Dinge, über die auch ich nachdenken kann. Ich kann zweifelsohne einiges von ihm lernen."

Frage: "In welchen Bereichen kannst du speziell etwas von Barrichello lernen?"
Hülkenberg: "Auf technischer Seite. Rubens hat ganz offensichtlich einen unglaublichen Erfahrungsschatz. Zum Beispiel in Bezug darauf, wie man ein Auto einstellt, wie man es verbessert, wie man ein Rennwochenende angeht - da gibt es überall kleine Tipps und Tricks, die ich mir abschauen und positiv für mich anwenden kann."

"Rubens hat ganz offensichtlich einen unglaublichen Erfahrungsschatz." Nico Hülkenberg

Frage: "Du hast im Rahmen deiner Vorbereitungen auch in der Fabrik Hand angelegt und konntest dabei die technische Seite der Formel 1 kennen lernen. Hast du davon profitiert? Sollten andere Formel-1-Neulinge ebenfalls einen solchen Weg einschlagen?"
Hülkenberg: "Keine Ahnung. Ich würde jedenfalls niemanden dazu zwingen, wenn dieser jemand nicht dazu bereit wäre. Das war eine persönliche Geschichte, die ich einfach machen wollte. Ich will einfach mein Auto kennen und auch die Technik, die dahinter steckt. Ich möchte wissen, was passiert, wenn wir die Federn oder die Dämpfer austauschen. Dafür interessiere ich mich eben."

Frage: "Hat es dir geholfen oder war es 'nur' interessant?"
Hülkenberg: "Es war interessant und es hat mir auch geholfen. Das macht mich auf eine Runde zwar nicht unbedingt schneller, doch mein technisches Verständnis ist dadurch zweifelsohne besser geworden."

Frage: "Warst du überrascht davon, aus wie vielen Teilen ein solcher Rennwagen besteht, und wie viele Anstrengungen in den Bau eines Boliden einfließen?"
Hülkenberg: "Die Technik eines Formel-1-Autos ist natürlich überaus komplex. Es ist schon beeindruckend, all die kleinen und zerbrechlichen Elemente zu sehen. Das ist faszinierend."

"Die Technik eines Formel-1-Autos ist natürlich überaus komplex." Nico Hülkenberg

Frage: "Du hast dabei mitgeholfen, einige der Teile zu produzieren. Fühlst du dich nun etwas schuldig, wenn du einen Unfall baust?"
Hülkenberg: "Nein, so brauche ich mir aber auch nicht zu fühlen. Letztendlich muss ich das Auto schnellstmöglich auf der Strecke bewegen und sollte natürlich auch verantwortungsvoll mit dem Fahrzeug umgehen. Sobald du im Auto sitzt, denkst du jedenfalls nicht darüber nach."


Fotos: Nico Hülkenberg, Großer Preis von Australien


Wie groß ist der Druck für einen deutschen Neuling?

Frage: "Du bist einer von sechs Deutschen in der Formel 1. Stehst du daher unter einem größeren Druck?"
Hülkenberg: "Nein, so sehe ich das nicht. Der Druck liegt im Augenblick vielmehr auf Vettel, Michael und Rosberg. Das sind aktuell die drei konkurrenzfähigsten Deutschen. Von deutscher Seite verspüre ich nicht allzu viel Druck."

Frage: "Ist es vielleicht ein Vorteil, 'einer unter vielen' zu sein? Karun Chandhok ist beispielsweise der einzige Inder im Starterfeld - auf seinen Schultern ruhen die Hoffnungen einer ganzen Nation..."
Hülkenberg: "Ich weiß nicht, ob man das so sehen kann. Man darf auch nicht vergessen, in welchem Auto Karun im Augenblick unterwegs ist. Natürlich wollen seine indischen Landsleute, dass er gut abschneidet. Alle Formel-1-Zuschauer haben schließlich ihren Lieblingsfahrer. Ich weiß nicht, ob der Druck auf einem einzelnen oder auf allen liegt. Ich verspüre diesbezüglich jedenfalls keinen Druck."

"Alle Formel-1-Zuschauer haben schließlich ihren Lieblingsfahrer." Nico Hülkenberg

Frage: "Wann hast du zum letzten Mal einen Gabelstapler bewegt? Hättest du dir damals gedacht, dass du einmal Formel-1-Fahrer sein wirst?"
Hülkenberg: "Das ist schon ein Weilchen her. Vor ein paar Jahren, als ich für meinen Vater in dessen Transportunternehmen gearbeitet habe. Formel-1-Fahrer zu sein war natürlich immer die Absicht. Ich habe dennoch stets für meinen Vater gearbeitet und die Lastwagen be- und entladen. Das war einfach, um mich abseits der Rennerei etwas beschäftigt zu halten."

Frage: "Möchtest du noch etwas hinzufügen?"
Hülkenberg: "Ich bin soweit zufrieden, aber gebt mir noch etwas Zeit. Die Lernkurve ist steil und die Arbeitsumgebung ist ziemlich schwierig. Ich werde allerdings weiter Druck machen, um mich zu entwickeln."

"Ich bin soweit zufrieden, aber gebt mir noch etwas Zeit." Nico Hülkenberg

Frage: "Ist dieses neue Umfeld wirklich so anders als in der GP2?"
Hülkenberg: "Ja und nein. In beiden Fällen geht es natürlich um Rennwagen, die wir schnell bewegen müssen. In der Formel 1 hat dein Team mit rund 500 Angestellten aber einen ganz anderen Hintergrund und auch die Budgetsituation ist eine andere. Die Verantwortung ist größer und auch die Medienarbeit ist auf einem anderen Niveau. Die Situation ist einfach eine andere, aber hier will ich schließlich sein. Darüber kann ich mich nun wirklich nicht beschweren."