• 31.10.2015 01:19

  • von Dominik Sharaf

Buhmann: Trieb Ferrari die Formel 1 per Veto in den Ruin?

Maurizio Arrivabene erklärt, wieso die Scuderia einen Preisdeckel für V6-Hybride verhinderte - Toto Wolff hat Verständnis - Wird das Veto zum Bumerang?

(Motorsport-Total.com) - Ungewöhnliche Umstände erfordern ungewöhnliche Maßnahmen - dachte sich die FIA offenbar in der vergangenen Woche, als sie im Rahmen der Verkündung einer Ausschreibung für den ab 2017 geplanten Alternativmotor Ferrari als Buhmann der Szene deklarierte. Per Pressemitteilung machte der Automobil-Weltverband ungewöhnlicherweise öffentlich, dass die Scuderia mit ihrem Vetorecht in der Strategiegruppe eine Preisdeckelung für die Kundenbelieferung mit V6-Hybriden verhindert hatte.

Titel-Bild zur News: Maurizio Arrivabene

Maurizio Arrivabene verteidigt sich: Auch er muss am Ende Rechenschaft ablegen Zoom

Maurizio Arrivabene rechtfertigt die pikante Maßnahme, die private Teams wie Sauber, Force India oder Lotus zügig einiger Finanzsorgen ledig gemacht hätte: "Das Veto ist schnell erklärt: Wir haben davon in Zusammenhang mit unseren kommerziellen Rechten Gebrauch gemacht", verweist der Teamchef auf die mit Zampano Bernie Ecclestone und seinem Formula One Management (FOM) ausgehandelten Statuten. "Das ist unser Geschäftsgebaren als Hersteller von Antrieben", bekräftigt Arrivabene.

Ferrari will sich der FIA nur so weit beugen, wie es sich nicht vermeiden lässt. "Wenn jemand von uns verlangt, Antriebe nach bestimmter Spezifikation zu bauen, tun wir das. Wenn dieser Jemand den Preis bestimmen will, was tut man dann?", fragt Arrivabene und beruft sich darauf, dass Ferrari kostendeckend arbeiten müsste. Schließlich ist für 2016 nur Sauber sicher Kunde in Maranello, ein Deal mit Toro Rosso steht in den Sternen. Für wirtschaftliche Argumente hat sogar die Konkurrenz Verständnis.

Wolff versteht Ferrari-Veto: Finanzierung muss stimmen

Toto Wolff - Befürworter der Deckelung - versteht, warum die Roten mit "Nein" votierten. "Ferrari ist ein börsennotiertes Unternehmen. Große Firmen arbeiten mit langfristigen Plänen. Da geht es um Businesspläne", erklärt der Mercedes-Sportchef und bekennt, dass selbst ein als Investition in das Marketing abgeschriebenes Formel-1-Geschäft nicht zum Millionengrab werden dürfe. "Was ist, wenn die Refinanzierung plötzlich nicht mehr gesichert ist? Ich kann ihren Standpunkt daher nachvollziehen."

Welchen Stellenwert das Verhindern der Novelle für die Scuderia hatte, wird dadurch deutlich, dass von einem Vetorecht ohne Mitstreiter letztmals vor vielen Jahren unter Jean Todt Gebrauch gemacht wurde. Also ausgerechnet dem heutigen FIA-Präsidenten, der jetzt ausgebremst wurde. "Wir tun es nicht bei jedem Meeting", betont Arrivabene die Schärfe der Waffe. Er ist sich ihrer bewusst: "Wenn wir davon Gebrauch machen, denken wir sorgfältig darüber nach und setzen es nur um, wenn es unbedingt nötig ist."


Fotos: Großer Preis von Mexiko


Dank Alternativmotor: Werden Hybride für Kunden günstiger

Letztlich stellt sich die Frage, inwiefern das Veto für Ferrari zum Bumerang wird. Nur durch dieses Manöver eröffnete sich Ecclestone und der FIA die Möglichkeit, den Alternativmotor auf den Weg zu bringen. Weil er erst 2017 eingeführt werden soll, reichen einfache Mehrheiten - und Ferrari kann alleine keiner Regeländerung mehr einen Riegel vorschieben. So könnte sich Red Bull nach einem Übergangsjahr wieder einen konkurrenzfähigen Motor sichern und die Roten hätten einen Konkurrenten mehr.

Ob das Vetorecht für Ferrari überhaupt angemessen ist, steht auf einem anderen Blatt. Ecclestone argumentiert stets damit, dass die Platzhirsche überdurchschnittlich stark mitbestimmen müssten, weil sie diejenigen sein, die den finanziellen Erfolg der Formel 1 garantieren würden. Wolff stimmt mit Verweis auf die Rennsport-Tradition der Scuderia zu: "Es ist ein Recht, das verdient ist - in 50, 60 oder Gott-weiß-wie-vielen Jahren, in denen enorme Summen investiert wurden. Ich finde, dass jemand wie Ferrari andere Mittel erhalten sollte, seine Meinung kundzutun als jemand, der seit zehn Minuten an Bord ist."

Trotzdem kann Mercedes mit dem Vorgehen nicht einverstanden sein. Die Silberpfeile sind mehr als jedes andere Topteam gewillt, die Königsklasse attraktiver zu gestalten, um mit Motorsport das eigentliche Kerngeschäft zu forcieren - und deswegen auch dem Alternativmotor alles andere als abgeneigt. "Wir fahren nicht vorne weg und sagen, es sei uns egal, was links und rechts passiert", unterstreicht Wolff. Denn das Triebwerk, mutmaßlich ein 2,2-Liter-Biturbo mit sechs Zylindern und einem Einheits-KERS, schafft Perspektiven für Mannschaften, die bislang am Tropf der Hersteller hingen.


Fotostrecke: Die zehn denkwürdigsten F1-Regeländerungen

Auch wenn Vijay Mallya mit Force India bei der aktuellen Hybridformel bleiben sollte - wohl als Aston Martin und damit noch enger an den Daimler-Konzern gebunden - könnte er Kapital aus der Situation schlagen. Ganz einfach deshalb, weil es Handlungsoptionen gibt: "Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob wir den Alternativmotor unterstützen", bremst der Inder. "Aber wenn die FIA will, dass ein Motor sieben oder acht Millionen US-Dollar kostet, dann könnte ich meinen Freund Toto nach einem Rabatt fragen."