• 20.08.2009 13:23

  • von Pete Fink & Dieter Rencken

Formel-1-Fabrik inmitten der NASCAR-Hochburg

Ex-Formel-1-Techniker Günther Steiner erklärt, warum das US-F1-Projekt am ungewöhnlichen Standort Charlotte funktionieren kann

(Motorsport-Total.com) - Fibreworks Composites heißt die Firma, die Günther Steiner zusammen mit seinem Partner Ralf Brand in Mooresville, North Carolina, gerade aufbaut. Eine Kohlefaserfirma im Herzen der NASCAR also, denn das kleine Städtchen Mooresville liegt etwa 30 Kilometer nördlich von Charlotte, mitten im Epizentrum der US-amerikanischen Stockcars.

Titel-Bild zur News: Günther Steiner

Günther Steiner war früher Technischer Direktor bei Jaguar und Red Bull

Steiner kennt Gegend und Leute bestens, denn er zeichnete als Technischer Direktor und später als Teamchef maßgeblich dafür verantwortlich, dass Red Bull mit einem eigenen NASCAR-Projekt loslegen konnte. "Nach meiner Zeit in der Formel 1 hat mich Red Bull gebeten, hier das NASCAR-Team aufzubauen", erklärt der Südtiroler gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Das war 2006 und ich bin dann hier geblieben. Beim NASCAR-Team war ich etwas mehr als zwei Jahre, dann habe ich mich selbstständig gemacht."#w1#

Ein Südtiroler in Amerika

Einfach war seine NASCAR-Zeit nicht, denn die Aktivitäten der Österreicher wurden misstrauisch beäugt. Auch in den USA war bekannt, dass die Bullen gleich zwei Formel-1-Teams mit jeder Menge Hitech im Rücken besaßen, und der Europäer Steiner war in dieser Zeit weit und breit der einzige Nicht-Amerikaner in einer leitenden Funktion im Sprint-Cup.

Heute profitiert er von dieser Zeit, denn er konnte zwei Jahre lang die Entwicklung aus nächster Nähe beobachten: "Es sind sicherlich einige Leute aus der Formel 1 hier herübergekommen, aber es gibt auch fähige Leute aus der NASCAR", weiß er. "Den Leuten fehlt aber etwas die Expertise. In der Formel 1 brauchst du Erfahrung, denn es ist eine schwierige Materie."

So gesehen waren entsprechende Gerüchte vorprogrammiert, denn fast parallel zur Entstehung von Fibreworks Composites schlug nur ein paar Meter weiter das neue US-F1-Team seine Zelte auf. Man kennt sich: "Ich habe ein gutes Verhältnis zu Ken Anderson und Peter Windsor", sagt Steiner. "Wir können sicherlich helfen. Man ist meiner Meinung nach nie der Einzige am Markt und auch nie der Beste, aber wir sind ganz bestimmt qualifiziert, ihnen zu helfen. Das verstehen die beiden Teamverantwortlichen auch und sie respektieren das. Deswegen sind wir auch stets im Dialog."

Denn US F1 braucht ein Formel-1-taugliches Chassis und Nachbar Steiner besitzt das Know-how dazu: "Wir können eigentlich alles im Bereich Kohlefaser machen. Hier vor Ort sind wir wohl der einzige Betrieb, der die Formel 1 aus technischer Sicht versteht. Mein Partner Ralf Brand ist auch Ingenieur mit Erfahrung aus der Formel 1. Er war bei Sauber, Toyota und zuletzt bei Carbotech. Er baut und konstruiert seit 15 Jahren Formel-1-Chassis. Das war einer der Gründe, warum wir eine Partnerschaft gestartet haben."

NASCAR kein guter Kunde

Autoklav-Backofen

Autoklav-Backofen in der Firma von Günther Steiner in Mooresville Zoom

Der Motorsportgigant NASCAR fällt für das erfahrene Duo als potenzieller Kunde übrigens weitgehend aus: "In der NASCAR beschränkt sich der Einsatz von Kohlefaser auf Luftleitbleche und Sicherheitszelle." Andererseits ist die nach New York zweitgrößte Bankenstadt Charlotte eben genau durch die NASCAR-Präsenz auch zu einer echten Technologie-Hochburg geworden.

"Es gibt hier fast alles", weiß Steiner. "Auch im Formel-1-Zentrum gibt es nicht immer alles, auch dort musst du manchmal weite Wege gehen. Es gibt hier zum Beispiel den Windshear-Windkanal, der einer der schönsten der Welt ist. Ich war begeistert, als ich ihn mir erstmals angeschaut habe - der ist super. Es ist schade, dass man kaum noch mit 1:1-Modellen testen darf, das sind ja nur noch vier Tage. Es gibt auch eine hervorragende Firma, die CFD macht."

Probleme wie die Logistik oder die Rechenleistung sieht Steiner nicht: "Die Preise sind deutlich heruntergegangen und wenn du mal mehr Rechenleistung brauchst, dann buchst du dich einfach in ein Rechenzentrum ein. Früher war der Bau der Rechner das Problem, heute ist es eher die Software, die die Berechnungen vornimmt."

Steiners Fazit: "Von der Infrastruktur ist es hier okay. Die Manpower ist da, nur fehlt vielleicht die Erfahrung ein wenig." Ein optimaler Standort also, wie der Südtiroler betont: "Wir sind für alle Herausforderungen der Formel 1 bereit. Unser Ofen ist groß genug, um dort Chassis oder Motorabdeckung hineinzubekommen."