Die "Silberpfeile" haben ihren Glanz verloren

Da hilft auch die Chromlackierung nichts: McLaren-Mercedes ist momentan eine Sekunde zu langsam - Haug und Whitmarsh äußerst selbstkritisch

(Motorsport-Total.com) - Mit fast einer Minute Rückstand wurde Kimi Räikkönen gestern beim Grand Prix von Spanien hinter den beiden Renaults und Ferraris Fünfter - mehr war für McLaren-Mercedes am vergangenen Wochenende einfach nicht drin. Weil nun auch der WM-Zug ohne die "Silberpfeile" abzufahren droht, herrscht in Woking und Stuttgart Krisenstimmung.

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen

Für Kimi Räikkönen war in Barcelona ein fünfter Platz das bestmögliche Resultat

Im Anschluss an das sechste Saisonrennen übten sich die Verantwortlichen nicht wie sonst in zweckoptimistischen Kampfansagen, sondern sie sprachen Klartext - am direktesten Mercedes-Sportchef Norbert Haug: "Wir waren pro Runde - zumindest rechnerisch - eine Sekunde zu langsam", analysierte er schonungslos - und suchte nicht nach Ausreden: "Wir haben vergleichbare Reifen wie Renault, aber sie gewinnen und wir werden Fünfter. Also liegt es an uns."#w1#

McLaren-Mercedes ist nur noch die Nummer drei

"Wir waren erneut die Nummer drei. Das ist nicht gut genug." Norbert Haug

"Wir waren erneut die Nummer drei. Das ist nicht gut genug", hielt der Deutsche fest. "Die zwei schnelleren Teams vor uns haben ihre Autos ins Ziel gebracht - und der Abstand war groß. Ferrari war besser, Renault war besser, aber wir arbeiten dran. Hier sollten wir uns eigentlich wirklich gut auskennen, daher glaube ich nicht, dass das das Maximum unserer generellen Performance war. Wir müssen uns aber ganz klar in allen Bereichen verbessern. Wir arbeiten konstruktiv, wir können das."

Haug hatte zuvor am Samstag erstmals die Kritik akzeptiert, wonach man sich in den Freien Trainings eher auf das Qualifying anstatt auf das Rennen konzentrieren sollte, weil der MP4-21 zwar auf langen Distanzen recht konstant, auf eine einzelne Runde aber nicht schnell genug ist. Darüber hinaus scheint man aber auch am Gesamtkonzept arbeiten zu müssen, denn trotz der Weiterentwicklungen der vergangenen Wochen ist der Rückstand eher größer als kleiner geworden.

"Natürlich ist das für niemanden im Team zufrieden stellend", seufzte daher auch McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh. "Es gibt nicht einen einzelnen Bereich, den wir verändern müssen, sondern es geht um das Gesamtpaket. Nun werden wir die Aerodynamik, das Chassis, die Radaufhängungen und den Motor unter die Lupe nehmen, natürlich auch die Reifen, damit wir das Maximum aus unserem Paket herausholen können."

Weltmeisterschaft hat nicht mehr oberste Priorität

"Die Formel 1 ist so konkurrenzfähig, dass man schon Probleme hat, wenn man nur ein Prozent an Performance einbüßt." Martin Whitmarsh

Allerdings nahm der Brite seine Mannen auch in Schutz: "Die Formel 1 ist heutzutage so konkurrenzfähig, dass man schon ernsthafte Probleme hat, wenn man nur ein Prozent an Performance einbüßt", gab er zu Protokoll. "Unser erstes Ziel muss nun sein, bald Rennen zu gewinnen. An die Weltmeisterschaft denken wir nicht, sondern nur daran, wie wir das Auto schneller machen können. Von da an werden wir uns dann überlegen, wie wir weitermachen."

Die beiden Fahrer waren in Barcelona am wenigsten für das mäßige Abschneiden verantwortlich - vor allem Räikkönens Start, mit dem er sich zwischen den beiden Toyotas hindurch um einige Positionen nach vorne schob, war unwiderstehlich: "Da konnte man seine Klasse sehen", klatschte Haug seinem Lieblingsschützling wieder einmal begeistert Beifall. "Kimi war dann Fünfter, aber von da aus wir konnten nicht weiter angreifen."

Weniger gut lief es für Montoya, der mit einem schweren Auto in den ersten Runden keine Akzente setzen konnte, aber aufgrund seiner Strategie auch nur abwarten musste, um nach vorne zu kommen. Allerdings schied er in der 18. Runde aus, als er sich in der zweiten Kurve so unglücklich von der Strecke drehte, dass sein MP4-21 zwischen Kiesbett und Strecke strandete. Für den Kolumbianer stellte dies nach einem unglücklichen Wochenende einen passenden Schlusspunkt dar.

Haug fordert Montoya zur Selbstkritik auf

Juan-Pablo Montoya

Bild mit Symbolcharakter: Juan-Pablo Montoya wieder einmal im Abseits Zoom

"Juan-Pablo hätte eine Strategie gehabt, die ihm geholfen hätte. Er wäre mit einem Stopp gefahren", verriet Haug ein kleines Geheimnis. "Den Grund für seinen Dreher müssen wir untersuchen. In den Daten können wir nichts erkennen." Die Montoya-Anschuldigung, wonach die Traktionskontrolle gestreikt habe, wollte er nicht direkt kommentieren, aber: "Ich fände es schlecht, wenn ich jetzt sagen würde, dass es möglicherweise ein Fahrfehler war. Wir untersuchen das."

Von Montoya erwartet er sich jedoch eine positivere Arbeitseinstellung, und "dazu gehört auch, dass jeder im Team ein Teamplayer ist und die Realitäten erkennt, seine eigenen Rundenzeiten sieht und dann intern an der Steigerung dieser arbeitet", so der 53-Jährige. "Wir erwarten von allen im Team, dass sie sich auf unsere Sache konzentrieren und sich an der eigenen Nase packen. Ich habe gelernt, dass Selbstkritik der beste Weg zur Besserung ist."

Nun geht es weiter nach Monaco, wo McLaren-Mercedes den Glanz der "Silberpfeile" wieder aufpolieren möchte - auch wenn allen klar ist, dass man nicht plötzlich um Siege mitfahren wird. Whitmarsh ist aber ungeachtet dessen für den siebenten WM-Lauf optimistisch: "Monaco ist wieder eine andere Strecke - ganz anders als hier -, die unsere Fahrer sehr mögen. Wir haben dort als Team ein großes Erbe", teilte er abschließend mit.