• 14.05.2006 23:34

Fragen und Antworten zum neuen Formel-1-Deal

Ron Dennis erklärt, wie der Formel-1-Streit endlich beigelegt werden konnte, und beleuchtet die Hintergründe des Abkommens von Barcelona

(Motorsport-Total.com) - Schon in Imola zeichnete sich ab, dass eine Einigung zwischen den fünf zur 'GPMA' zusammengeschlossenen Automobilherstellern und dem kommerziellen Rechteinhaber, der Firma 'Alpha Prema', die von 'CVC' und Bernie Ecclestone kontrolliert wird, demnächst zustande kommen könnte. Seit Sonntag ist diese Vereinbarung besiegelt.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone und Ron Dennis

Endlich Einigkeit: Formel-1-Promoter Ecclestone mit McLaren-Teamchef Dennis

Am Vormittag vor dem Rennen sickerten in Barcelona nach mehreren Meetings erste Meldungen durch, wonach Renault das fragliche Verständnismemorandum bereits unterschrieben habe, und wenig später trat McLaren-Mercedes-Teamchef Ron Dennis im Motorhome der "Silberpfeile" vor die Presse. 'F1Total.com' war mit von der Partie. Im Folgenden ein interessantes Gesprächstranskript, welches bei der Gelegenheit aufgezeichnet wurde.#w1#

Mehrere Meetings am Freitag und Samstag

Frage: "Ron, es gibt endlich eine Einigung, nicht wahr?"
Ron Dennis: "Die fünf Mitglieder der 'GPMA' sind sich nun komplett einig. In den letzten 48 Stunden gab es zwischen den Anwälten der 'GPMA' und der 'FOA' mehrere Treffen. Aus Sicht der 'GPMA' sind wir nun an einem Punkt angelangt, an dem wir dazu bereit sind, das Dokument zu unterschreiben. Wir warten nur noch auf die abschließende Bestätigung von Donald McKenzie von 'CVC'. Er ist gerade auf seinem Weg hierher - und wenn nicht, dann werden wir in der nächsten Stunde mit ihm sprechen."

"Wenn man einmal mit dem Kleingedruckten anfängt, wird die Sache natürlich zu einem sehr arbeitsintensiven Prozess." Ron Dennis

"Sehr zufrieden stellend ist, dass die 'GPMA' zusammengeblieben ist und bei diesem Verständnismemorandum einheitlich gehandelt hat. Es handelt sich um ein ziemlich komplexes Dokument - und wenn man einmal mit dem Kleingedruckten anfängt, wird die Sache natürlich zu einem sehr arbeitsintensiven Prozess. Es waren zwei produktive Tage, denen hoffentlich heute ein Abschluss und eine Pressemitteilung folgen wird. Alle 'GPMA'-Mitglieder sind dazu bereit, jetzt zu unterschreiben."

"Wir sprechen hier von der größten einzelnen Resolution auf kommerzieller Ebene, mit der wir uns nun weiterentwickeln und uns auf die Zukunft der Formel 1 konzentrieren können. Mit dem nun vorliegenden Dokument sind alle glücklich. Unweigerlich gab es bei den letzten Kompromissen noch einige schmerzende Geburtswehen, aber alle Beteiligten sind ursprünglich mit dem Wunsch nach einer gemeinsamen Lösung in den Verhandlungsprozess gegangen - speziell in den vergangenen beiden Jahren."

Frage: "Ist es ein Abkommen über fünf oder über zehn Jahre?"
Dennis: "Es wäre nicht angemessen, der Pressemitteilung vorzugreifen. Ich bin mit dem im Reinen, was ich bisher gesagt habe, aber die meisten anderen Fragen werden wahrscheinlich in der Pressemitteilung enthalten sein, sobald alles abgeschlossen und veröffentlicht ist. Das Wichtigste ist, dass sich die fünf 'GPMA'-Mitglieder komplett einig sind und dass das Dokument nun unterschrieben werden kann. Es fehlt nur noch die Unterschrift unserer Kollegen von 'CVC'."

Frage: "Wie konnte an einem Grand-Prix-Wochenende, wo alle Teams unter Leistungsdruck stehen, eine Einigung erzielt werden, und nicht erst am Mittwoch in London?"
Dennis: "Dieser Prozess ist schon seit vielen Jahren, seit sehr langer Zeit im Gange. Dieses Meeting wurde von mir, Professor Göschel (BMW Vorstand; Anm. d. Red.) und 'CVC'-Vertretern initiiert. Wir haben uns Anfang dieser Woche bereits in Jersey getroffen und dort 15 noch offene Punkte des Verständnismemorandums diskutiert. In den meisten Punkten kamen wir zu einer Einigung, und das Dokument wurde in verschiedenen Entwürfen hin- und hergeschickt."

Zwei Hersteller drängten auf eine Entscheidung

"Dieses Dokument ist nur der erste Schritt in Richtung eines neuen Concorde Agreements." Ron Dennis

"Weil es zwei Teams gibt, die für ihre langfristige Planung unbedingt Stabilität wollen, gab es ein verstärktes Verlangen danach, einen Punkt zu erreichen, an dem wir alle ein Dokument unterschreiben können, um einander zu zeigen, dass wir an einem Strang ziehen und fokussiert sind. Dieses Dokument ist nur der erste Schritt in Richtung eines neuen Concorde Agreements und in Richtung eines Sportlichen und Technischen Reglements. Vor uns liegt noch ein langer Weg."

"Man darf nicht vergessen, dass sich dieses Dokument in erster Linie auf 2008 bezieht, ein absoluter Meilenstein für die Zukunft des Concorde Agreements und daher extrem detailliert ist, aber es ist noch weit entfernt vom Concorde Agreement in seiner Endfassung."

"Wenn wir uns abseits der Rennstrecke treffen, müssen alle große Distanzen zurücklegen, um zu einem bestimmten Treffpunkt zu gelangen, denn wir sind alle in ganz Europa verteilt, aber bei einem Grand Prix sind wir alle zusammen. Als wir uns hier getroffen haben, waren wir von einer Einigung nicht mehr weit entfernt. Daher ist es einfach, hier gemeinsam ein Dokument zu unterschreiben, weil wir sowieso alle vor Ort sind. Das Kernziel war eine gemeinsame Vereinbarung, die wir gemeinsam unterschreiben können. Sie wurde noch nicht von 'CVC' unterschrieben, aber ihre Rechtsanwälte standen in permanentem Kontakt mit unseren Rechtsanwälten, daher haben wir uns geeinigt. Es gibt eine geringfügige kommerzielle Frage, die noch offen ist und die Donald absegnen muss, sobald er eintrifft, aber diese ist nicht von großer Bedeutung."

Frage: "Ist das kommerzielle Abkommen damit erledigt?"
Dennis: "Dieses Dokument beinhaltet die Grundprinzipien aller Fragen, also ist es ein Verständnismemorandum bezüglich der Gesamtsituation. Natürlich ist die FIA in der Ausarbeitung eines Sportlichen und Technischen Reglements entscheidend, aber unser Dokument ist der Ausgangspunkt. Ich nehme an, dass es parallel stattfindende Prozesse geben wird, die schlussendlich zu einem gefestigten Concorde Agreement führen werden, welches als integralen Bestandteil das Sportliche und Technische Reglement beinhalten soll. Das ist aber noch offen. Die beiden Bereiche könnten voneinander unabhängig stehen, aber auch als Einheit formuliert werden."

Stabilität wichtig für die Geldgeber der Teams

Frage: "Ist das jetzt die Vereinbarung, auf die ihr schon immer gehofft habt?"
Dennis: "Es ist immer ein Geben und Nehmen, und man schaut im Nachhinein immer zurück. Der Stillstand drohte unser gesamtes Business zu beeinflussen. Sponsoren wollen Sicherheit. Wir müssen die Formel 1 entwickeln, wir müssen eine ganze Reihe von Faktoren stabilisieren, die aus der Perspektive des eigentlich wichtigen Mikroskops für Details geraten sind. In letzter Zeit konzentrierten wir uns auf das Gesamtbild, aber jetzt müssen wir zurückgehen und systematisch alle Themen in Angriff nehmen, die bis 2008 in Angriff genommen werden müssen."

"Zeitlich gesprochen dreht sich vieles um 2008, aber es gibt Entscheidungen, die schon früher getroffen werden sollten." Ron Dennis

"Zeitlich gesprochen dreht sich vieles um 2008, aber es gibt Entscheidungen, die schon früher getroffen werden sollten. Keine einzige Entscheidung muss aber vor Februar nächsten Jahres fallen. Selbst wenn man neue Motoren bauen müsste - und ich sage überhaupt nicht, dass wir das tun werden -, könnte man das dann noch unterbringen. Um dorthin zu kommen, wo wir hinwollen, ist jetzt die Zeit gekommen, um mit den detaillierten Arbeiten zu beginnen, daher werden hoffentlich alle realisieren, dass wir einen Kompromissgeist brauchen - und noch wichtiger: ein Umfeld, in dem demokratische Prozesse ausschlaggebend sind. Das brauchen wir jetzt."

"Bis das starre Rahmenwerk in Form des Concorde Agreements steht, welches Stabilität gewährleistet, könnten alle viel Geld ausgeben, um sich auf das Stabilisieren der Situation zu konzentrieren, aber das ist ein Szenario, in dem jede Veränderung viel Geld kosten würde. Daher bin ich der Meinung, dass wir demokratisch vorgehen sollten, bis wir endgültig Stabilität erreicht haben, damit Teams nicht für Innovation bestraft werden können. Es wird noch viel Wasser unter der Brücke durchfließen, bis wir an diesem Punkt ankommen."

Frage: "Unterscheidet sich dieses Abkommen vom separaten Williams-Deal, der eine Fortführung des Concorde Agreements darstellt?"
Dennis: "Unweigerlich werden jetzt alle Teams in Betracht gezogen. Ohne Frage - und das ist großartig für Williams - ist die Vereinbarung, die wir mit 'CVC' getroffen haben, eine ganz andere, viel breiter definiert in ihrem Inhalt und viel breiter als jedes bestehende Dokument. Klarheit ist die fundamentale Voraussetzung für Fortschritt. Zweideutigkeiten kann man schlecht in Dokumenten niederschreiben. Bis zu einem gewissen Grad kann man ein halbes Dutzend Dokumente mit einer einheitlichen Gesamtvereinbarung haben, aber so könnte man diesen komplexen Sport nicht führen und regieren."

Frage: "Wurdet ihr von Renault dazu gedrängt, eine Einigung zu erzielen?"
Dennis: "Nicht wirklich. Jeder hat seine eigenen Absichten, und sie wollten ganz klar Stabilität, was natürlich in Betracht gezogen wurde. Wir alle gingen aber unsere parallelen Wege mit einem gemeinsamen Ziel - und das haben wir jetzt erreicht."