• 30.05.2013 15:14

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

"Grüner" Turbo: Ghosn und das Stück Weltverbesserung

Der Renault-Boss hofft, dass die neuen Motoren gesellschaftliche Signalwirkung in Sachen Umweltfreundlichkeit erzielen - Leistungsminderung vermeiden

(Motorsport-Total.com) - Lange erschien es wie die Quadratur des Kreises: Mit der großen Regelnovelle des Jahres 2014 wagt sich die Formel 1 an das Unterfangen, Motorsport umweltfreundlich und dennoch sportlich attraktiv zu gestalten. Die Mittel der Wahl sind V6-Turbomotoren und ein Ausbau der Hybrid-Elemente in den Fahrzeugen, wie sie - verglichen mit konventioneller Antriebstechnik - heute in Form von KERS noch einen relativ kleinen Teil des Vortriebs ausmachen. Carlos Ghosn freut sich auf die Zukunft.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Was den Klang der neuen Motoren betrifft, müssen Fans vielleicht Abstriche machen Zoom

Der Renault-Boss lobt den gefundenen Konsens der Königsklasse: "Es ist eine ökologische Lösung: Wir reduzieren den CO2-Ausstoß um 40 Prozent, verbrauchen weniger Sprit und sind gleich schnell." Um derart umfassende Ziele zu erreichen, ist mehr notwendig als etwas Feintuning. "Das schafft man nicht mit ein paar Adaptionen an ein paar existierenden Motoren", weiß Ghosn und begründet so den Abschied von den V8-Saugern mit 2,4 Litern Hubraum - künftig werden es 0,8 Liter weniger sein.

Der Konzernchef spricht von komplexerer Technik, als sie bisher in der mit High-Tech nicht gerade geizenden Formel 1 zum Einsatz kommt. Die Energierückgewinnung wird erweitert. Sie darf nicht mehr nur an der Hinterachse, sondern auch am Turbolader werkeln. Das gesamte Bauteil nennt sich im Fachjargon Motor Generator Unit Kinetic (MGUK). Insgesamt soll sie doppelt so viel leisten wie das aktuelle KERS, nämlich 161 PS statt bisher 80,5. Was die Energie angeht, verzehnfacht sich der Wert von 400 Kilojoule auf vier Megajoule.

Langeweile vermeiden

Für Ghosn ist es ein revolutionärer Schritt, dessen gesellschaftliche Wirkung über den Tellerrand der Königsklasse hinausgeht: "Das bedeutet den Leuten meiner Meinung nach eine Menge, dass sogar die Formel 1 dazu beitragt, dass das Vergnügen der Rennen und der Performance beibehalten wird, aber alles umweltfreundlicher wird." Er sieht sich und Renault als Motorenhersteller gefragt, den auch im Serienauto-Business anhaltenden Trend zum so genannten Downsizing - also kleineren Hubräumen - in den Sport zu tragen.


Fotos: Sebastian Vettel testet für Infiniti


"Man muss beim Aggregat anfangen, es verkleinern, die Leistung beibehalten", erklärt Ghosn eine Maßnahme, die Signalwirkung erzielen soll: "Diese Geste, zu sagen, dass die Technologie die Sorgen unserer Zeit ernst nimmt", bemerkt der Franzose mit libanesisch-brasilianischen Wurzeln und sieht den Schlüssel darin, Umweltfreundlichkeit zu steigern ohne dabei an Geschwindigkeit oder Leistung einzubüßen. "Was wir nicht wollten: dass die Rennen langweilig werden. Das kommt nicht in Frage."

Nächster Schritt Aerodynamik

Renault-Techniker bei der Arbeit

Hier wird an der "grüneren" Zukunft der Formel 1 getüftelt Zoom

Wohl schon aus purem Eigennutz: Was nützt Renault die Formel 1 als Plattform, wenn am Sonntagnachmittag niemand den Fernseher einschaltet? Dennoch wird Sprit sparen eine wichtige Rolle spielen: Die neuen Regeln sehen vor, dass maximal 100 Kilogramm Benzin in den Grand Prix mitgenommen werden dürfen, die Obergrenze ist neu. Demzufolge muss die gleiche Renndistanz mit etwa einem Drittel weniger Treibstoff absolviert werden. Umkehrschluss: Die Antriebsstränge 2014 müssen um 30 Prozent effizienter sein.

Mit den neuen Motoren hält Ghosn die Pflicht und Schuldigkeit Renault zunächst für getan: "Wird es mehr technische Initiativen geben? Ja, aber wir haben damit weniger zu tun, denn da geht es um die Aerodynamik des Autos", blickt er in die Zukunft. "Ich sage aber voraus, dass es zunehmend Anreize geben wird, die Performance hochzuhalten, schließlich handelt es sich um ein Rennen, und man wünscht sich die leistungsstärksten Autos, aber man wird versuchen, einen technologischen Wettbewerb zu kreieren, was Sprit sparen und umweltfreundliche Themen angeht."