• 27.10.2011 09:31

  • von Christian Sylt & Caroline Reid

Ecclestone und der Gribkowsky-Prozess

Bernie Ecclestone wird als Zeuge, aber nicht als Beschuldigter am Gribkowsky-Prozess in München teilnehmen - Hintergründe der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft

(Motorsport-Total.com) - In München hat am Montag der größte Korruptionsprozess der Nachkriegsgeschichte seinen Anfang genommen. Das frühere Formel-1-Vorstandsmitglied Gerhard Gribkowsky soll 2006 im Zusammenhang mit dem Verkauf des Sports an die derzeitigen Besitzer, die Investorengruppe CVC Capital Holdings, Bestechungsgelder in Höhe von 44 Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 32 Millionen Euro) erhalten haben. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone hat bereits gestanden, Gribkowsky bezahlt zu haben. Es wird aber eines weiteren Gerichtsverfahrens bedürfen, wenn die Staatsanwaltschaft versuchen möchte, Ecclestone um etwas Geld zu erleichtern.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone

Bernie Ecclestone blickt dem Prozess um Gerhard Gribkowsky gelassen entgegen

Die Position von Herrn Gribkowsky als Formel-1-Vorstandsmitglied kam durch seinen Job als Risikovorstand der Bayerischen Landesbank (BayernLB) zustande, die damals einen Anteil von 47,2 Prozent an der Formel-1-Holdinggesellschaft SLEC hielt. Die Staatsanwaltschaft behauptet, dass Gribkowsky den Vorstand der Bank über zwei "Dealbreaker" (Bedingungen, an denen ein Geschäft scheitern kann) in Kenntnis setzte, als die BayernLB im Begriff war, ihre Anteile an CVC zu verkaufen. Der erste Dealbreaker war, 25 Millionen Dollar (18 Millionen Euro) an Ecclestones Familientrust zu überweisen, um einen Kredit zu tilgen, den diese 1998 an SLEC ausgestellt hatte.

Fünf Prozent Provision kassiert

Der zweite war, Ecclestone fünf Prozent Provision für den Verkauf zu bezahlen, was sich auf insgesamt 41,4 Millionen Dollar (30 Millionen Euro) belief. Ecclestone sagt, er habe diese Gelder erhalten, weil er beim Verkauf vermittelt habe und weil er der BayernLB eine Gewährleistung in "unheimlicher Höhe" garantiert habe, dass alle Konten "in bester Ordnung" seien, denn die Bank sei dazu nicht bereit gewesen. Zu der Zeit des Verkaufs an CVC befand sich die Formel 1 in einem unsicheren Zustand, denn die Teams drohten damit, den Sport zu verlassen. Ecclestone meint, er habe sich für die Gesundheit des Sports verbürgt.

Die BayernLB wusste aber nicht, dass Gribkowsky nach dem Verkauf insgesamt 44 Millionen Dollar (32 Millionen Euro) von Ecclestones Treuhandkonto erhielt. Ecclestone sagt, dass der Banker diese Gelder erhalten habe, weil dieser damit drohte, dass er ansonsten falsche Behauptungen über seine finanziellen Geschäfte an die britischen Steuerbehörden melden würde. Für Gribkowsky bedeutete dies einen finanziellen Aufschwung, bedenkt man seine Lohntüte von der Größe von 500.000 Dollar (etwa 361.000 Euro) und maximale Bonuszahlungen von 80.000 Dollar (rund 58.000 Euro).

Die Staatsanwaltschaft behauptet, Ecclestone und sein Familientrust hätten die Zahlungen von der BayernLB verlangt, um eine Kompensation für die 44 Millionen Dollar, die an Gribkowsky gegangen waren, zu erhalten. Hätte die Bank davon gewusst, hätte sie, so die Staatsanwaltschaft weiter, diese Summe nicht bezahlt. "Sie sagen, das Geld wäre ihres gewesen, wenn sie mir keine Provision bezahlt hätten. Wenn sie mir aber keine Provision bezahlt hätten, wären sie noch immer die Eigentümer des Unternehmens. Dann wäre es nämlich nicht verkauft worden", sagt Ecclestone.

¿pbvin|512|4207||0|1pb¿Wie die Staatsanwaltschaft festhält, sei der BayernLB infolge der Zahlungen an Ecclestone und sein Treuhandkonto ein Schaden in Höhe von 66,4 Millionen Dollar (48 Millionen Euro) entstanden. Sollte Gribkowsky schuldig gesprochen werden, so müssten die 44 Millionen Dollar, die er erhalten habe, an die Bank ausbezahlt werden, weil diese Gelder aus dem Verkauf der Anteile der Bank stammen, meint die Staatsanwaltschaft. Gribkowsky wollte dem Verkauf an CVC angeblich nur zustimmen, wenn er das Geld dafür bekäme. Er hätte es aber ohnehin tun müssen, weil die Investorengruppe der höchste Bieter war. Dies ist die Triebfeder hinter den Bestechungsvorwürfen der Staatsanwaltschaft.

Ein Sprecher der BayernLB sagt, dass interne und externe Untersuchungen ergeben hätten, dass der Verkaufsprozess der üblichen Vorgehensweise entsprochen habe. Die Höhe der erhaltenen Gelder habe den Erwartungen der Bank entsprochen und die an Ecclestone bezahlte Summe sei nicht ungewöhnlich groß gewesen. Der Sprecher merkt aber an: "Sollte die Staatsanwaltschaft zum Ergebnis kommen, dass Gribkowsky in Zusammenhang mit diesem Deal gewisse Gelder erhalten hat, dann muss dieses Geld der BayernLB zugeführt werden."

Bleibt Ecclestones Anteil unangetastet?

Gribkowskys Vermögen wurde eingefroren und sollte er für schuldig befunden werden, wird er die 44 Millionen Dollar verlieren. Damit bestünde allerdings ein Defizit in Höhe von 22,4 Millionen Dollar (16 Millionen Euro), denn die BayernLB soll ja 66,4 Millionen Dollar (48 Millionen Euro) verloren haben. Ecclestone und sein Familien-Treuhandkonto erhielten diese 66,4 Millionen Dollar, doch es stünde nicht in der Macht der Staatsanwaltschaft, diese Gelder zu beschlagnahmen, selbst wenn Gribkowsky bestochen wurde.

Das liegt daran, dass Ecclestone und Vertreter seines Familientrusts lediglich als Zeugen und nicht als Beschuldigte zu diesem Verfahren vorgeladen sind. Sollte Gribkowsky also schuldig gesprochen werden, müsste die Staatsanwaltschaft auch Ecclestone und das Treuhandkonto verklagen, um an die fehlenden 22,4 Millionen Dollar zu gelangen. Es ist schwer absehbar, wie dergleichen Erfolg haben könnte, wenn das Treuhandkonto einige Beweise vorlegen kann, wonach SLEC in seiner Schuld stand, und wenn Ecclestone beweisen kann, dass er alles Notwendige tat, um sich seine Provision zu verdienen.

¿pbvin|512|4205||0|1pb¿Zusammenfassend lässt sich festhalten: Wenn Ecclestone darlegen kann, dass er den Verkauf an CVC vermittelte und als Garant dafür herhielt, dann scheint die Staatsanwaltschaft kein stichhaltiges Argument an der Hand zu haben, um das Geld zu bekommen, das Ecclestone von der BayernLB erhalten hatte. Das liegt daran, dass sich die Bank dazu einverstanden erklärte, Ecclestone das Geld für seine Tätigkeit zu bezahlen. "Die Summe für Ecclestone wurde verabschiedet und Gribkowsky legte eben dies den anderen Vorstandsmitgliedern vor, als er sie ausbezahlte", sagt ein Sprecher. Es spielt keine Rolle, dass Ecclestone das Geld an Gribkowsky bezahlte, sofern er es auf rechtmäßige Art und Weise erhielt.

Die Tatsache, dass Ecclestone bisher nicht belastet wurde, könnte ein guter Hinweis darauf sein, ob die Staatsanwaltschaft tatsächlich etwas Handfestes gegen ihn in der Hand hat. Gleichermaßen haben die Ermittler der BayernLB bestimmt ebenfalls überprüft, dass Ecclestone das tat, was notwendig war, um die Zahlung zu erhalten. Sie haben bereits bestätigt, dass kein falsches Spiel stattgefunden hat.

CVC wird das Geschehen am Rande sicherlich mit Interesse verfolgen, denn dieser Fall stellt ein Hindernis beim Verkauf ihres Eigentums dar. Das Gericht wird an über 26 Tagen etwa 40 Zeugen vorladen. Im Januar soll das Verfahren abgeschlossen sein. Es sind also noch einige Runden zu bestreiten, bevor die Zielflagge für dieses Thema geschwenkt wird.