• 12.05.2012 22:45

  • von Roman Wittemeier

Barcelona-Taktik: Von Gummi geben und nehmen

Die Taktikspiele bezüglich der Reifen sorgen in Barcelona für wenig Fahrbetrieb in Q3 - Nicht nur Niki Lauda platzt der Kragen: "Diesen Blödsinn sofort beenden"

(Motorsport-Total.com) - Auch beim aktuellen Grand-Prix-Wochenende in Barcelona wird bislang mehr über die Reifen gesprochen als über die Qualitäten von Fahrzeugen oder Fahrern. Am Samstag führte der Pneu-Sparzwang erneut zu wilden Blüten. In Q3 beendeten beispielsweise Michael Schumacher und Sebastian Vettel nicht eine einzige schnelle Runde. Der Hintergrund: Wer sonntags ohne frisches Gummi in den Verkehr geht, der lebt gefährlich.

Titel-Bild zur News:

Für jeden Fahrer einen ganzen Reifenstapel: Wäre das die Lösung?

Das echte Shootout der zehn besten Piloten des Tages blieb also wieder einmal aus. Ursächlich dafür sind laut Niki Lauda "idiotische Regeln", die es dringend abzuschaffen gelte. "Jetzt sind Teams und FIA gefragt, diesen Blödsinn sofort ab Monte Carlo zu beenden", polterte der 'RTL'-Experte nach der Qualifikation auf dem Circuit de Catalunya. "Das ist vielleicht nicht ganz optimal, aber die Taktik ist nun einmal ein Teil des Spiels", schmunzelt Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery.

Whitmarsh fordert Konsequenzen

"Wir brauchen eine Situation, in der es um das K.O.-System geht und in der die Fahrer in den Top 10 auch wirklich mitmischen und eine Zeit setzen wollen. So sollte es nicht weitergehen, denke ich", schließt sich McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh der Lauda-Kritik an. "Wir müssen vielleicht darüber nachdenken, wie viele Reifen wir zur Verfügung haben. Das Q3 sollte jedenfalls nicht so sein. Die Top-10-Autos sollten fahren."

"Hätten wir den Speed gehabt, mit um die Pole zu kämpfen, dann hätte es keinen Grund für ein Taktieren gegeben. In einem solchen Fall holt man alles heraus, um das Auto auf die Pole zu stellen. Die war heute nicht in Reichweite. Dann spielt man vielleicht ein bisschen herum", verteidigt Vettel seine Herangehensweise am Samstag. Auch Schumacher fand den "Vorteil, weil am Sonntag ein frischer Reifensatz mehr vorhanden ist" wichtiger als einen Wettkampf um die beste Startposition.


Fotos: Großer Preis von Spanien, Samstag


Wer am Sonntag mit möglichst vielen frischen Reifen in einen Grand Prix starten kann, ist im Vorteil. Wer zudem noch wählen kann, mit welcher Mischung er den ersten Stint absolviert, hat noch bessere Karten. Dies führt zu der kuriosen Situation, dass die Piloten am Samstagabend auf ihre Sammlung unbenutzter Reifen genauso stolz sind wie ein Teenager auf seine Briefmarken, die er der netten Nachbarstochter zeigen möchte.

Wenn Q1 hart wird, dann muss weich her

"So etwas gab es schon immer", sagt Adrian Sutil. Allerdings meint der Gräfelfinger, dass man derzeit vor dem Start in ein Rennen kaum bemessen könne, wer wirklich vom Reifensparen profitieren werde. "Dabei kann es gut, aber auch schlecht für dich laufen", stimmt auch McLaren-Teamchef Whitmarsh zu. Vor allem in Barcelona könnte das Wetter am Renntag alle Überlegungen des Samstags über den Haufen werfen. Der Sonntag soll deutlich kühler werden. Die Karten wären dann wieder neu gemischt.

"Man muss immer im Hinterkopf haben, dass der Rennstart mit vollen Tanks erfolgt. Die Reifen werden unter dieser Last enorm beansprucht. Wenn ich dann wenigstens mit ganz frischen Pneus starten darf, dann ist das oft ein erheblicher Vorteil", sieht Pirelli-Testpilot Jaime Alguersuari generell jene Piloten im Glück, die nicht an Q3 teilnehmen. Der Spanier sieht die Ursachen für die aktuelle Entwicklung nicht im Reifen selbst, sondern im engen Wettbewerb, der immer neue Finten und Tricks erfordere.

"Wenn du ein, zwei Zehntel verlierst, musst du deinen nächsten Reifensatz zücken. Das hat dann Auswirkungen auf deine nächste Session, wenn du durchkommst oder auch wenn nicht", beschreibt Jenson Button die Sorgen, die am Samstag in Barcelona dazu führten, dass nahezu alle Piloten schon in Q1 mindestens einen Satz frischer Option-Reifen verpulverten. "Das Feld ist ungeheuer konkurrenzfähig. Die Fans lieben es. Vielleicht hatten sie an Q3 nicht so viel Spaß, doch wir hatten definitiv viel Freude dabei."