• 13.03.2012 12:23

Glock: "Das Leben in der Formel 1 wird immer schwieriger"

Timo Glock spricht im Interview über die schwierige Saisonvorbereitung und seine Ziel mit Marussia in der Formel-1-Saison 2012

(Motorsport-Total.com/SID) - Der Start beim Saisonauftakt am kommenden Sonntag in Melbourne dürfte für Timo Glock wie ein Geschenk sein, nicht nur weil der Formel-1-Pilot dann 30 Jahre alt wird. Nach dem verpassten Crashtest hatte sein Marussia-Team mit dem neuen Auto gar nicht mehr testen dürfen und ist nur mit der Erfahrung aus wenigen Film-Kilometern nach down under geflogen. Im Interview spricht Glock auch über seine persönlichen Ziele und das "Haifischbecken" Formel 1.

Titel-Bild zur News: Timo Glock

Timo Glock hofft trotz aller Probleme auf eine Steigerung seines Teams

Frage: "Timo, was macht Ihr Russisch?"
Timo Glock: "Es ist immer noch so schlecht wie im letzten Jahr."

Frage: "Müssen Sie daran arbeiten, oder spürt man den Einfluss der russischen Partner in der täglichen Arbeit gar nicht?"
Glock: "Das spüre ich im täglichen Umgang nicht wirklich. Da hat sich nicht viel geändert."

Frage: "Sind Sie schon einmal einen der Marussia-Straßensportwagen gefahren?"
Glock: "Ich durfte im letzten Jahr schon mal einen fahren, in diesem Jahr sind wir noch nicht dazu gekommen. Im letzten Jahr waren das noch Prototypen, aber die sehen ganz ansprechend aus. Ich glaube, dass das ein paar schöne Autos werden können. Wenn es einen solchen Dienstwagen gibt, dann freue ich mich darüber."

Frage: "Ihr neuer Formel-1-Dienstwagen hatte dagegen Anlaufschwierigkeiten. Wie schwer wiegt es, ohne richtige Testfahrten zum ersten Rennen fliegen zu müssen?"
Glock: "Klar ist es nicht ganz optimal, ohne Test zum ersten Rennen zu fliegen, aber so ist die Situation und wir müssen das Beste daraus machen."

Frage: "Trotz der ungünstigen Bedingungen bei den wenigen Runden für die Filmaufnahmen: Wie fühlte sich das neue Auto denn an? "
Glock: "Das ist schwierig zu sagen, da wir Demoreifen verwenden mussten. Es hat sich trotzdem gut angefühlt, aber ich kann unmöglich eine Prognose abgeben."

Frage: "Es war ja ohnehin schon vorher geplant gewesen, das neue Auto erst beim letzten Test erstmals einzusetzen. Warum hatte es diese Verzögerung gegeben?"
Glock: "Es sind viele Dinge, die uns Zeit gekostet haben, von denen wir vorher gedacht hatten, dass sie schneller gehen würden. Es hätte keinen Sinn gemacht, das Auto für Jerez fertigzubekommen, viele grundlegende Dinge noch gefehlt hätten. Das hätte uns nicht viel gebracht."

Frage: "Wie viele Ideen von McLaren stecken in diesem Auto? Sind noch weitere Entwicklungsschritte im Laufe des Jahres geplant?"
Glock: "Es stecken keine Ideen von McLaren drin, die Ideen stammen alle von uns. Wir nutzen bislang nur den Simulator und den Windkanal von McLaren und haben unser eigenes Designteam, das aufgebaut wurde. Das Schwierige für uns, was uns auch Zeit gekostet hat, war: Als wird mit dem Design angefangen haben, waren bei uns vielleicht sechs, sieben Leute da, und alle anderen, die jetzt neu dazugekommen sind, durften aus vertraglichen Gründen über sechs Monate noch nicht arbeiten. Wir planen jetzt, Mitte des Jahres noch einmal einen deutlichen Schritt nach vorne."

Frage: "Im letzten Jahr seid Ihr quasi gegen das damalige Lotus-Team um den drittletzten Platz gefahren. Die haben jetzt nicht nur einen neuen Namen bekommen, sondern zum Renault-Motor auch noch ein KERS, das Ihr Team nicht hat. Macht das die Situation für Sie noch schwieriger? Macht es überhaupt Spaß in der Formel 1, wenn man weiß, dass man normalerweise nur hinterherfährt?"
Glock: "Darauf gebe ich jedes Mal die gleiche Antwort. Der Spaß geht bei mir nie verloren, auch wenn wir im Moment in einer schwierigen Situation sind."

"Zum Thema KERS: Es ist natürlich ein Nachteil, es nicht zu haben. Aber in unserer Situation war beim Design des Autos einfach nicht genügend Manpower da, um auch noch KERS unterzubringen. Wir haben gesagt, dass wir uns erstmal darauf konzentrieren, die vier Sekunden Rückstand aerodynamisch zu finden, bevor man für fünf Zehntelsekunden viel Geld und Manpower ins KERS investiert. Wir müssen die Basis erstmal richtig hinbekommen. Darauf konzentrieren wir uns."

Frage: "Ist es für Sie vielleicht auch ein Privileg, überhaupt einen von 24 begehrten Plätzen in der Formel 1 zu haben, wenn man schaut, dass Adrian Sutil durchs Rost gefallen ist oder auch Ihr früherer Teamkollege Jarno Trulli kurzfristig sein Cockpit verloren hat?"
Glock: "Das Leben in der Formel 1 wird immer schwieriger. Nicht nur für die Teams, auch für die Fahrer. Das ist schon schade. Jarno Trulli kann man sich aus der Formel 1 eigentlich gar nicht wegdenken, solange wie er dabei war. Ähnlich wie Rubens Barrichello."

"Es ist natürlich auch eine Bestätigung für mich als Fahrer, dass das Team auf mich baut. Man muss eben in jedem Jahr, egal ob man um Platz 21 fährt oder um Platz eins, zwei oder drei, immer 100 Prozent geben und sich komplett einsetzen. Das ist das, was ich mache. Ich stehe vollkommen hinter dem Team und werde in diesem Jahr wieder genauso mein letztes Hemd dafür geben, wie ich es im letzten Jahr gemacht habe."

Frage: "Hatten Sie mal Sorgen um Ihren Platz, als der russische Einfluss im Team größer wurde?"
Glock: "Nein, ich hatte keine Bedenken, weil ich meine Situation kenne. Das Team war sehr geradeheraus und hat sofort gesagt: Alles, was Du liest, kommt nicht von uns und ist nur Spekulation. Man baut auf mich für die Zukunft, und ich hoffe, dass wir noch lange zusammenarbeiten können."

Frage: "Wenn das Auto schon nicht zu den Besten gehört, wo hat sich der Fahrer Timo Glock über den Winter noch verbessert?"
Glock: "Körperlich habe ich mich nochmal besser vorbereitet als in den letzten Jahren. Ich hatte mir früh eine Pause genommen, schon während der letzten Rennen, und dann umso früher wieder angefangen. Ich wurde dann zwar durch eine Erkältung ein bisschen zurückgeworfen, wie wohl fast jeder im Winter, aber habe mich dann auf jeden Fall verbessert. Ein weiteres Jahr Erfahrung gibt Dir im ganzen Ablauf einfach eine gewisse Lockerheit. Ich habe mein Umfeld neu aufgestellt. Ich fühle mich sehr, sehr wohl und freue mich auf die neue Saison."

Frage: "Sie sind im Training sehr viel mit dem Fahrrad unterwegs. Haben Sie mal daran gedacht, umzusatteln und Radprofi zu werden?"
Glock: "Nein. Da habe ich zum Glück die Erfahrung mit Andreas Klöden gemacht, dass ich noch so weit von diesen Jungs weg bin. Das würde ein paar Jahre dauern, bis ich da mitkommen würde."

Frage: "Sind Sie weiter von Andreas Klöden weg als auf der Rennstrecke von Sebastian Vettel?"
Glock: "Ich glaube, ja. Diese Jungs sitzen ja tagtäglich vier, fünf, sechs Stunden auf dem Rad. Das ist schon noch eine andere Welt."

Frage: "Ist Sebastian Vettel für Sie nicht nur erneut der Favorit für die hessische Meisterschaft, sondern auch für den WM-Titel?"
Glock: "Bei der hessischen Meisterschaft ist er klar im Vorteil. Was die WM angeht: Als Fahrer- und Team-Weltmeister ist man automatisch wieder Favorit. Sie sehen wieder sehr gut aus. Das Auto sieht schön, schnell und konstant aus. Aber die Luft wird, glaube ich, dünner."

Frage: "Glauben Sie, dass in diesem Jahr im dritten Anlauf Mercedes in der Lage sein wird, ganz vorne mit reinzufahren?"
Glock: "Das glaube ich schon. Den ersten Test auszulassen und mit dem neuen Auto erst zum zweiten Test zu kommen, zeigt, dass man sich sehr, sehr sicher ist und viel Zeit in das neue Auto investiert hat. Das sieht schon gut aus, sie haben viele gute Leute dazugeholt. Ich bin mir sicher, dass sie in die Top 3 fahren können. Ob sie ein Rennen gewinnen können, weiß man nicht. Aber sie haben alles, was man braucht, um vorne reinzufahren."

Frage: "Wann würden Sie am Ende des Jahres für sich selbst sagen, dass es ein erfolgreiches Jahr war?"
Glock: "Wenn wir das umsetzen, was wir uns vornehmen, den Anschluss an die Teams vor uns zu finden. Und das schaffen, was wir im letzten Jahr schon machen wollten, nämlich uns von Rennen zu Rennen zu steigern und unsere Ausgangsposition zu verbessern."