• 21.11.2012 11:47

Haug: "Würde Schumacher wieder verpflichten"

Norbert Haug blickt auf die drei gemeinsamen Jahre mit Michael Schumacher zurück und erklärt, warum Mercedes in der zweiten Saisonhälfte zurückfiel

(Motorsport-Total.com/SID) - Nach einem guten Start mit Nico Rosbergs Sieg im dritten Saisonrennen und der besten Qualifying-Zeit von Michael Schumacher in Monte Carlo erlebte Mercedes eine frustrierende zweite Saisonhälfte in der Formel 1. Seit dem Rennen in Singapur fuhr kein Mercedes-Fahrer mehr in die Punkteränge. Im Interview erklärt Mercedes-Sportchef Norbert Haug, wieso die passierte, wieso er für das nächste Jahr optimistisch bleibt und warum er Schumacher jederzeit wieder verpflichten würde.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher, Norbert Haug (Mercedes-Motorsportchef)

Norbert Haug trotz ausbleibender Erfolge von Michael Schumacher überzeugt Zoom

Frage: "Herr Haug, wie fällt das Saison-Fazit 2012 aus?"
Norbert Haug: "Im ersten Drittel hatten wir ein konkurrenzfähiges Auto. Wir haben das dritte Rennen der Saison am 15. April in China gewonnen, bevor das amtierende Weltmeisterteam ein Rennen für sich entschieden hatte. Nico Rosberg holte dann während fünf Rennen mit die meisten Punkte im Feld. Michael Schumacher wurde in China auf dem Weg zu unserem möglichen Doppelsieg von einer klemmenden Radmutter gestoppt."

"Wir waren mit Michael Schnellster im Qualifying in Monaco und mit Nico auf Platz zwei im Ziel. Michael war als Dritter auf dem Podium in Valencia. Danach mussten wir unseren Windkanal auf das gängige 60-Prozent-Modell umbauen. Das kostete fast zwei Monate, in denen keine signifikanten Weiterentwicklungen möglich waren. Aber ohne diese Umstellung hätten wir im nächsten Jahr gelitten."

Frage: "Was entgegnen Sie Kritikern, die fragen, ob die Saison nicht zu früh abgeschenkt wurde?"
Haug: "Ich verstehe Kritik an unserer aktuellen Konkurrenzfähigkeit voll und ganz - aber wir mussten diese Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt in diesem Jahr treffen, um für das nächste Jahr besser gerüstet zu sein."

Nur wenige Highlights

Frage: "Wenn Sie im heutigen Wissen wieder vor der Entscheidung von vor drei Jahren stünden: Würden Sie Michael Schumacher wieder verpflichten?"
Haug: "Absolut. Wir haben außer einzelner Highlights und unserem Sieg in China nicht das erreicht, was wir uns in diesem Zeitraum vorgenommen hatten. Aber das ist nicht Michaels Fehler. Wenn es sein Auto möglich machte, war Michael top: In China siegfähig, in Monaco Schnellster der Qualifikation, in Valencia auf dem Podium."

Nico Rosberg, Michael Schumacher

In Schanghai war die Welt für Mercedes noch in Ordnung Zoom

"Ich kann mich bei Michael nur für seine Arbeit, seinen kompromisslosen Einsatz für unser und in unserem Team bedanken. Und ich muss mich bei ihm entschuldigen, dass unser Team die technischen Voraussetzungen in den ersten drei Jahren nicht so dargestellt hat, dass Michael und Nico regelmäßig um Podiumsplätze hätten fahren können."

Frage: "Wie viel Schuld hat Schumacher an seinen mangelnden Ergebnissen? Er landete im internen Vergleich immerhin in allen drei Jahren hinter Rosberg ..."
Haug: "Michael ist in jedem Jahr schneller geworden, und fahrerisch ist das aktuelle Jahr sicherlich sein stärkstes. Vor drei Jahren haben viele gefragt: Kann er es noch? Nun wird auch gefragt: Warum geht er jetzt?"

Frage: "Sie haben seine Arbeit in den drei Jahren neulich als 'phänomenal' bezeichnet. Bezog sich das aufs Menschliche oder aufs Sportliche?"
Haug: "Mein Respekt vor Michaels fahrerischen Leistungen ist groß, der vor seiner menschlichen Leistung ist immens. Das Allerwichtigste ist: Wir können uns gegenseitig in die Augen schauen. Beide Seiten sind sehr, sehr respektvoll miteinander umgegangen, jeder wusste, was er vom anderen hatte und das wird sich nicht ändern."

Frage: "Können Sie sich vorstellen, dass es für Schumacher und Mercedes eine - wie auch immer geartete - gemeinsame Zukunft gibt?"
Haug: "Es wird nach der Saison Gespräche geben. Ich glaube aber nicht, dass Michael eine Rolle in der Formel 1 möchte. Er liebt unsere Marke und wir können uns glücklich schätzen, wenn Michael international weiter für Mercedes präsent sein sollte. Es gibt wenige Sportler, die weltweit so bekannt, geschätzt und beliebt sind wie er. Und die Wurzeln für seine Profilaufbahn liegen bei Mercedes genauso wie das Ende seiner aktiven Karriere. Authentischer kann eine Verbindung nicht sein."

Keine Budgeterhöhung

Frage: "Wäre Schumacher denn, wie er stets sagt, 2013 noch bei Mercedes, wenn er nur früher ja gesagt hätte?"
Haug: "Diese Hypothese muss man nicht mehr diskutieren. Michael hat die Zeit der Entscheidungsfindung gebraucht. Er hat ja gesagt, dass sein Denkprozess vielleicht von außen beschleunigt wurde. Und er hat auch aus freien Stücken gesagt, dass Lewis Hamilton als Nachfolger die beste mögliche Wahl ist."

Frage: "Wenn Hamilton mit Mercedes Weltmeister werden sollte: Wie viel Anteil gehört dann Schumacher für die Vorarbeit?"
Haug: "Er hat alles eingebracht, was er einbringen kann. Und natürlich auch Nico, man muss immer unsere beiden Fahrer sehen."

Frage: "Wird 2013 für Rosberg neben Hamilton das entscheidende Jahr der Karriere?"
Haug: "Ich habe noch nie ein unentscheidendes Jahr erlebt. Es sollte zumindest eine Balance zwischen beiden Fahrern geben. Wenn das nicht so sein sollte, gelten im Leistungssport harte Gesetze. Aber Nico wird nicht umsonst im Fahrerlager von Fachleuten allgemein als sehr stark eingeschätzt."

Frage: "Wird es eine Budgeterhöhung geben? In den Medien war von bis zu 50 Millionen Euro die Rede ..."
Haug: "Nein. Ich weiß nicht, wo diese Gerüchte herkommen. Das war nie der Plan. Und wir haben auch nie geklagt, dass wir aktuell zu wenig Geld hätten. Daimler gibt heute nicht die Hälfte der Summe aus, die wir noch 2005 investieren mussten. Wir haben sicher nicht das größte Budget. Aber wir wollen und können damit arbeiten und wollen und werden uns steigern."

Frage: "Kann Mercedes damit 2013 vorne mitmischen?"
Haug: "Da, wo wir vor einem halben Jahr waren, bei Nicos Sieg in China, wollen wir in einem halben Jahr wieder sein. Siege versprechen kann niemand, aber wir wollen uns mit an der Spitze etablieren."


Fotos: Mercedes, Großer Preis der USA


Frage: "Was macht Ihnen Mut?"
Haug: "Unsere Truppe ist Tag und Nacht am Arbeiten, und wir haben echte Siegertypen im Team. Sinuswellen mit Auf und Ab gibt es immer wieder. Seien Sie sicher: Intern wird bei uns Tacheles geredet. Aber ich werde mich nach außen immer vor die Mannschaft stellen. Und: Wir müssen bei aller Selbstkritik auch weiter an uns glauben, sonst kann man nichts erreichen."