• 21.03.2016 10:34

  • von Dominik Sharaf

Formel-1-Starts 2016: Fahrer "kuppeln wie im Straßenauto"

Warum Formel-1-Piloten wieder Otto Normalverbraucher sind: 2016 ist nur ein Kupplungshebel am Volant erlaubt - Für Mercedes-Probleme nur bedingt Ursache

(Motorsport-Total.com) - Im Vorfeld des Australien-Grand-Prix am vergangenen Wochenende kannte die Formel 1 kaum ein anderes Thema als Regeln. Im Gegensatz zum neuen Qualifyingmodus und den Einschränkungen beim Funkverkehr bestimmte eine Novelle den Rennausgang tatsächlich maßgeblich mit - obwohl im Vorfeld nur wenige darüber sprachen: die neuen Startvorschriften. Bei Lewis Hamilton und Nico Rosberg klemmte es an der Ampel, obwohl die Mercedes-Stars an "gute Starts" glaubten.

Titel-Bild zur News: Jolyon Palmer

Start in Melbourne: Es war wieder Gefühl in den Fingerspitzen gefragt Zoom

Zunächst die technische Seite und zu der Frage: Was ist neu bei den Formel-1-Starts? In der Saison 2016 gibt es nicht mehr zwei, sondern nur noch ein Kupplungspedal am Lenkrad. Wie zuvor stellt der Pilot am Sonntag seinen optimalen Schleifpunkt vor der Installations- und Aufwärmrunde in der Box ein. Anschließend darf seit dem Belgien-Grand-Prix in der vergangenen Saison nur bedingt nachjustiert werden - auch sämtliche Informationen in dieser Frage über den Teamfunk sind tabu.

Was dem Piloten übrigbleibt: Er kann durch gezielte Fahrmanöver wie Probestarts und Burnouts die Temperaturd der Kupplung in das richtige Fenster bringen und manuelle Anpassungen vornehmen, die ihm aber nicht durch einen Ingenieur über Funk impliziert werden dürfen - hier spielen die neuen FIA-Maulkörbe mit rein. Hinzu kommt: Einen computergesteuerten "Schleifpunktfinder" blockiert die Einheitselektronik (ECU) im Auto, damit nicht heimlich Schindluder getrieben wird.

Lenkrad des Sauber C35

Lenkrad des Sauber: ein Kupplungshebel weniger als beim Vorgänger Zoom

Wenn die Ampel auf Grün springt, hat der Pilot seine Drehzahl in dem Bereich von rund 10.000 Umdrehungen pro Minute eingestellt (ein Klick genügt), um dann loszufahren. Es folgt ein "Anrollen", ein Sprint von null auf rund 50 km/h mit Suchen des Schleifpunktes am Hebel und dosierter Gaspedalstellung zum Erhöhen der Drehzahl. Anschließend wird im ersten Gang bis circa 100 km/h mit Vollgas beschleunigt und die Startphase technisch beendet - bis bei den Boxenstopps das gleiche Prozedere von vorne beginnt.

Noch im Vorjahr gab es für die Manöver unterschiedliche Hebel am Lenkrad und kein kombiniertes Element. "Weil zu viel Zeit verloren ginge", erklärt Force-India-Technikchef Andrew Green 'auto motor und sport' die Wunschlösung der Teams, die das Reglement nun verbietet. Er sagt über den Masterhebel: "Wenn der Fahrer ihn erst bis zu einem bestimmten Punkt loslassen müsste, um ihn dann mit Gefühl einrasten zu lassen", sei das zu umständlich. Doch es gibt keine Alternative mehr.

Denn genau das ist 2016 verpflichtend und nimmt den Piloten die Möglichkeit, mit einem zweiten Schalter auf einen Schleifpunkt zu reagieren, wenn der zuvor eingestellte Wert nicht stimmt - denn Verschiebungen sind nicht möglich, sondern an der Tagesordnung. Dann gibt es nur ein Mittel, um den Start zu retten: Fingerspitzengefühl. "Wie bei einem normalen Straßenauto. Außer dass du es anstatt des Fußes mit der Hand machst", erklärt McLaren-Pilot Jenson Button seinen Job.


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Allerdings geht es nicht um die für Otto Normalverbraucher üblichen Umdrehungszahlen, sondern um ein Vielfaches. "Natürlich ist es schwierig, weil du so viel Drehmoment hast. Aber das verleiht dem Ganzen mehr Würze", so Button weiter. Auch Renault-Rookie Jolyon Palmer gefällt die Herausforderung für die Aktiven: "Es kommt mehr auf das Gefühl des Fahrers an." Und Nico Rosberg fasst zusammen: "Der Start ist jetzt ganz anders." Es glauben aber längst nicht alle Piloten an eine nennenswerte Veränderung: "Kein großer Unterschied", findet Fernando Alonso.

Zurück zu Mercedes und die Frage, wie die neue Prozedur und die Schwierigkeiten des Teams zusammenhängen. Fakt ist. Die Kupplung im Silberpfeil verhindert gute Beschleunigung aus dem Stand, was den Piloten im Zusammenspiel mit den neuen Bestimmungen die Hände bindet. Das war Sportchef Toto Wolff und seiner Truppe schon nach den Testfahrten klar. Rosberg unterstreicht, dass er mit dem Losfahren nicht unglücklich war: "Es hat an diesem Wochenende gut geklappt."


Fotos: Großer Preis von Australien


Hamilton sieht es nicht als seine Schuld an, in Melbourne von den roten Rennern Sebastian Vettels und Kimi Räikkönens stehengelassen worden zu sein: "Da gab es kein spezielles Problem. Ferrari ist einfach sehr, sehr stark", meint der Brite. Ein Schlag ins Kontor für diejenigen, die mit den neuen Regeln bewirken wollten, dass sich die besten Piloten und nicht die findigsten Ingenieure durchsetzen: So ist in der Causa Kupplung wieder die Technik gefragt, nicht der Fahrer.

Das könnte sich ändern, sofern es regnet. Wie sich im Freien Training in Australien zeigte, wird die Sache auf feuchter Fahrbahn noch eine Ecke kniffliger. "Alle unsere Kupplungseinstellungen und Vorbereitungen sind für trockenen Bedingungen vorgesehen", meint Alonso vor dem Hintergrund, dass an einem Rennwochenende in der Regel nicht nur Regen erwartet wird. "Daher gibt es einige durchdrehende Räder." Und endlich die Chance, zu sehen, wer der Beste am Volant ist. Pardon! An der Kupplung.

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