• 31.10.2011 10:50

  • von Dieter Rencken

Horner lobt Vettel: "Absolut fehlerlos"

Red-Bull-Teamchef Christian Horner über den neuesten Coup von Sebastian Vettel, dessen Vollgasattacke am Ende und die Probleme von Mark Webber

(Motorsport-Total.com) - Mit einem souveränen Start-Ziel-Sieg hat Sebastian Vettel seinen unfassbaren Lauf im Jahr 2011 fortgeführt. Der Weltmeister ließ den Gegnern beim Indien-Debüt keine Chance, gab die Führung nicht ein einziges Mal ab. Eine Siegesfahrt, bei der Vettel offenbar ewas der Kick fehlte - bis zur letzten Runde. Im letzten Umlauf drehte der Red-Bull-Star nochmal auf, markierte die schnellste Rennrunde und trieb seinem Teamchef Christian Horner den Angstschweiß auf die Stirn.

Titel-Bild zur News: Christian Horner

Christian Horner ist kein großer Fan von der Jagd nach der besten Rennrunde

Frage: "Christian, schon wieder hat Sebastian am Ende eine Rekordrunde hingelegt. Hattet ihr ihn um die schnellste Runde gebeten?"
Christian Horner: "Oh nein, sicherlich nicht. Wir hatten schon den Motor zurückgenommen, außerdem auf KERS komplett verzichtet. Trotzdem hat er schnellste Sektorenzeiten fahren können. Ich glaube, er wollte einfach für ein rundherum perfektes Rennwochenende sorgen: Pole-Position, Rennsieg und schnellste Rennrunde. Es war bestimmt eines seiner besten Rennen des Jahres - absolut fehlerlos. Es war eine außerordentliche Leistung."

Frage: "Aber dermaßen Gas zu geben in der letzten Runde bedeutet doch auch viel Risiko..."
Horner: "Ja, er hatte sich nach seiner Show am Rennwochenende zuvor bei uns entschuldigt und versprochen, dass er so etwas nie wieder tun wird. Aber nur zwei Wochen später nun dies. Vielleicht hätten wir ihm eine Kuh in den Weg stellen sollen (lacht). Sebastian ist ein vernünftiger Mensch. Ich bin sicher, dass er nicht bis an die Grenze gegangen ist. Er wollte vielleicht einfach nur zeigen, welcher Speed heute möglich war. Er mag auch solche Statistiken."

Frage: "Hätte die etwas andere Reifentaktik ihn in Gefahr bringen können?"
Horner: "Nein. Er macht das in diesem Jahr wirklich fantastisch. In dieser Saison ist es bezüglich der Reifen immer wieder eine Entdeckungsreise. Wir wollten einen Vorsprung herausfahren und diesen dann ganz einfach halten. Wir hatten ohnehin immer den Vorteil der etwas frischeren Reifen. Es war klar, dass der McLaren-Vorteil nach dem Stopp auf dieser einen Runde nicht so groß sein könnte, sodass wir in Gefahr gerieten. Unsere Pneus waren immer eine Runde frischer als deren. Wir waren guter Dinge, dies unter Kontrolle zu haben."

Frage: "Adrian Newey machte nach dem heutigen Sieg einen besonders emotionalen Eindruck. Hatte das einen speziellen Grund?"
Horner: "Ich denke einfach, dass er im Moment die erfolgreichste Zeit seiner gesamten Karriere erlebt. Wir haben an diesem Wochenende zwei Rekorde aufgestellt. Wir haben eine tolle Serie von Pole-Positions und Sebastian hat nun mehr Führungskilometer in einer Saison als alle anderen Piloten. Den bisherigen Rekord hatte Nigel Mansel 1992 im Williams aufgestellt - ebenfalls in einem Newey-Auto. Adrian hat sich seitdem kaum verändert, Nigel aber schon... (lacht)."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Indien


Frage: "Woran liegt es, dass die Mannschaft nach den Titelgewinnen immer noch so hungrig ist?"
Horner: "Es steckt unglaublich viel Energie in diesem Team. Wir wollen dieses für uns so wundervolle Jahr mit tollen Leistungen abrunden. Irgendwie sind diese letzten Rennen wie Läufe, die nicht zur Meisterschaft zählen. Die beiden nun noch ausstehenden Rennen haben wir in den vergangenen beiden Jahren gewonnen. Wir würden gern in Abu Dhabi und Brasilien jeweils den Hattrick feiern. Aber wir müssen Gas geben, denn die Gegner sind nicht weit weg."

Frage: "Mark kam sehr früh zu seinem letzten Stopp und hat dadurch den möglichen Podestplatz verloren. Warum diese Taktik?"
Horner: "Mark wollte in jener Runde unbedingt hereinkommen. Es war ein Dilemma, denn seine Pneus waren zu jenem Zeitpunkt wirklich schon ziemlich hinüber. Wenn er mit dem Satz weitergefahren wäre, dann wäre er womöglich überholt worden oder mit den verbrauchten Gummis von der Strecke gerutscht. Uns war klar, dass es ein Problem im Zweikampf mit Fernando geben könnte, denn die harten Reifen sind in der ersten Runde nicht besonders gut."

"Mark war schneller, konnte aber eben nicht überholen." Christian Horner

"Das bewahrheitete sich: Die Outlap war nicht schnell genug. Deswegen konnten wir den Ferrari nicht hinter uns halten. Am Ende musste sich Fernando mit allen Mitteln gegen Mark verteidigen, aber er fand einfach keinen Weg vorbei. Mark war schneller, konnte aber eben nicht überholen."

Frage: "In Monza stand der angeblich sehr flexible Red-Bull-Frontflügel in der Kritik, hier fuhr ausgerechnet Ferrari mit einem äußerst flexiblen Element. Was sagst du dazu?"
Horner: "Jeglicher Kommentar meinerseits wäre unsportlich (lacht)."

Frage: "Hat Mark seine weichen Reifen ruiniert, weil er mit allen Mitteln an Jensons Heck bleiben wollte?"
Horner: "Es hat uns schon Sorgen bereitet, dass er seine Reifen zu einem solch frühen Zeitpunkt schon dermaßen herangenommen hat. Er hat dann aber später einen guten Rhythmus für sich gefunden. Als Fernando im zweiten Stint wegen der abbauenden Reifen bei Mark immer näher kam, da mussten wir uns entscheiden: entweder mit einem schnellen Stopp versuchen, irgendwie vor ihm zu bleiben, oder weiterfahren. Man befindet sich da in einer Art Teufelskreis."

¿pbvin|512|4215||0|1pb¿Frage: "Gab es keinen Spielraum bezüglich der Taktik?"
Horner: "Alle haben versucht, die härtere Mischung möglichst nicht allzu lange zu fahren. Ganz im Gegenteil zu sonst, wo man manchmal schon gern in Runde drei die harten Pneus aufziehen würde und damit bis zum Ende des Rennens durchfahren könnte. Die Performance konnte im Vergleich zu der weichen Mischung einfach nicht mithalten. Deswegen sind beispielsweise McLaren und wir so lange auf den weichen Reifen geblieben. Es hat dem Wochenende ein strategisches Element hinzugefügt. Letztlich musste jeder damit zurechtkommen."

Frage: "Die Strecke wurde gelobt, wenn auch das Umfeld noch nicht perfekt war. Wie bewertest du das erste Grand-Prix-Wochenende in Indien?"
Horner: "Es war fantastisch. Vor allem die Reaktionen der indischen Fans. Sie haben die Formel 1 begeistert empfangen. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir hierher kommen durften. Dank an Jaypee für den Bau der Anlage und auch Dank an Bernie, der den Event in den Kalender aufgenommen hat. Vijay Mallya hat auch großartige Unterstützung geboten."

"Die Strecke ist eine echte Herausforderung. Der Kurs ist wirklich richtig gut. Ich schätze, dass der Event im kommenden Jahr noch viel größer wird. Die Menschen in Indien haben nun erstmal einen Eindruck davon bekommen, wie es in der Formel 1 zugeht. Es ist ein interessanter Schauplatz. Auf der Anfahrt zur Strecke fühlt man sich schon wie in einem Grand Prix (lacht). Solche Stationen wie diese machen die Formel 1 zu einer richtigen Weltmeisterschaft."

"Auf der Anfahrt zur Strecke fühlt man sich schon wie in einem Grand Prix." Christian Horner

Frage: "Trotz der Streckenbreite wurde kaum überholt. Wie schätzt du diese Tatsache ein?"
Horner: "Ich glaube, nicht einmal DRS hat heute einen großen Vorteil geboten. Wir befinden uns eben bezüglich dessen noch in einem Lernprozess. Ich bin sicher, dass man es genau analysieren wird und dann Anpassungen für das kommende Jahr vornimmt."

Frage: "War es schön, dass Renault-Boss Carlos Ghosn in eurer Box war?"
Horner: "Ja, es war toll. Dies zeigt eindeutig das entschlossene Engagement der Renault-Nissan-Gruppe in der Formel 1. Es war natürlich perfekt, dass wir vor seinen Augen einen weiteren Sieg einfahren konnten. Die Partnerschaft ist sehr wichtig. Für Renault, Nissan und Red Bull ist Indien ein sehr wichtiger Markt. Es zeigt den Stellenwert eines indischen Rennens, wenn Carlos Ghosn persönlich vorbeischaut."