• 23.09.2007 06:44

  • von Harry Miltner

Berger: "Hätte den Titel holen können"

Gerhard Berger im Interview über seine Anfänge als Fahrer in der Formel 1, seine Probleme mit Toro Rosso und die beiden Neuzugänge Vettel und Bourdais

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Gerhard, Deine Formel-1-Karriere begann bei ATS und Arrows, aber der Durchbruch gelang mit Benetton. Kann man das Team als Glücksgriff für dich bezeichnen?"
Gerhard Berger: "Benetton war für mich ein absoluter Glücksgriff. Das Auto war spritzig, hatte einen guten Motor und war aerodynamisch top."

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger

1988 galt Gerhard Berger als einer der schnellsten Fahrer im Formel-1-Feld

Frage: "Kann auch Toro Rosso ein Glücksgriff sein?"
Berger: "Im Moment sicher noch nicht. Man darf nicht vergessen: Früher gab es nur private Teams. Heute heißen unsere Gegner aber Toyota oder Honda - und die haben natürlich ganz andere Ressourcen."#w1#

Red Bull Technology soll Toro Rosso helfen

Frage: "Und wie denkst du könnt ihr dagegen bestehen?"
Berger: "Ich zähle dabei auf die starke Red-Bull-Technology-Abteilung, in deren Windschatten auch wir nach vorne kommen sollten."

"Vor meinem Unfall war ich sicher vom Potenzial her in der Lage, den Titel zu holen." Gerhard Berger

Frage: "Nach deinem Engagement bei Benetton hat dich der große Enzo Ferrari engagiert. Doch leider war der Wagen nicht gut genug für den Titel..."
Berger: "Vor meinem Unfall war ich sicher vom Potenzial her in der Lage, den Titel zu holen. Ich war zwar unreif, aber eben auch unerschrocken und sehr schnell. 1987 kam zu Saisonmitte Gustav Brunner ins Team und machte den Wagen zu einem Siegerauto. Da hätte ich den Titel holen können, aber ich habe es einfach nicht geschafft. Mir fehlte es auch an Erfahrung, denn ich hatte erst mit 21 begonnen, nicht wie ein Ayrton Senna, der aus der Wiege ins Go-Kart stieg."

Frage: "Du erwähnst Erfahrungsmangel und Senna in einem Satz. Das bringt mich auf Ayrton Sennas Neffen Bruno..."
Berger: "Dem geht es recht ähnlich wie mir damals. Aber Senna hat in seiner Familie Rennsport von Kindheit an inhaliert. Das hilft."

Frage: "Du hast dafür in Deiner Kindheit beziehungsweise Jugend einiges an Management-Know-how von deinem Vater und seiner Speditionsfirma mitbekommen, nicht wahr?"
Berger: "Ja sicher, und das hat mir später bei meinen Verhandlungen als Fahrer, aber auch bei BMW und Toro Rosso geholfen."

Frage: "Apropos BMW: Ich war damals bei deinem emotionalen Abschied auf der Weihnachtsfeier in Seefeld dabei. Hättest du gedacht, dass du so kurz danach wieder in der Formel 1 sein würdest?"
Berger: "Nun ja, wenn man hier zu lange weg ist, dann ist man endgültig weg."

Frage: "Und war es die richtige Entscheidung?"
Berger: "Ja, ganz bestimmt, auch wenn ich natürlich leide, dass wir so weit hinten stehen. Aber in der modernen Formel 1 ist alles sehr, sehr eng beisammen. Mit fünf Zehnteln weniger auf der Uhr bist du Zehnter."

Großes Lob für Rosberg

Frage: "Dieses Problem hat ja auch Alexander Wurz..."
Berger: "Schon, aber dessen Hauptproblem ist, dass er einen Teamkollegen von Weltmeisterformat hat. Nico (Rosberg; Anm. d. Red.) fährt auf einer Stufe mit Lewis Hamilton. Dazu kannst du vielleicht auch noch Robert Kubica zählen."

Frage: "Und Heikki Kovalainen?"
Berger: "Der fällt ein wenig ab von den dreien. Die sind sicher noch eine Klasse besser."

"Jeder machte das, worin er gut war." Gerhard Berger

Frage: "Du hast Robert Kubica genannt. Das führt uns nochmals zu BMW. Mit Mario Theissen als Führungspartner habt ihr ja ein völlig gegensätzliches Paar gebildet, nicht?"
Berger: "Doch, genau. Aber wir haben unsere Arbeit nicht verdoppelt, sondern einfach geteilt. Jeder machte das, worin er gut war. Außerdem führten wir eine ehrliche und korrekte Zusammenarbeit mit viel Sympathie."

Frage: "... was ja zwischen Österreicher und Deutschem nicht selbstverständlich ist..."
Berger: "Yep, und vor allem gibt es in solchen Situationen oft Machtkämpfe um die alleinige Spitze. Bei uns nicht."

Frage: "Nun hast du mit Franz Tost einen Tiroler Landsmann an der Seite."
Berger: "Ja, nur die Rollen sind andere. Franz, den ich sehr schätze, ist unser Teamchef, Mario war mein gleichgestellter Direktor."

Frage: "Wie können die beiden Tiroler die Formel 1 in diesem Jahr noch aufmischen?"
Berger: "Punkt wird keiner mehr drin sein, denn die Formel 1 hat sich, vor allem diese Saison, sehr geändert. Die Werksteams werden mit so hoher Qualität beliefert, dass sie nicht mehr ausfallen. Da bleibt für die so genannten Kleinen dann nichts mehr übrig."

Frage: "Müsste man dann nicht die Spielregeln ändern? Vielleicht die Punkte anderes verteilen?"
Berger: "Du hast völlig Recht. Man sollte was tun, aber das Hauptthema ist und bleibt, dass einem 400 Millionen Dollar Budget nicht den Siegvorteil gegenüber 100 Millionen Dollar Etat sichern sollten. Es müssen andere Kriterien ausschlaggebend sein."

Berger findet das Spionageurteil hart, aber gerecht

Frage: "Gut, McLaren-Mercedes hat nach dem FIA-Urteil in Paris nun 100 Millionen weniger..."
Berger: "Das sind ja nur 20 Prozent von deren Budget (lacht; Anm. d. Red.)! Nein, im Ernst: Das Urteil war sicher hart, aber wenn die Sache so stimmt, dann war es wichtig und richtig."

Gerhard Berger und Sebastian Vettel

Gerhard Berger mit seinem neuen Hoffnungsträger Sebastian Vettel Zoom

Frage: "Lass uns bei richtig bleiben. Sebastian Vettel hat sich nun ein wenig bei euch eingelebt. War deine Entscheidung, ihn zu nehmen, richtig?"
Berger: "Absolut. Sebastian fährt schon auf dem Niveau von Tonio (Liuzzi; Anm. d. Red.) und das zeigt sein enormes Potenzial. Er wird uns nächstes Jahr noch viel Freude machen."

Frage: "Und Sébastien Bourdais?"
Berger: "Bourdais ist ein anderes Thema. Ich bin schon sehr gespannt auf ihn. Aber auch er hat uns überzeugt."

Frage: "Allerdings haben sich die meisten Fahrer aus den US-Serien in der Vergangenheit nicht wirklich toll geschlagen..."
Berger: "Ich würde sagen, keiner hat sich wirklich toll geschlagen. Villeneuve war bei seinem Titel in einer ähnlichen Situation wie Damon Hill mit dem klar besten Auto. Montoya hat viele Fehler gemacht und auch andere haben nicht überzeugt."

Frage: "Ich nehme an, du siehst das Übel in ihrer Einstellung?"
Berger: "Exakt. Das Minus der Piloten aus den US-Serien war immer die Einstellung. Und dann wollten sie nur mehr nach Hause - Villeneuve nach Kanada, Montoya in sein Haus nach Miami."

Frage: "Und warum sollte das dann bei Sébastien Bourdais anders sein?"
Berger: "Weil er Europäer ist und hierher will. Außerdem ist er ein harter Arbeiter und sehr verbissen. Er will hier unbedingt etwas beweisen."