Eddie Jordan: "Virgin kämpft ums Überleben"

Ex-Teamchef Eddie Jordan weiß, dass bei Virgin die Alarmglocken schrillen: Wenn sich das Team nicht bald steigert, wird man die kommende Saison nicht mehr erleben

(Motorsport-Total.com) - "Stay away from Virgins" (auf Deutsch: "Halte dich von Jungfrauen fern"), hatte Renningenieur Guillaume Rocquelin seinem Schützling Sebastian Vettel per Boxenfunk zu Saisonbeginn mitgeteilt. Ein verächtlicher Scherz über die wacker kämpfenden Neueinsteiger Virgin, aber leider durchaus treffend: Hinter einem Virgin-Boliden nachzufahren ist eine unberechenbare Angelegenheit, kaum ein Bolide liegt derart unruhig auf der Piste wie der VR-01.

Titel-Bild zur News:

Großbaustelle Virgin: Auch Eddie Jordan sieht dringenden Verbesserungsbedarf

Das Auto erwies sich bis jetzt als Fehlkonstruktion, zu Saisonbeginn wurde man belächelt, weil man aufgrund eines zu kleinen Tanks keinen Grand Prix in Renntempo durchfahren konnte. Auch der stark überarbeitete Bolide, der in Barcelona debütierte, überzeugte nicht - trotz der talentierten Piloten Timo Glock und Lucas di Grassi fällt man im Duell mit Lotus immer weiter zurück, auch das Schlusslicht HRT ist inzwischen bedrohlich nahe gerückt.#w1#

Warum sich Jordan um Virgin Sorgen macht

Und das Schlimmste: Auch die Sponsoren scheinen den Spruch "Stay away from Virgins" wörtlich zu nehmen, wie Ex-Teambesitzer Eddie Jordan gegenüber der 'Yorkshire Post' auffällt. Der Ire macht sich aufgrund mangelnder Geldgeber Sorgen um das Team seines Freundes John Booth und Technikchef Nick Wirth: "Das ist hundertprozentig der Kampf, mit dem John und das Team konfrontiert sind. Wie lang wird Sir Richard Branson noch da sein? Er ist einer der führenden Wirtschaftstreibenden der Welt, doch sie scheinen keine Sponsoren anzuziehen."

Jordan weiß, wovon er spricht. Jahrelang kämpfte er mit seinem Rennstall nach einem starken Debütjahr 1991 in der Formel 1 ums Überleben, ehe Ende der 1990er Jahre endlich der Durchbruch gelang. "Mir ist bewusst, wie hart es ist", zeigt er Verständnis für die Herkules-Aufgabe, mit der Virgin konfrontiert ist. "Sie müssen in der Konstrukteurs-Meisterschaft Zehnter werden, sonst wird ihnen im Winter eine riesige Bürde auferlegt." Ob dies allerdings gelingt, ist fraglich: Derzeit liegt Virgin ohne Punkte auf dem zwölften und letzten WM-Rang - nur die ersten Zehn kommen in den Genuss der TV-Gelder von Bernie Ecclestone.

Jordans größter Erfolg in der Formel 1

"Ich habe mit John kürzlich gesprochen und er weiß, dass es dieses Jahr ums Überleben geht", stellt Jordan klar, dass Teamchef John Booth der Ernst der Lage bewusst ist. "Es bringt nichts, ein bankrotter Held zu sein. Wenn sie das Jahr überleben und nächstes Jahr weitermachen, dann werden sich nicht viele Leute daran erinnern, wie schwer das erste Jahr war." Der 62-Jährige verweist auf seine eigene Geschichte: "Die Leute fragen mich oft, was mein bestes Formel-1-Resultat war und rechnen damit, dass ich den Doppelsieg in Spa angebe. Doch das ist es nicht. Der größte Erfolg, den ich in der Formel 1 hatte, war das Überleben."

"Ich habe kürzlich mit Teamchef John Booth gesprochen und er weiß, dass es dieses Jahr ums Überleben geht." Eddie Jordan

Aus diesem Grund feuert er Virgin an, sich selbst zu retten: "Sie verdienen es, in der Formel 1 zu sein, denn sie haben die Kriterien der FIA erfüllt. Jetzt müssen sie der Motorsport-Öffentlichkeit beweisen, dass sie das Auto weiterentwickeln können, denn Rekordbücher und Stoppuhren lügen nie - Virgin liegt zurück. So sehr ich es ihnen wünsche, dass sie sich gut schlagen - sie müssen sich steigern und näher an die Verfolgergruppe herankommen."