• 14.07.2009 16:33

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Brawn: Warum in Ungarn alles anders sein kann

Jenson Button will Red Bull auf dem Hungaroring "in den Hintern treten" - Teamchef Ross Brawn erklärt, warum das nicht unrealistisch ist

(Motorsport-Total.com) - Aus 32 Punkten Vorsprung auf Sebastian Vettel sind binnen zwei Rennen 21 geworden - dem anfangs so dominant wirkenden Jenson Button droht die Weltmeisterschaft 2009 aus den Händen zu gleiten. Oder doch nicht? Denn im Brawn-Lager ist man zwar einerseits besorgt, andererseits aber auch optimistisch, dass dieser Trend nicht anhalten wird.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Jenson Button steht nach zwei Rennen ohne Podium leicht unter Druck

"Wir werden in Ungarn stärker sein. Ich bin froh, dass diese zwei Rennen vorbei sind, auch wenn ich gerne mehr Punkte gesammelt hätte", meint Button, der den Red Bulls in knapp zwei Wochen auf dem Hungaroring "in den Hintern treten" will. Wenn man sich die Daten vom Nürburgring zu Gemüte führt, erscheint das vermessen: Im Qualifying war Button benzinbereinigt um acht, in der schnellsten Rennrunde dann um drei Zehntelsekunden langsamer als Sieger Mark Webber.#w1#

Silverstone/Nürburgring nicht repräsentativ?

Trotzdem spricht Teamchef Ross Brawn nur von einem "kleinen" Rückstand auf Red Bull: "In Istanbul waren wir in etwa gleichauf, aber wir hatten im Rennen das bessere Setup und es war sehr heiß, was uns entgegenkam. Für Silverstone hatten sie einen ziemlich großen Schritt, mit dem sie sich von uns absetzen konnten." Aber der Brite weiß auch: "Durch die kühlen Temperaturen wurde das Kräfteverhältnis möglicherweise etwas verzerrt."


Fotos: Jenson Button, Großer Preis von Deutschland, Sonntag


Buttons "Reifenflüsterer" BGP 001 geht mit den Bridgestone-Gummis so schonend um, dass diese nicht genug Temperatur aufbauen, wenn es zu kalt ist. Das war in der Eifel mit am Samstag zwölf und am Sonntag 18 Grad der Fall. Der WM-Leader erhitzte seine Pneus im Rennen trotz der kuriosen Schlangenlinien auf maximal 50 bis 60 Grad, dabei wären 70 bis 80 Grad das ideale Betriebsfenster. "Das ist hoffnungslos", analysiert Brawn.

Vettel findet, dass es zu billig ist, den Red-Bull-Aufschwung im Vergleich zu Brawn nur über die niedrigen Temperaturen in Silverstone und am Nürburgring zu erklären. Button widerspricht: "Er hat ein Auto, das bei diesen Bedingungen funktioniert. In Monaco hatten aber seine Reifen nach zehn Runden Graining und wir nicht. Diese Schwankungen werden nicht überbewertet. Wenn es in Ungarn wieder warm ist, werden wir viel näher dran sein - oder sogar gleich schnell."

Bei Hitze: Vorteil Brawn

Der Verweis auf Monte Carlo hinkt nicht: Vettel stand dort mit weichen Reifen früh auf verlorenem Posten, während Buttons Rundenzeiten nicht und nicht einbrechen wollten. "In Monaco konnten wir mit den weichen Reifen problemlos 16 Runden fahren. Sebastians waren nach vier Runden hinüber", erinnert Brawn. Daraus schließen wir: Hitze und weiche Reifenmischungen kommen tendenziell eher Brawn entgegen, Kälte Red Bull - und jetzt geht es fast durchwegs in wärmere Gefilde.

"Hoffen wir, dass wir dort schnell sind, denn wenn nicht, dann haben wir ein Problem!" Jenson Button

Für den Hungaroring, wo Ende Juli mit hohen Temperaturen zu rechnen ist, hat Bridgestone die beiden weichsten Reifenspezifikationen ausgewählt. Button weiß, dass er diesen Vorteil nutzen muss: "Hoffen wir, dass wir dort schnell sind, denn wenn nicht, dann haben wir ein Problem", so der 29-Jährige. "Ich hoffe auf schönes Wetter. Ich habe dort schon einmal gewonnen, damals war es nass. Hoffentlich diesmal nicht - und damit meine ich den Regen!"

Auf die Frage, ob er sich hinsichtlich der Weltmeisterschaft Sorgen macht, entgegnet er: "Würdest du etwa nicht? Ich war in den letzten zwei Rennen Fünfter und Sechster. Da muss man sich Sorgen machen, aber ich denke nicht, dass wir jetzt den Titel verlieren werden, sondern ich denke eher: Komm schon, jetzt erst recht! Wir bekommen für Ungarn neue Teile und ich freue mich auf das Rennen. Wir wissen, dass unser Auto dort stark sein wird."

Button und Brawn bleiben ruhig

"Ich könnte das Team jetzt anschreien und fordern, dass sie dies oder jenes verbessern, aber sie wissen, was sie zu tun haben", fährt Button gelassen fort. "Wir müssen ruhig bleiben, die Verbesserungen ans Auto schrauben und dann jedes noch so kleine Bisschen herausholen. Wir sind erfahren damit, im Mittelfeld zu fahren, daher kennen wir alle Details und wissen, dass alles stimmen muss, um konkurrenzfähig zu sein."

"All das müssen wir so schnell wie möglich einführen." Ross Brawn

Teamchef Brawn kündigt indes "einige gute Schritte" für den Hungaroring an, genauer gesagt "einen neuen Unterboden, eine neue Motorenabdeckung und neue Flügel. All das müssen wir so schnell wie möglich einführen." Doch beim Ex-Ferrari-Mastermind beginnen trotz der Red-Bull-Aufholjagd nicht die Nerven zu flattern - ganz im Gegenteil: Brawn denkt mitten im WM-Kampf schon ernsthaft über die Saison 2010 nach!

"Wir arbeiten bereits für nächstes Jahr", bestätigt er, fügt aber an: "Eventuell müssen wir wieder ein bisschen auf dieses Jahr zurückrudern. Das ist ein schwieriger Balanceakt. Wenn wir müssen, können wir auch in den letzten vier Rennen noch Neuentwicklungen bringen. In den nächsten Wochen müssen wir entscheiden, wie viel wir noch in dieses Jahr investieren und wie sehr wir uns schon auf nächstes Jahr konzentrieren."